| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 19.7.1990 (IV R 119/88) BStBl. 1990 II S. 973

Bei einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit ca. 19,2 ha Nutzfläche kann bei der Gewinnermittlung nach § 13a EStG der Wert der Arbeitsleistung für die körperliche Mitarbeit des Betriebsinhabers, der ganztägig außerhalb des Betriebes als Arbeitnehmer tätig ist, in der Regel schon deshalb nicht mit dem Erfahrungswert der Finanzverwaltung von 0,2 VAK angesetzt werden (vgl. Abschn. 130a Abs. 4 Satz 7 EStR 1984), weil die Betriebsgröße von 19,2 ha außerhalb durchschnittlicher betrieblicher Verhältnisse bei einem Nebenerwerbslandwirt liegt.

EStG § 13a Abs. 5 Nrn. 1 bis 5.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1989, 228)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1981 ganztägig als Arbeiter bei der Bundeswehr tätig. Er war außerdem Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit einer Gesamtnutzfläche von 21,41 ha. Davon entfielen 11,47 ha auf Grünland, 7,79 ha auf Ackerland und 2,15 ha auf Wald. Auf dem landwirtschaftlichen Hof wohnte die Familie des Klägers. Dazu gehörten neben seiner Ehefrau drei 1962, 1965 und 1973 geborene Töchter und seine 1911 geborene Mutter. Die älteste Tochter war beim Landkreis Verwaltungsangestellte. Die 1965 geborene Tochter besuchte bis Juli 1981 die kaufmännische Berufsfachschule und trat im August 1981 bei der Kreissparkasse als Banklehrling ein. Beide Töchter arbeiteten in geringem Umfang im landwirtschaftlichen Betrieb mit. Außerdem waren im Betrieb neben dem Kläger dessen Ehefrau sowie im Rahmen ihrer gesundheitlichen Möglichkeiten seine Mutter tätig.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn aus Landwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nachdem sein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1980 wegen eines zu hohen Ansatzes der Vollarbeitskräfte (VAK) dadurch erledigt worden war, daß für das Wirtschaftsjahr 1980/81 einverständlich 0,5 VAK angesetzt wurden, veranlagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Kläger und seine Ehefrau im Streitjahr auch für das Wirtschaftsjahr 1981/82 unter Berücksichtigung von 0,5 VAK (im vorliegenden Fall sind das 6.000 DM). Mit dem Einspruch beantragte der Kläger den Ansatz von insgesamt 0,2 VAK. Dabei bezog er sich auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt/Main S 2149 A - 22 - St II 23 vom 16. Juni 1982 (s. dazu auch Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -, Abschn. 130a Abs. 4 Satz 7). Das FA beauftragte daraufhin seinen amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen festzustellen, wieviel VAK für die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers erforderlich seien. Der Sachverständige kam aufgrund seiner Ermittlungen am 10. Februar 1984 zu dem Ergebnis, daß zur Bewirtschaftung des Hofes 0,92 VAK erforderlich seien. Dabei ging der Sachverständige von einem Anteil von Dauergrünland von 7,25 ha und Ackerland von 12 ha aus, während nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) 11,47 ha Grünland und 7,79 ha Ackerland vorhanden waren. Der Kläger widersprach dem Ansatz des Sachverständigen. Gleichwohl verböserte das FA mit seiner Einspruchsentscheidung die Veranlagung dahin, daß es nunmehr für das Wirtschaftsjahr 1981/82 von 0,9 VAK ausging; dadurch erhöhte sich die Einkommensteuer von 2.400 DM auf 2.922 DM.

Dagegen erhob der Kläger Klage. Während des Klageverfahrens erklärten FA und Kläger übereinstimmend, daß die Arbeitsleistung der beiden Töchter zusammen mit 0,1 VAK anzusetzen seien. Aufgrund der oben genannten Verfügung der OFD Frankfurt/Main beantragte der Kläger, seine eigene Arbeitsleistung mit 0,2 VAK anzusetzen, da es sich bei seinem Betrieb um einen Betrieb mit durchschnittlichen Betriebsverhältnissen im Sinne der obigen Verfügung handle. Den während des Klageverfahrens vom FA erlassenen Änderungsbescheid, mit dem das FA wieder für das Wirtschaftsjahr 1981/82 von einer Arbeitsleistung von insgesamt 0,5 VAK ausgeht, machte der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens. Er beantragte, diesen Bescheid dahingehend abzuändern, daß der Berechnung der Einkommensteuer für 1981 insgesamt 0,3 VAK zugrunde gelegt werden.

Das FG gab unter Berufung auf die Verfügung der OFD Frankfurt/Main der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 228 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 13a Abs. 5 Nr. 3 EStG. Es weist darauf hin, daß der Sachverständige entgegen der Feststellung des FG von einer richtigen Flächennutzung ausgegangen sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Die Herabsetzung des vom FA geschätzten Wertes der Arbeitsleistung des Klägers als Betriebsinhaber für seine persönliche Mitarbeit im Betrieb gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 bis 3 EStG von 0,4 VAK (mit den beiden Töchtern 0,5 VAK) auf 0,2 VAK (mit den beiden Töchtern 0,3 VAK) ist nicht gerechtfertigt.

1. Gemäß § 13a Abs. 3 Nr. 2 EStG gehört zum Durchschnittssatzgewinn auch der Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner im Betrieb ohne Arbeitsvertrag beschäftigten Angehörigen. Wie der erkennende Senat bereits durch Urteil vom 6. Februar 1986 IV R 163/85 (BFHE 146, 250, BStBl II 1986, 457) entschieden hat, ist gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 EStG der Wert der Arbeitsleistung für die körperliche Mitarbeit der Person, die den Haushalt führt, für jede im Haushalt voll beköstigte und untergebrachte Person um 20 v.H. zu vermindern, wobei die den Haushalt führende Person mitzurechnen ist. Dementsprechend hat das FG für die Ehefrau keinen Wert mehr angesetzt, weil zum Haushalt außer ihr noch weitere fünf Personen gehören, die dort untergebracht sind und mit Ausnahme des Klägers und der ältesten Tochter, die mittags auswärts essen, sämtlich voll beköstigt werden.

Dem steht nicht entgegen, daß die Ehefrau tatsächlich noch im Betrieb tätig war. Ebenso hatte nach § 13a Abs. 5 Nr. 2 EStG der Ansatz eines Wertes der Arbeitsleistung für die körperliche Mitarbeit der Mutter des Klägers und seiner jüngsten Tochter wegen ihres Alters zu unterbleiben, unabhängig davon, daß auch die Mutter nach ihren gesundheitsbedingten Möglichkeiten noch etwas im Betrieb mitarbeitete.

2. Danach verbleiben für einen Ansatz des Wertes der Arbeitsleistung nur die körperliche Mitarbeit des Klägers selbst und seiner beiden älteren Töchter, wobei das FG den Wert der Arbeitsleistung der beiden Töchter - ebenso wie das FA und der Kläger selbst - ohne erkennbaren Fehler zusammen mit 0,1 VAK bewertet hat.

Was den Ansatz des Wertes der Arbeitsleistung des Klägers als Betriebsinhaber betrifft, sind folgende Gesichtspunkte entscheidend:

Im Normalfall ist nach dem Gesetz für die körperliche Mitarbeit des Betriebsinhabers der entsprechende Wert einer Vollarbeitskraft (1 VAK) anzusetzen, das sind im Streitfall 12.000 DM. Dieser Wert kann nicht überschritten werden. Er kann aber nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 EStG unterschritten werden, d.h. er ist entsprechend niedriger anzusetzen, wenn

a) der Betriebsinhaber nicht voll im landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt ist, weil er entweder außerhalb des Betriebes noch einem Beruf nachgeht oder in einem vom Durchschnittsgewinn nicht erfaßten Sonderbetriebszweig der Land- und Forstwirtschaft nach § 13a Abs. 8 EStG beschäftigt ist,

b) seine Erwerbsfähigkeit durch Krankheit etc. gemindert ist,

c) der Ansatz von 1 VAK die für die nach Art und Größe des Betriebes angemessene Zahl von Vollarbeitskräften oder deren zulässigen Höchstwert von 0,07 VAK pro 1 ha überschreiten würde.

Im Streitfall kommt für 1981 nach der übereinstimmenden Darlegung der Beteiligten und des FG nur eine Minderung des Wertes der Arbeitsleistung des Klägers wegen seiner ganztägigen Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Bundeswehr in Betracht. (Der kleine Wald fiel danach 1981 nicht ins Gewicht.) Welcher entsprechende Teil von 1 VAK in einem solchen Fall anzusetzen ist, beruht weitgehend auf einer tatsächlichen Würdigung, für die allerdings das Gesetz selbst in § 13a Abs. 5 Nr. 5 EStG Anhaltspunkte gibt, die den Spielraum der freien Beweiswürdigung einschränken.

Das FG begnügte sich mit der Feststellung, daß im Streitfall entsprechend der obigen Verfügung der OFD Frankfurt/Main durchschnittliche Betriebsverhältnisse ohne Sondernutzungen oder verstärkte Tierhaltung vorlägen und deshalb aufgrund der ganztätigen außerbetrieblichen Beschäftigung des Klägers der Erfahrungswert der OFD Frankfurt/Main von 0,2 VAK für den Kläger anzusetzen sei.

Dabei berücksichtigt das FG nicht, daß zu den durchschnittlichen Betriebsverhältnissen, auf denen der Erfahrungswert der Finanzverwaltung von 0,2 VAK beruht, denknotwendig auch eine der Wertermittlung zugrunde gelegte durchschnittliche Betriebsgröße gehören muß, die der Betrieb eines Nebenerwerbslandwirts in etwa umfassen muß, wenn der obige Erfahrungswert zu einem brauchbaren und daher vertretbaren Ergebnis führen soll. Das ergibt sich schon daraus, daß von der Betriebsgröße die angemessene Zahl der erforderlichen Vollarbeitskräfte und deren zulässiger Höchstwert von 0,07 VAK pro 1 ha abhängt. Da bei einer Betriebsgröße von beispielsweise 7 ha der zulässige Höchstwert für die VAK (0,07 x 7 =) insgesamt nur 0,49 VAK beträgt, ist es durchaus realistisch, wenn bei einem Nebenerwerbslandwirt mit 7 ha Nutzfläche, der ganztägig als Arbeitnehmer außerhalb des Betriebs beschäftigt ist, unter Berücksichtigung sonst üblicher Verhältnisse (z.B. tatsächliche Mitarbeit der Ehefrau ohne Ansatz von VAK) nur 0,2 VAK anzusetzen sind.

Nach der Statistik besitzen weit weniger als 10 v.H. der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen mehr als 10 ha, die Durchschnittsgröße beträgt rd. 5 ha im Jahre 1981. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß dem Erfahrungswert von 0,2 VAK für einen Betriebsinhaber, der ganztägig außerhalb seines Betriebes beschäftigt ist, eine durchschnittliche Betriebsgröße zugrunde liege, die unter 10 ha liegt (vgl. dazu Piltz, Die Nebenerwerbslandwirtschaft im Agrarrecht, S. 34 ff. und S. 38, und Agrarbericht der Bundesregierung von 1981). Andernfalls wäre der Erfahrungswert nicht brauchbar (vgl. dazu auch Kutscher, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1980, S. 299, 304).

Wird dieser für die durchschnittliche Betriebsgröße eines Nebenerwerbslandwirtes brauchbare Erfahrungswert von 0,2 VAK auf einen sonst überwiegend von Vollerwerbslandwirten betriebenen Mittelbetrieb von 19,26 ha übertragen, wie ihn der Kläger besitzt, so muß er zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führen. Denn bei einem Betrieb von 19,26 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche betragen die zulässigen VAK 1,35. Das ist nach den Statistiken (vgl. Kutscher, a.a.O.) immerhin ein nicht überhöhter Annäherungswert, der zu der Annahme zwingt, daß ein solcher Betrieb bei sonst üblichen durchschnittlichen Betriebsverhältnissen tatsächlich kaum weniger als 1 VAK für die Bewirtschaftung benötigt. Für diese Annahme ist es ohne Bedeutung, ob die vom amtlichen Sachverständigen angegebene Flächennutzung oder die etwas davon abweichende des FG zutrifft. Wird daher dieser Höchstwert durch Kürzungen der anzusetzenden VAK für den Betriebsinhaber nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 a EStG um mehr als 2/3 unterschritten, müssen dafür ganz außergewöhnliche Umstände dargelegt werden. Es müßten daher auch im Streitfall ganz außergewöhnliche Verhältnisse nachgewiesen werden, die für den Kläger als Betriebsinhaber eine Herabsetzung von 1 VAK statt auf 0,4 VAK nach der Schätzung des FA auf 0,2 VAK rechtfertigen könnten. Solche besonderen Umstände liegen aber nach den Feststellungen des FG und dem Vortrag der Beteiligten nicht vor. Die ganztägige Beschäftigung des Betriebsinhabers als Arbeitnehmer außerhalb des Betriebes allein reicht dafür nicht aus, da heute erfahrungsgemäß viele vollbeschäftigten Arbeitnehmer aufgrund ihrer besonderen Arbeitseinteilung und des Einsatzes ihrer Freizeit einem umfangreichen Nebenerwerb nachgehen, ohne daß im Einzelfall gesagt werden kann, wann die Arbeiten für den Nebenerwerb erledigt werden. Solche persönlichen Verhältnisse entziehen sich einer genauen Ermittlung.

Wenn daher das FA für den Wert der Arbeitsleistung des Klägers wegen seiner Beschäftigung außerhalb des Betriebes anstelle von 1 VAK auf 0,4 VAK heruntergegangen ist, so stellt das einen geschätzten Wert dar, für dessen weitere Minderung stichhaltige Gründe fehlen. Zusammen mit den 0,1 VAK für die beiden Töchter berücksichtigt dieser Wert auch den Umstand, daß die Ehefrau und die Mutter des Klägers ohne Ansatz von VAK noch etwas im Betrieb mitgearbeitet haben.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.