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  BFH-Urteil vom 8.6.1990 (III R 107/88) BStBl. 1990 II S. 898

1. Die Regelung, wonach ein Steuerpflichtiger, dessen Kind gemeinsam mit dem nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten im ausländischen Familienhaushalt lebt, ab 1986 keinen Anspruch auf einen Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 EStG hat, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht.

2. Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung eines nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kindes sind nach § 33a Abs. 1 EStG 1986 in der Weise zu berücksichtigen, daß eine verfassungswidrige Benachteiligung von Eltern mit sog. Auslandskindern gegenüber Eltern vermieden wird, die einen Kinderfreibetrag erhalten.

EStG 1986 § 32 Abs. 2, 6 und 7, § 33a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; EWGV Art. 7 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1989, 350)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein italienischer Staatsangehöriger, wohnte im Streitjahr 1986 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und bezog hier Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Ehefrau lebte mit den vier gemeinsamen Kindern und einer Enkelin in dem Familienhaushalt in Italien. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986 machte der Kläger u.a. den Abzug von Unterhaltsleistungen an seine Angehörigen als außergewöhnliche Belastung geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Berücksichtigung einer Opfergrenze in dem angefochtenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich anerkannte; ein Haushaltsfreibetrag wurde nicht gewährt.

Einspruch und Klage, mit denen die Berücksichtigung des Haushaltsfreibetrages begehrt wurden, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 350 veröffentlichten Entscheidung aus, die Regelung zum Haushaltsfreibetrag sei insofern als sachgerecht anzusehen, als sie gleichermaßen an die Voraussetzungen des Kinderfreibetrages und der unbeschränkten Steuerpflicht des Kindes geknüpft sei; die tatsächliche Situation von Steuerpflichtigen mit Auslandskindern und solchen mit Inlandskindern sei als so unterschiedlich anzusehen, daß es gerechtfertigt sei, wenn der Gesetzgeber eine danach differenzierende Regelung festgelegt habe.

Dagegen richtet sich die Revision, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor: Die Benachteiligung Steuerpflichtiger mit Auslandskindern gegenüber Steuerpflichtigen mit Inlandskindern verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die mit dem Steuersenkungsgesetz 1986/1988 eingeführten Sonderregelungen für Steuerpflichtige mit Auslandskindern verletzten den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil sie das Existenzminimum antasteten und zwangsläufige Unterhaltslasten nicht realitätsgerecht berücksichtigten; denn Steuerpflichtige mit Auslandskindern würden von bestimmten kindbedingten Steuererleichterungen ausgeschlossen. Im übrigen liege ein Verstoß gegen EG-Recht vor, da diese Regelungen fast ausschließlich die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer träfen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, den angefochtenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986 zu ändern und die Lohnsteuer herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zwar zu Recht erkannt, daß dem Kläger für das Streitjahr ein Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht zu gewähren war. Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen zur Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen zugunsten der Kinder des Klägers, so daß eine abschließende Entscheidung über den Umfang der abziehbaren Aufwendungen durch den Senat nicht möglich ist.

1. Nach § 32 Abs. 7 EStG 1986 wird dem Steuerpflichtigen ein Haushaltsfreibetrag von 4.536 DM gewährt, wenn er einen Kinderfreibetrag erhält und die Voraussetzungen für eine Anwendung des Splittingverfahrens (§ 32a Abs. 5 oder 6 EStG) oder für eine getrennte Veranlagung (§§ 26, 26a EStG) nicht erfüllt.

a) Unstreitig haben bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 32a Abs. 5 oder 6 EStG und der §§ 26, 26a EStG nicht vorgelegen. Der Haushaltsfreibetrag war ihm aber zu versagen, weil er im Streitjahr 1986 keinen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag für seine im Ausland lebenden Kinder hatte. Nach § 32 Abs. 6 EStG 1986 wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag gewährt. Ein Kind kann jedoch gemäß § 32 Abs. 2 EStG 1986 nur berücksichtigt werden, wenn es zu Beginn des Kalenderjahrs unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war oder im Laufe des Kalenderjahrs unbeschränkt einkommensteuerpflichtig geworden ist.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Versagung des Haushaltsfreibetrags nach der durch das Gesetz zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familien (StSenkG 1986/1988) vom 26. Juni 1985 (BGBl I, 1.153, BStBl I, 391) geschaffenen Rechtslage verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bis zum Veranlagungszeitraum 1985 stand der Haushaltsfreibetrag einem verheirateten Steuerpflichtigen zwar auch zu, wenn seine Kinder bei dem Ehegatten im Ausland wohnten; denn § 32 Abs. 3 EStG 1981 bis 1985 setzte neben der noch weiterhin geltenden Voraussetzung der Einzelveranlagung ohne Splitting nur ein Kindschaftsverhältnis zum Steuerpflichtigen voraus. Daraus folgt indessen noch nicht, daß das erstmals für den Veranlagungszeitraum 1986 eingeführte Abzugsverbot - wie der Kläger meint - den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

aa) Der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1958 vom 18. Juli 1958 (BGBl I, 473, BStBl I, 412) gleichzeitig mit der Neuregelung zur Ehegattenbesteuerung eingeführte Haushaltsfreibetrag ist - wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt - als Ausgleichsnorm zur Ehegattenbesteuerung konzipiert (vgl. BTDrucks 3/260, S. 34). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) berücksichtigt der Freibetrag die Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die bei alleinerziehenden Steuerpflichtigen gegenüber anderen Alleinstehenden durch die Unterhaltung eines eigenen Hausstandes eintritt (BFH-Urteile vom 26. Mai 1971 VI R 203/68, BFHE 102, 385, BStBl II 1971, 627 a. E., und vom 30. Juli 1971 VI R 142/68, BFHE 103, 69, BStBl II 1971, 764). Der Steuerpflichtige mit Auslandskind ist aber in aller Regel nicht Alleinerziehender, wenn die Ehefrau und Mutter - wie die Familie des Klägers - mit dem Kind im Ausland lebt. Damit entspricht die Versagung des Haushaltsfreibetrages in diesen Fällen Zweck und Bedeutung der Regelung des § 32 Abs. 7 EStG. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist dieses Abzugsverbot daher sachlich gerechtfertigt (gleicher Ansicht Herrmann, Finanz-Rundschau - FR - 1989, 605, 612; Kanzler, FR 1988, 296, 303).

Der Kläger wird insoweit auch nicht anders behandelt, als ein in nicht intakter Ehe lebender Elternteil, dem der Haushaltsfreibetrag deshalb versagt wird, weil das Kind dem inländischen Haushalt des anderen Elternteils angehört (§ 32 Abs. 7 Satz 3 EStG 1986). Diese Regelung aber ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluß vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 131, BStBl II 1977 526, 534 zu IV 2b; vgl. auch Beschluß vom 15. Mai 1984 1 BvR 208/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz 1975, § 32 Abs. 4, Rechtsspruch 7). Wird der Steuerpflichtige mit Auslandskind danach ebenso behandelt wie der Geschiedene, Getrenntlebende oder Unverheiratete, dessen Kind in der Obhut des anderen Elternteils steht, so vermag der erkennende Senat auch deswegen eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu erkennen.

bb) Befindet sich das Kind dagegen im inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen und nicht im ausländischen Haushalt der Mutter, so wird dem Vater der Haushaltsfreibetrag auch als in intakter Ehe Verheiratetem gewährt; in diesem Fall ist er Alleinerziehender und gilt auch für andere Steuerermäßigungen als "Alleinstehender" mit Kind (vgl. etwa § 33c Abs. 2 EStG). Die zusätzliche kindbedingte Belastung durch die Führung eines gemeinsamen Haushalts mit einem Kind führt in diesem Fall selbst dann zum Abzug eines Haushaltsfreibetrags, wenn die Aufwendungen für den inländischen Haushalt im übrigen nach den Vorschriften über die doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG) abgegolten werden.

c) Da Steuerpflichtige mit Auslandskindern danach hinsichtlich des Haushaltsfreibetrages ebenso wie alle anderen Steuerpflichtigen behandelt werden, die typischerweise keine erhöhten Aufwendungen für die kindbedingte Führung eines eigenen Haushaltes im Inland haben, verstößt das StSenkG 1986/1988 insoweit auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Darin liegt weder eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die nach Art. 7 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) verboten wäre, noch ein Verstoß gegen die Verordnung (EWG) Nr. 1.612/68 vom 15. Oktober 1968 i. d. F. vom 9. Februar 1976 - VO (EWG) 312/76 - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABIEG - 1976 Nr. L 39/2), auf die sich der Kläger berufen hat. Da das Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EWGV lediglich als eine Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes angesehen wird, der auch zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört (vgl. etwa Rs. 147/79, Hochstrass, Slg. 1980 S. 3.005/3.019 und Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, 1983/89, Art. 7 Anm. 24 m. w. N.), gelten die Ausführungen zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. 1b) entsprechend. Im Streitfall liegt aber auch keine Verletzung des Gleichstellungsgebots in Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1.612/78 vor. In dieser Vorschrift heißt es, daß der Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, die "gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer genießt". Wie dargelegt, steht dem Kläger als Alleinstehendem der Haushaltsfreibetrag wie jedem deutschen Steuerpflichtigen zu, wenn eines seiner Kinder seinem inländischen Haushalt angehört; gehört das Kind hingegen einem Haushalt im Ausland an, so ist der Haushaltsfreibetrag deutschen wie ausländischen Arbeitnehmern zu versagen.

2. Das FG hat im Streitfall jedoch nicht geprüft, ob sich die vom Kläger gerügte Benachteiligung durch das StSenkG 1986/1988 im Hinblick auf andere kindbedingte Ermäßigungen des EStG nicht auch zu seinen Gunsten ausgewirkt haben könnte. Insoweit fehlen insbesondere Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG, so daß der Senat nicht über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids entscheiden kann. Hierin liegt ein materieller Fehler der Urteilsfindung, der ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.

a) Nach der durch StSenkG 1986/1988 für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 geänderten Rechtslage werden Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Kinder des Steuerpflichtigen nicht mehr durch die Gewährung von Kinder- und Ausbildungsfreibeträgen einkommensteuerlich abgegolten (§ 32 Abs. 2 und 6 EStG 1986). Diese Aufwendungen kann der Steuerpflichtige statt dessen nach § 33a Abs. 1 EStG bis zu 4.500 DM abziehen, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und bis zu 2.484 DM, wenn das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zweck dieser Regelung war es, den unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Auslandskindern zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 10/2.884, S. 102), d.h. durch Gewährung eines Unterhaltshöchstbetrages auch zur Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG und der dazu ergangenen Ländergruppeneinteilung (vgl. für das Streitjahr 1986 Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 14. November 1984, BStBl I 1984, 601) zu gelangen.

aa) Nach Auffassung des Senats ist dies ein sachgerechter Grund für die abweichende Behandlung von Unterhalts- und Ausbildungsaufwendungen für Auslandskinder (gleicher Ansicht Kanzler, FR 1988, 296, 302; Oepen, FR 1989, 131, 134), zumal der Unterhaltshöchstbetrag für minderjährige Kinder nach § 33a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1986 mit 2.484 DM dem Kinderfreibetrag entspricht und der für volljährige Kinder vorgesehene Höchstbetrag den Kinderfreibetrag sogar übersteigt. Die Entscheidung der Frage, ob die Versagung des Ausbildungsfreibetrages und anderer vom Kinderfreibetrag abhängiger kindbedingter Entlastungen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 32 Anm. 68; Kanzler, a.a.O., S. 304; a. A. Oepen, a.a.O., S. 134 ff.), kann im Streitfall dahinstehen, denn der Kläger hat, wie sich seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich entnehmen läßt, keine Ausbildungsfreibeträge begehrt.

bb) Allerdings würde die Anwendung aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG 1986 zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Steuerpflichtigen mit Auslandskindern und damit zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führen, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat. Für den erkennenden Senat folgt dies schon aus der Wiedereinführung des Ausbildungsfreibetrages für Auslandskinder durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1.093, BStBl I 1988, 224). So wäre es mit dem alleinigen Zweck einer Anwendung der sog. Ländergruppeneinteilung sachlich nicht zu rechtfertigen, im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG den Nachweis von Aufwendungen zu fordern, der für die Gewährung des Kinderfreibetrages ebenso ohne Bedeutung ist, wie etwa Vermögen oder eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes. Nach der Rechtsprechung des BVerfG aber gibt es keinen sachlichen Grund, bei der steuerlichen Behandlung von zwangsläufigen Unterhaltsaufwendungen je Empfänger zu differenzieren (Beschluß vom 4. Oktober 1984 1 BvR 789/79, BStBl II 1985, 22, 25). Maßgeblich ist danach allein, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert ist; dies ist bei zwangsläufigen Unterhaltsaufwendungen aber immer der Fall.

cc) Die Vorschrift des § 33a Abs. 1 EStG 1986 ist daher im Einklang mit dem GG anzuwenden (vgl. etwa Entscheidungen des BVerfG vom 17. Oktober 1973 1 BvL 20/72, BVerfGE 36, 126, 135, und vom 1. März 1978 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40, 45). Eine solche verfassungskonforme Auslegung kann zwar nicht den gesetzgeberischen Willen unbeachtet lassen, wenn dieser im Gesetz selbst einen konkreten Ausdruck gefunden hat (vgl. etwa Beschluß des BVerfG vom 6. Februar 1979 2 BvL 5/76, BVerfGE 50, 217, 233). Dies ist jedoch - wie ausgeführt - nicht der Fall.

Da die Gewährung des Kinderfreibetrages weder den Nachweis von Aufwendungen voraussetzt noch eigene Einkünfte und Bezüge oder Vermögen des Kindes anzurechnen oder zu berücksichtigen sind, ist § 33a Abs. 1 EStG 1986 erweiternd dahingehend auszulegen, daß der Steuerpflichtige Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung im einzelnen nicht nachzuweisen hat und daß auf eine Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG 1986 grundsätzlich verzichtet wird. Für die Gewährung des Unterhaltshöchstbetrages genügt daher entsprechend § 32 Abs. 3 EStG bei Kindern bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs der Existenznachweis in geeigneter Weise. Bei älteren Kindern ist die Berufsausbildung oder ein anderer Bedürftigkeitstatbestand nachzuweisen (§ 32 Abs. 4 und 5 EStG). Der erkennende Senat befindet sich damit weitgehend im Einklang mit der Auffassung des BMF im Schreiben vom 5. Juni 1989 (BStBl I 1989, 181), das hinsichtlich der den Verzicht auf den Nachweis der Unterhaltsbedürftigkeit regelnden Tz. 2.2 auch schon für das Streitjahr 1986 anzuwenden ist.

b) Bei erneuter Verhandlung wird das FG insbesondere Feststellungen dazu treffen, welche Kinder des Klägers im Streitjahr die Altersvoraussetzungen des § 33a Abs. 1 Nr. 1 EStG 1986 erfüllt haben. Für diese Kinder kommt grundsätzlich der erhöhte Unterhaltshöchstbetrag von 4.500 DM in Betracht. Haben die Altersvoraussetzungen nur für einen Teil des Veranlagungszeitraums vorgelegen, so ist dieser Höchstbetrag gemäß § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG 1986 zu mindern. Da sich die Angehörigen des Klägers in Italien aufhielten, kommt eine Kürzung der Unterhaltshöchstbeträge gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG 1986 nicht in Betracht (vgl. BMF-Schreiben vom 14. November 1984, BStBl I 1984, 601).

Soweit sich Kinder im ausländischen Familienhaushalt des Klägers, die im Streitjahr das 18. Lebensjahr vollendet hatten, in Ausbildung befanden, ist ein Unterhaltshöchstbetrag von 4.284 DM ohne Nachweis von Aufwendungen im einzelnen zu berücksichtigen. Denn bei verfassungskonformer Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG 1986 ist dem Kläger eine Ermäßigung zu gewähren, wie er sie für ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind in Höhe eines Kinderfreibetrags von 2.484 DM (§ 32 Abs. 6 EStG) und eines Ausbildungsfreibetrages in Höhe von 1.800 DM (§ 33a Abs. 1 Nr. 1a EStG 1986) geltend machen könnte. Für die den Betrag von 2.484 DM übersteigende Ermäßigung sind Ausbildungskosten dem Grunde nach nachzuweisen; der Senat verweist insoweit auf seine Urteile vom 6. November 1987 III R 241/83 (BFHE 151, 416, BStBl II 1988, 438) und III R 178/85 (BFHE 151, 425, BStBl II 1988, 442). Eine darüber hinausgehende Steuerermäßigung nach § 33a Abs. 1 EStG 1986 bedarf auch der Höhe nach des Nachweises von Aufwendungen. Im übrigen sind auf den 2.484 DM übersteigenden Betrag eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes anzurechnen (§ 33a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 EStG). Auch aus der Sicht des Klägers ist die Unterbringung dieser Kinder im ausländischen Familienhaushalt keine auswärtige Unterbringung i. S. des § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG 1986 (BFH-Urteil vom 24. April 1986 III R 179/80, BFHE 147, 19, BStBl II 1986, 836).

Soweit danach überhaupt Aufwendungen nachzuweisen sind, wird das FG beachten, daß die Opfergrenze nach zutreffender Auffassung des BMF (Schreiben vom 5. Juni 1989, a.a.O., Tz. 2.5.2) bei Unterhaltsleistungen für den Ehegatten und für Kinder nicht anzuwenden ist. Bei erneuter Verhandlung wird das FG auch Gelegenheit haben, den Kläger auf die durch den Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164 veränderte Rechtslage zur Abziehbarkeit von Aufwendungen für den Unterhalt des nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten hinzuweisen (§ 76 Abs. 2 FGO).