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  BFH-Urteil vom 7.8.1990 (VIII R 423/83) BStBl. 1991 II S. 23

Wird die Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens mit Hilfe eines Kredits finanziert und ist der Kredit aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen (objektgebundener Kredit), so ist der Kredit selbst dann nicht als Dauerschuld im Sinne der §§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG anzusehen, wenn sich die Veräußerung des Wirtschaftsguts infolge konjunktureller Umstände verzögert und das Wirtschaftsgut zwischenzeitlich vermietet wird.

GewStG §§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG (KG). Sie befaßte sich mit der Errichtung und dem Verkauf von Gebäuden und Wohnungen sowie dem Erwerb, der Erschließung und Veräußerung von Grundstücken. Im Verlauf des Revisionsverfahrens ist die KG in Konkurs gefallen.

Die KG erwarb im Jahre 1973 in R. ein unbebautes Grundstück. Sie bebaute es ab 1975 mit einer Wohnanlage (Wohnanlage R.). Diese wurde im Juli 1977 bezugsfertig und in Wohnungseigentum aufgeteilt. Im Januar 1977 schloß die KG mit der Firma H. einen Mietvertrag über das ganze Objekt ab. Das Mietverhältnis begann am 1. Juli 1977. Es war zunächst bis 30. Januar 1980 befristet. Es sollte sich um je ein Jahr verlängern, wenn es nicht jeweils sechs Monate vor Ablauf gekündigt würde. In ihrer Bilanz wies die KG das Objekt als Umlaufvermögen aus. Sie bemühte sich um dessen Verkauf. Mit notariellem Vertrag vom 14. März 1979 wurde es im ganzen veräußert.

1971 erwarb die KG in L. ein Baugelände. Sie errichtete darauf ab 1973 ein in Wohnungseigentum aufgeteiltes Hochhaus (Wohnanlage L.). Dieses war am 1. April 1975 bezugsfertig. Es wurde aufgrund des bereits zuvor abgeschlossenen Vertrages vom 5. Dezember 1974 an die Firma H. vermietet. Das Mietverhältnis begann am 1. April 1975. Es war zunächst bis 31. März 1978 befristet. Es war mit der gleichen Verlängerungsklausel wie bei der Wohnanlage R. vermietet. Die KG war ständig bemüht, die im Umlaufvermögen ausgewiesene Wohnanlage L. zu veräußern. Ein Verkauf kam jedoch zunächst nicht zustande. Ab Januar 1981 begann sie, die einzelnen Eigentumswohnungen im Rahmen eines "Ersterwerbermodells" zu vermarkten. Von insgesamt 111 Wohneinheiten wurden im Jahre 1981 etwa 60 und im Jahre 1982 etwa 35 Eigentumswohnungen veräußert.

1974 erwarb die KG in L. ein weiteres Baugelände für die Errichtung einer Wohnanlage (Grundstück L.). Da sie erkennen mußte, daß der örtliche Wohnungsmarkt keine weiteren Eigentumswohnungen aufnehmen würde, stellte sie die Durchführung dieses Bauvorhabens zurück. Das unbebaute Grundstück wird seit der Anschaffung in den Bilanzen der Klägerin als Vorratsvermögen geführt.

Zur Finanzierung der vorgenannten Bauprojekte nahm die KG Kredite auf. Diese waren durch Grundpfandrechte gesichert. Sie mußten bei Veräußerung der Objekte abgelöst werden.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die aufgenommenen Kredite den gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungsvorschriften unterlägen. Er erließ am 6. September 1979 und 13. Mai 1980 für die Erhebungszeiträume 1974 bis 1976 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Gewerbesteuermeßbescheide.

Die hiergegen erhobenen Einsprüche wurden zurückgewiesen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG hat der Konkursverwalter (Revisionskläger) die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt (§ 240 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 146 Abs. 3 der Konkursordnung - KO -).

Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG), die Einspruchsentscheidungen vom 30. April und 16. September 1980 aufzuheben und die Gewerbesteuermeßbescheide 1974 bis 1976 dahingehend zu ändern, daß bei der Ermittlung von Gewerbekapital und -ertrag keine Dauerschulden und Dauerschuldzinsen hinzugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I.

Der Revisionskläger ist als Konkursverwalter prozeßführungsbefugt (§ 6 KO).

II.

Die zur Finanzierung der drei Grundstücksobjekte aufgenommenen Kredite sowie die hierauf entfallenden Zinsen sind bei der Ermittlung von Gewerbekapital und -ertrag nicht hinzuzurechnen.

1. Nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden in vollem Umfang wieder hinzugerechnet, die mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen - erste Tatbestandsgruppe - oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen - zweite Tatbestandsgruppe -. Die Verbindlichkeiten, für die die bezeichneten Schuldzinsen zu zahlen sind, sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Gewerbebetriebs wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswertes abgezogen worden sind.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 15. November 1983 VIII R 179/83, BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213) scheidet eine Hinzurechnung nach der ersten Tatbestandsgruppe des § 8 Nr. 1 GewStG bereits deshalb aus, weil sowohl die bebauten Grundstücke in R. und L. als auch das unbebaute Grundstück in L. nicht zum Anlagevermögen der KG gehörten (vgl. dazu Abschn. II 3 c der Entscheidungsgründe).

3. Eine Hinzurechnung kommt auch nach der zweiten Tatbestandsgruppe des § 8 Nr. 1 GewStG nicht in Betracht.

a) Ein Kredit hat nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften in § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG nur dann Dauerschuldcharakter, wenn die Valuta zur Beschaffung des eigentlichen Dauerkapitals dient, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß (BFH-Urteil vom 18. August 1959 I 137/58 U, BFHE 69, 453, BStBl III 1959, 430).

Demzufolge sind vorübergehende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt zu werden pflegen, keine Dauerschulden, sondern laufende Schulden, die nicht dem Gewerbekapital und deren Zinsen nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind.

b) Gleiches gilt für einen Kredit, den ein Unternehmer zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und der aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen ist. Denn ein solcher Kredit kann infolge seiner Objektgebundenheit nicht als Dauerkapital dienen, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß.

Das gilt selbst dann, wenn die Veräußerung des mit einem solchen objektgebundenen Kredit angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens nicht innerhalb der üblichen Zeitspanne erfolgt, sondern sich durch konjunkturelle Umstände verzögert. Denn auch durch eine solche Verzögerung steht der Kredit durch seine Bindung an den bestimmten Umlaufgegenstand dem Betrieb nicht in dem vorstehend bezeichneten Sinn als Dauerkapital zur Verfügung.

Die die Annahme einer Dauerschuld ausschließende objektive Bindung eines Kredits an ein bestimmtes Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens wird auch dann nicht beseitigt, wenn das betreffende Wirtschaftsgut zwischenzeitlich (bis zu dem Zeitpunkt, in dem es nach den konjunkturellen Verhältnissen verkauft werden kann) vermietet wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Wirtschaftsgut infolge der Vermietung seinen Charakter als Gegenstand des Umlaufvermögens verliert und dem Anlagevermögen zuzurechnen ist.

c) Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf die drei Kredite an, die das FA als Dauerschulden behandelt hat, so ergibt sich, daß diese Kredite keine Dauerschulden sind.

Nach den Feststellungen des FG bestand - in Übereinstimmung mit der Regelung des Gesellschaftsvertrages - der geschäftliche Hauptzweck der KG darin, die von ihr errichteten Wohnanlagen insgesamt mit Gewinn zu veräußern. Ihr sei es, so die Vorinstanz, auch im Hinblick auf das unbebaute Grundstück in L. nicht auf eine Rendite aus Vermietung, sondern auf einen Gewinn aus der Veräußerung der Wohnanlagen angekommen, der dann wiederum für die Durchführung neuer Projekte verwendet werden sollte. Demgemäß habe die KG die Wohnanlagen vermietet und gleichzeitig zum Verkauf angeboten.

An diese Feststellungen tatsächlicher Art, die in der Revisionsinstanz nicht angegriffen worden sind, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; Urteil des BFH vom 31. März 1977 V R 44/73, BFHE 122, 184, BStBl II 1977, 684). Sie führen - wie der BFH bereits mehrfach ausgesprochen hat - dazu, daß die Wohnanlagen - ungeachtet ihrer Vermietung - dem Umlaufvermögen der KG zuzuordnen waren (Urteile des BFH vom 16. Januar 1969 IV R 34/67, BFHE 95, 219, BStBl II 1969, 375; vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291; vom 29. September 1976 I R 170/74, BFHE 120, 220, BStBl II 1977, 71; vom 17. März 1981 VIII R 149/78, BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522, unter Abschn. I 3; vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 265 "Grundstücke"; Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtliniengesetz, 1986, Teil I, Anm. 702; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., 1968, § 152 Anm. 3).

Gleiches gilt für das unbebaute Grundstück in L. Denn auch dieses Grundstück war dazu bestimmt, bebaut und veräußert zu werden. Wie der BFH in seinem Urteil vom 3. September 1959 IV 119/58 U (BFHE 69, 431, BStBl III 1959, 423) dargelegt hat, verlieren Grundstücke dieser Art den Charakter als Umlaufvermögen nur dann, wenn sie infolge ihrer tatsächlichen Nutzung dem Anlagevermögen gewidmet werden. Dies ist nach den Feststellungen der Vorinstanz im Streitfall nicht gegeben.

Jedes Darlehen war auch objektgebunden. Es mußte aus dem Veräußerungserlös des jeweiligen Grundstücksobjekts zurückgezahlt werden.

4. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH), nach der Realkredite, die ein Bauunternehmer zur Errichtung von zum Verkauf anstehenden Wohnungen oder für den Erwerb zu parzellierender Grundstücke aufgenommen hat, selbst dann nicht den Dauerschulden im Sinne der §§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zuzuordnen sind, wenn die Immobilien für einen längeren Zeitraum vermietet werden oder infolge des ungünstigen Konjunkturverlaufes vorübergehend nicht veräußert werden können (Urteile vom 28. Juni 1939 VI 356/39, Mrozek-Kartei, Gewerbesteuergesetz 1936, § 8 Ziff. 1, Rechtsspruch 32; vom 30. Oktober 1940 VI 267/40, Mrozek-Kartei, Gewerbesteuergesetz 1936, § 8 Ziff. 1, Rechtsspruch 48). Er tritt dabei nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH in BFHE 69, 453, BStBl III 1959, 430. Zwar hat der I. Senat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß dem Zeitmoment für die Beurteilung eines Kredits als Dauerschuld keine so geringe Bedeutung zugemessen werden könne, wie es der RFH in seinem Urteil VI 356/39 getan habe. Abgesehen davon, daß es sich bei dieser, die Finanzierung eines Filmvorhabens betreffenden Entscheidung - im Gegensatz zum anhängigen Verfahren - um einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen handelte, ergibt sich aus der weiteren Urteilsbegründung, daß der I. Senat für die Einordnung solcher Darlehen als Dauerschuld entscheidend darauf abgestellt hat, ob infolge des Zeitablaufs der ursprüngliche objektive Zusammenhang zwischen dem Kredit und den hiermit angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgütern gelöst werde und ob demgemäß davon ausgegangen werden müsse, das Darlehen könne nicht mehr aus dem Veräußerungserlös der fremdfinanzierten Wirtschaftsgüter getilgt werden. Eine solche Lockerung des Finanzierungszusammenhangs (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 7. Oktober 1964 I 298/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 114) und die damit verbundene Änderung des Zwecks der Kreditaufnahme ist aber im Streitfall, wie dargelegt, ungeachtet des Zeitraums der Geschäftsabwicklung nicht eingetreten.

5. Die Revision hat hiernach in vollem Umfang Erfolg. Das Urteil des FG ist deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben. Dem FA wird gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl I, 446) aufgegeben, die Gewerbesteuer-Meßbeträge 1974 bis 1976 auf der Grundlage dieser Entscheidung neu zu berechnen.