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  BFH-Urteil vom 18.4.1990 (III R 102/87) BStBl. 1990 II S. 886

1. Zum Verhältnis des Abzugsbetrages für Kinderbetreuungskosten Alleinstehender gemäß §§ 33c, 53b Abs. 2 EStG 1985 zum Kinderbetreuungsbetrag gemäß § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1981 und der dazu ergangenen Nichtbeanstandungsregelung (Abschn. 191a/68a Abs. 3 Satz 2 EStR 1981) im Veranlagungszeitraum 1981.

2. Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seinen Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft können zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Die für die Annahme einer sittlichen Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt erforderlichen besonderen Umstände und eine gemeinschaftsbedingte Bedürftigkeit des Empfängers liegen vor, wenn der Partner seine Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kleinkindes aufgegeben hat und die Lebensgemeinschaft auf Dauer angelegt ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294).

EStG 1981 § 33a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1; EStG 1983 § 53a Abs. 1; EStG 1985 § 33c, § 53b Abs. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte im Streitjahr 1981 mit Frau G, der Mutter seines 1979 geborenen Kindes, in eheähnlicher Gemeinschaft. Der Kläger und Frau G führten einen gemeinsamen Haushalt; seit der Geburt des Kindes arbeitete Frau G nicht mehr.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1981 begehrte der Kläger die Anwendung des Splittingtarifs nach § 32a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder die Gewährung eines Abzugsbetrages für Kinderbetreuungskosten in Höhe von 4.000 DM gemäß § 33c Abs. 3 EStG oder die Berücksichtigung von Aufwendungen für den Unterhalt von Frau G im Betrag von 3.600 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab, gewährte dem Kläger aber einen Haushaltsfreibetrag in Höhe von 4.212 DM.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Das EStG sehe die Anwendung des Splittingtarifs bei der Besteuerung unverheirateter Eltern nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei dies auch verfassungsgemäß (Urteil vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717). Da der Kläger ausdrücklich erklärt habe, ihm seien keine besonderen Aufwendungen für die Kinderbetreuung entstanden, seien auch Kinderbetreuungskosten zu Recht nicht berücksichtigt worden. Schließlich seien auch die Unterhaltsaufwendungen für die das gemeinsame Kind betreuende Frau G ebenso wie die Aufwendungen zum Unterhalt einer nicht berufstätigen Ehefrau nicht nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbar.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, er könne seine Besteuerung zu einem Satz von über 37 v.H. nur als Strafe auffassen. Wäre er mit der Mutter seiner Tochter verheiratet, würde er einem weitaus geringeren Steuersatz unterliegen. Die einfachste und gerechteste Lösung wäre die Anwendung des Splittingtarifs. Unverständlich bleibe auch, daß die Unterhaltsaufwendungen für die Mutter nicht als Kinderbetreuungskosten oder im Rahmen des Unterhaltshöchstbetrages abziehbar seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Anwendung des Splittingtarifs festzusetzen, hilfsweise Aufwendungen für Kinderbetreuungskosten in Höhe von 4.000 DM und ferner hilfsweise, einen Höchstbetrag von 3.600 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Antrag des Klägers, ihm zur Abgeltung seiner Unterhaltsleistungen an Frau G den Splittingtarif zu gewähren, kann keinen Erfolg haben.

Mit Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82 (BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294) hat der erkennende Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des BVerfG (in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 726, und Beschlüsse vom 26. November 1985 1 BvR 1123/85, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1975, § 33a, Rechtsspruch 29, und 1 BvR 416/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1986, 424) entschieden, daß es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt, wenn der Splittingtarif auf Partner eheähnlicher Lebensgemeinschaften nicht anzuwenden ist. Diese Entscheidung ist auch im Streitfall einschlägig; der Senat verweist daher zur Begründung im einzelnen auf sein Urteil in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294.

2. Die Revision ist begründet, soweit ein Abzug von Kinderbetreuungskosten nicht berücksichtigt worden ist.

a) Allerdings steht dem Kläger - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - kein Abzug bis zu 4.000 DM nach § 33c Abs. 1 EStG zu, der für das Streitjahr auch rückwirkend anzuwenden wäre (§ 53b Abs. 2 EStG 1985); denn der Kläger hatte nach den Feststellungen des FG keine entsprechenden Betreuungsaufwendungen geleistet. Die Vorschrift des § 33c EStG gilt nach § 53b Abs. 2 EStG 1985 für die Veranlagungszeiträume 1980 bis 1982 jedoch nur, soweit sie sich gegenüber der nach § 53a EStG 1983 anzuwendenden Fassung des § 33a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG 1981 zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt (im einzelnen dazu Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Anm. 310 ff., 340 und § 33c EStG Anm. 12 ff.).

Nach § 53a Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Steuerpflichtige Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 EStG bis zu einem Betrag von 1.200 DM im Kalenderjahr für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen kann.

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats hat das FG zu Unrecht einen Abzug von Kinderbetreuungskosten versagt. Zwar setzt auch § 53a Abs. 1 EStG 1983 voraus, daß dem Steuerpflichtigen Kinderbetreuungskosten entstanden sind; werden je Kind jedoch nicht mehr als 600 DM an Kinderbetreuungskosten im Kalenderjahr geltend gemacht, so kann das FA nach der zu § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1981 und § 53a Abs. 1 EStG 1983 ergangenen Verwaltungsanweisung in der Regel von einer Nachprüfung absehen (sog. Nichtbeanstandungsgrenze in Abschn. 191a/68a Abs. 3 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien/Lohnsteuer-Richtlinien 1981). Diese Verwaltungsanweisung haben auch die Gerichte im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen zu beachten. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß die in den Richtlinien für Alleinerziehende vorgesehene Nichtbeanstandungsgrenze von 300 DM nach Vereinheitlichung des Kinderbetreuungs-Höchstbetrages auf 1.200 DM je Kind und Kalenderjahr durch das Haushaltbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I, 1857, BStBl I, 972) ebenfalls einheitlich mit 600 DM anzusetzen ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33a EStG Anm. 319, und Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 136 a.E.).

3. Die Revision ist auch insoweit begründet, als das FG den Abzug des Unterhaltshöchstbetrages nach § 33a Abs. 1 EStG für Aufwendungen für den Unterhalt von Frau G versagt hat.

a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294 weiter entschieden hat, erwachsen Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seinen Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht allein schon aufgrund des - auch auf Dauer angelegten - Zusammenlebens und wegen der gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Danach kommt eine sittliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt zwischen Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft nur in Betracht, wenn die Bedürftigkeit eines Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen. Als Beispiel gemeinschaftsbedingter Bedürftigkeit eines Partners hat der erkennende Senat in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294 den Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder angeführt. Ein vergleichbarer Umstand könnte im Streitfall vorliegen, denn nach den Feststellungen des FG hatte Frau G ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt des gemeinsamen Kindes aufgegeben, um dieses zu betreuen.

b) Die Vorentscheidung, die auch insoweit auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Lebensgemeinschaft des Klägers mit Frau G auf Dauer angelegt ist, welche Unterhaltsleistungen der Kläger erbracht hat und ob der Unterhaltshöchstbetrag etwa durch Einkünfte und Bezüge der Frau G i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu mindern ist. Diese Feststellungen wird das FG bei seiner erneuten Verhandlung nachholen.