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  BFH-Urteil vom 10.8.1990 (VI R 89/88) BStBl. 1990 II S. 1092

Der Begriff "Arbeitsstunde in § 40a Abs. 3 EStG ist als Zeitstunde zu verstehen.

EStG § 40 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Jahren 1980 und 1981 aushilfsweise als Fahrlehrer tätig. Der Aushilfslohn wurde vom Arbeitgeber nach § 40a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal besteuert. Im Rahmen einer beim Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger für eine Arbeitsleistung von 45 Minuten einen Lohn von 11 DM bezogen und daß der Kläger in den Monaten August und September 1981 einen Aushilfslohn von 728 DM bezw. 803 DM erhalten hatte. Nachdem das Betriebsstätten-Finanzamt zunächst gegen den Arbeitgeber einen Haftungsbescheid erlassen und wieder aufgehoben hatte, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen den Kläger Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 1980 und 1981, in denen er die Einnahmen des Klägers um 580 DM (1980) bzw. 1.531 DM (1981) erhöhte.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus:

Das FA sei berechtigt gewesen, die umstrittenen Lohnbezüge in den Einkommensteuer-Änderungsbescheiden ohne Rücksicht darauf zu erfassen, ob die pauschal erhobene Steuer bereits an den Arbeitgeber zurückgezahlt worden sei. Aus § 40 Abs. 3 EStG, wonach der pauschal besteuerte Arbeitslohn bei der Veranlagung außer Ansatz bleibe, lasse sich nicht eine Sperre in dem Sinne ableiten, daß die Pauschalierung erst gegenüber dem Arbeitgeber rückgängig gemacht werden müsse, bevor der Arbeitslohn beim Arbeitnehmer erfaßt werden könne. Wenn das FA im vorliegenden Verfahren aus Sorge vor einer abweichenden Entscheidung die pauschale Lohnsteuer zunächst noch nicht an den Arbeitgeber ausgezahlt habe, so sei dies ein Umstand, der allein im Verhältnis des Arbeitgebers zum FA von Bedeutung sei.

Die Pauschalierung des Jahres 1980 sei deshalb unzulässig gewesen, weil die durchschnittliche Stundenlohngrenze des § 40a Abs. 3 EStG von 12 DM überschritten gewesen sei. Als Arbeitsstunde sei die Zeitstunde entscheidend. Der für eine Arbeitszeit von 45 Minuten gezahlte Lohn sei daher auf einen Zeitstundenlohn umzurechnen. Dieser habe durchschnittlich über 12 DM gelegen. In den Monaten August und September 1981 habe der wöchentliche Aushilfslohn über 120 DM gelegen.

Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Aufhebung der Vorentscheidung und der Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1980 und 1981. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Das FG habe unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) ausgeführt, die unternehmensbezogene pauschale Lohnsteuer entstehe originär in der Person des Arbeitgebers, allerdings auflösend bedingt bis spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Pauschalierungssteuerbescheid unanfechtbar werde. Daraus könne nur abgeleitet werden, daß die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers vor einer Aufhebung der die umstrittenen pauschalierten Löhne enthaltenden Lohnsteuer-Anmeldung nicht zulässig sei. Denn ein Arbeitnehmer habe, solange das Betriebsstätten-Finanzamt die Pauschalierung nicht vollständig rückgängig gemacht habe, keinen Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Für das Jahr 1981 habe das FA auch gegenüber dem Lohnsteuer-Prüfungsbericht die Begründung gewechselt; dazu sei das FA nicht berechtigt gewesen. Schließlich habe das FG den Begriff der Arbeitsstunde verkannt. Arbeitsstunde entspreche der vereinbarten Arbeitseinheit. Diese könne von der Zeitstunde abweichen. Das folge daraus, daß der Gesetzgeber in § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG den Begriff "Stunde" verwende, während er in § 40a Abs. 3 EStG von "Arbeitsstunde" spreche. Damit liege der vereinbarte Lohn von 11 DM für eine 45-minütige Arbeitseinheit unter der durchschnittlichen Grenze des § 40a Abs. 3 EStG von 12 DM.

Das FA tritt der Revision des Klägers entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der BFH hat die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage, ob das Veranlagungs-Finanzamt an Entscheidungen im Lohnsteuer-Pauschalierungsverfahren gebunden ist, nach Ergehen der Vorentscheidung in diesem Sinne entschieden. Durch die Urteile vom 10. Juni 1988 III R 232/84 (BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981) und vom 13. Januar 1989 .VI R 66/87 (BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030) ist geklärt, daß das Veranlagungs-Finanzamt berechtigt ist, die Pauschalierungsvoraussetzungen zu überprüfen, und daß es bei Verneinung der Pauschalierungsvoraussetzungen den pauschal besteuerten Arbeitslohn in die Veranlagung einbeziehen kann, ohne daß es einer vorherigen Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen bedarf. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die vorgenannten Urteile.

Im Streitfall ist das FA zutreffend davon ausgegangen, daß die Pauschalierungsvoraussetzungen wegen der Überschreitung des zulässigen durchschnittlichen Stundenlohns im Jahre 1980 nicht erfüllt waren. Nach § 40a Abs. 3 EStG ist die Pauschalierung neben weiteren Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Arbeitslohn während der Beschäftigungsdauer 12 DM durchschnittlich je Arbeitsstunde nicht übersteigt. Mit dem FA und dem FG ist davon auszugehen, daß, ungeachtet des Umstandes, daß der Gesetzgeber in § 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG den Begriff "Stunde" verwendet, mit dem Begriff "Arbeitsstunde" des § 40a Abs. 3 EStG die Zeitstunde gemeint ist. Die Auslegung dieses gesetzlichen Tatbestandsmerkmals in diesem Sinne bietet allein die Gewähr für eine einheitliche Anwendung der Pauschalierungsvorschrift des § 40a EStG. Hätte der Gesetzgeber mit dem Begriff Arbeitsstunde die jeweilige zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Zeiteinheit gemeint, so hätte er dies im Gesetz hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen können und müssen.

Das FA hat daher zutreffend den für 45 Minuten gezahlten Lohn von 11 DM auf einen Zeitstundenlohn hochgerechnet. Da dieser durchschnittlich über 12 DM lag, waren die Pauschalierungsvoraussetzungen im Jahr 1980 nicht erfüllt. Das gleiche gilt für die in den Monaten August und September 1981 gezahlten Löhne, da insoweit unstreitig die Wochenlohngrenze des § 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG von 120 DM überschritten war. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, welche Begründung der Lohnsteuer-Außenprüfer für die Versagung der Lohnsteuerpauschalierung im Lohnsteuer-Prüfungsbericht gegeben hatte. Das FA konnte daher, da bezüglich der weiteren Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kein Streit und keine Bedenken bestehen, die Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1980 und 1981 erlassen.