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  BFH-Urteil vom 27.6.1990 (I R 62/89) BStBl. 1990 II S. 992

1. Stellt der Organträger seine werbende Tätigkeit ein und betreibt er seine Auflösung, so führt dies nicht notwendigerweise zur Beendigung der wirtschaftlichen Eingliederung der Organgesellschaft.

2. Geht jedoch der Organträger keiner Tätigkeit mehr nach, die der Organgesellschaft dient bzw. die sie fördert, so fehlt es an der wirtschaftlichen Eingliederung der Organgesellschaft. Die Organschaft ist dann gewerbesteuerlich nicht (mehr) anzuerkennen.

GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2; KStG 1977 § 8 Abs. 2, § 14 Nrn. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1990, 428)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH, die am 26. Juni 1979 gegründet wurde und bis Ende 1980 Miet- und Leasingverträge über ..... und deren Finanzierung abschloß. Schon einen Tag vor ihrer Gründung hatte die Klägerin am 25. Juni 1979 einen "Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag" mit der OT-GmbH abgeschlossen. Der Vertrag hatte eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 1984. Danach fungierte die Klägerin im Verhältnis zur OT-GmbH als Organgesellschaft. Die OT-GmbH war sowohl damals als auch noch über das Streitjahr 1984 hinaus die alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Sie produzierte bis zum 31. Dezember 1980 ......

Die OT-GmbH stellte die Produktion von ..... am 31. Dezember 1980 ein. Gleichzeitig meldete sie ihren Gewerbebetrieb "wegen Betriebsaufgabe" ab. Im Jahre 1981 veräußerte sie sämtliche Sachanlagen (Buchwert: 2,4 Mio DM) und führte nur noch Gewährleistungs- und Kundendienstarbeiten durch. Seit dem 1. Juli 1985 befindet sich die OT-GmbH in Liquidation. Sie erzielte in 1983 nur noch einen Umsatz in Höhe von 3.336 DM und in 1984 einen solchen von 0 DM.

Die Klägerin war ebenfalls seit dem 31. Dezember 1980 nicht mehr werbend tätig. Auch sie meldete ihren Betrieb zum 31. Dezember 1980 ab. Seitdem schloß sie keine neuen Miet- oder Leasingverträge mehr ab. Die vorher zumeist auf fünf Jahre abgeschlossenen Verträge liefen aus. Die Klägerin erzielte in den Jahren 1979 bis 1984 noch folgende Umsätze:

1979

1980

1981

1982

1983

1984

DM

DM

DM

DM

DM

DM

623.759

627.772

589.355

528.099

364.728

62.830.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verneinte ab dem Wirtschaftsjahr 1981 das Vorliegen einer gewerbesteuerlichen Organschaft (fehlende wirtschaftliche Eingliederung). Entsprechend erließ er gegenüber der Klägerin am 10. Februar 1986 einen Gewerbesteuermeßbescheid 1984. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 428 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1984 i.V.m. § 14 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.

Sie beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 25. Januar 1989 II 351/86 und den Gewerbesteuermeßbescheid 1984 vom 10. Februar 1986 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Mai 1984 - GewStG 1984 - (BGBl I 1984, 657, BStBl I 1984, 356) gilt eine Kapitalgesellschaft, die in ein anderes inländisches Unternehmen in der Weise eingegliedert ist, daß die Voraussetzungen des § 14 Nrn. 1 und 2 KStG 1977 erfüllt sind, als Betriebsstätte des anderen Unternehmens. Dazu folgt aus § 14 Nrn. 1 und 2 KStG 1977, daß die Eingliederung in das andere Unternehmen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bestehen muß. Was insoweit unter einer wirtschaftlichen Eingliederung zu verstehen ist, bestimmt sich gemäß § 14 Nr. 2 KStG 1977. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt: BFH-Urteile vom 26. April 1989 I R 152/84, BFHE 157, 127, BStBl II 1989, 668, und vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24) entschieden, daß dem dort genannten Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Eingliederung eigenständige Bedeutung beizumessen ist. Das Merkmal kann nicht im Sinne einer Leerformel interpretiert werden. Nach der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes ist unter der wirtschaftlichen Eingliederung eine wirtschaftliche Zweckabhängigkeit des beherrschten Unternehmens von dem herrschenden zu verstehen. Deshalb muß das herrschende Unternehmen solche eigenen Zwecke verfolgen, denen sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann. Da die wirtschaftliche Eingliederung ab dem Beginn eines jeden Wirtschaftsjahres ununterbrochen bestehen muß, sind die Voraussetzungen für jedes Wirtschaftsjahr neu zu prüfen. Entsprechend muß das herrschende Unternehmen während der gesamten Dauer der gewerbesteuerlichen Organschaft eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, der sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann. Es reicht nicht aus, daß nur bei Begründung der Organschaft eine entsprechende gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wurde.

2. Das FG hat die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in die OT-GmbH für das Streitjahr 1984 schon deshalb verneint, weil die OT-GmbH ihre werbende Tätigkeit am 31. Dezember 1980 eingestellt und ihre Auflösung betrieben hatte. Diese Begründung greift jedoch alleine nicht durch. Das Einstellen der werbenden Tätigkeit und das Betreiben der eigenen Auflösung ohne förmlichen Auflösungsbeschluß besagen für sich genommen nichts darüber, ob die OT-GmbH nicht auch in der Zeit nach dem 31. Dezember 1980 gewerbliche Zwecke verfolgte, denen sich die Klägerin im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnete. Die OT-GmbH war jedenfalls auch in den Jahren von 1981 bis 1984 noch eine Kapitalgesellschaft, deren Auflösung (§§ 60 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) nicht beschlossen war. Gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1977 waren alle Einkünfte der OT-GmbH als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG 1984 galt auch in den Jahre 1981 bis 1984 die Tätigkeit der OT-GmbH in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1986 I R 155/84, BFH/NV 1987, 564). Bei dieser Sachlage war die von der OT-GmbH abgegebene Erklärung, den Betrieb aufgeben zu wollen, ohne unmittelbare steuerliche Auswirkung. Die Erklärung bewirkte insbesondere keine Änderung des Satzungszweckes der OT-GmbH, weil es an den Voraussetzungen der §§ 53 Abs. 2 und 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG fehlte. Sie kann deshalb nur als Indiz dafür herangezogen werden, daß die OT-GmbH zumindest im Streitjahr 1984 keiner aktiven gewerblichen Tätigkeit mehr nachging, die den Fortbestand einer wirtschaftlichen Eingliederung der Klägerin erlaubt hätte.

Das FG beruft sich auch zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 17. Februar 1971 I R 148/68 (BFHE 101, 509, BStBl II 1971, 411). Das Urteil betrifft nur den zivilrechtlichen Fortbestand einer Gewinnabführungsverpflichtung im Falle der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit durch die Organgesellschaft. Der BFH hat am angegebenen Ort entschieden, daß der Gewinnabführungsvertrag nicht die Organgesellschaft zur Abführung des Abwicklungsgewinns verpflichte (vgl. auch: BFH-Urteile vom 18. Oktober 1967 I 262/63, BFHE 90, 370, BStBl II 1968, 105, und vom 21. April 1970 II 206/65, BFHE 99, 498, BStBl II 1970, 689). Da jedoch die gewerbesteuerliche Organschaft nicht den Abschluß eines zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrages voraussetzt, läßt sich die Entscheidung auf den Streitfall nicht übertragen. Sie besagt nichts über den Fortbestand einer wirtschaftlichen Eingliederung.

3. Dennoch hat das FG im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen. Entscheidend ist insoweit die Feststellung des FG, daß die Klägerin im Streitjahr 1984 keinen Tätigkeiten nachging, die die OT-GmbH förderten oder ihr gedient hätten. Die Klägerin hat diese tatsächliche Feststellung durch Revisionsrügen nicht angefochten. Die Feststellung verstößt auch als solche weder gegen die Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie wird von zahlreichen Fakten getragen. So hat das FG in tatsächlicher Hinsicht keine aktive gewerbliche Betätigung der OT-GmbH im Streitjahr 1984 feststellen können. Die OT-GmbH erklärte nicht nur die Betriebsaufgabe, sondern sie setzte diese Erklärung auch in die Tat um. Sie verkaufte das gesamte Sachanlagevermögen, das vorher mit 2,4 Mio DM aktiviert war. Dies spricht dafür, daß ihr die Grundlage für eine weitere aktive gewerbliche Betätigung entzogen war. Entsprechend produzierte die OT-GmbH nach dem 31. Dezember 1980 keine ..... mehr, sondern erledigte nur noch Gewährleistungs- und Kundendienstarbeiten, wobei nicht festgestellt ist, daß solche Arbeiten auch noch in 1984 anfielen. Die Arbeiten waren jedenfalls für den gesamten Organkreis von untergeordneter Bedeutung. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die OT-GmbH in 1984 keinen Umsatz mehr erzielte. Im übrigen ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin keine sonstige aktive gewerbliche Betätigung der OT-GmbH, die eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin erlaubt hätte. Allein die Tatsache, daß sowohl die OT-GmbH als auch die Klägerin ihre Endphasen durchliefen, rechtfertigt nicht die Annahme des Fortbestandes der wirtschaftlichen Eingliederung. Das Durchlaufen einer Endphase setzt nicht notwendigerweise eine aktive gewerbliche Betätigung voraus. Es besteht im Kern aus abwickelnden Tätigkeiten, die überwiegend dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Klägerin, sie und die OT-GmbH hätten "gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen" verfolgt. Das Vorbringen der Klägerin im übrigen legt den Schluß nahe, daß die behaupteten gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen sich in dem Ziel erschöpften, beide Gesellschaften zu liquidieren und ihre Geschäfte abzuwickeln. Die Verfolgung eines solchen Zieles ist aber in erster Linie dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen. Auch läßt das Ausüben einer nur noch vermögensverwaltenden Tätigkeit die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft nicht zu (vgl. BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24).

4. Hat aber das FG für den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin im Streitjahr 1984 keinen Tätigkeiten mehr nachging, die die OT-GmbH förderten oder ihr dienten, so fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung. Entsprechend kann eine Organschaft zwischen der OT-GmbH und der Klägerin für 1984 gewerbesteuerlich nicht anerkannt werden. Das FA hat deshalb zu Recht gegenüber der Klägerin einen Gewerbesteuermeßbescheid 1984 erlassen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1984 steht dem nicht entgegen. Die Vorentscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.