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  BFH-Urteil vom 20.9.1990 (V R 92/85) BStBl. 1991 II S. 35

Errichtet ein Vermieter im Zuge einer Baumaßnahme neben den seinem Vermietungsunternehmen dienenden Räumen auch für einen anderen Bauinteressenten Räume als Bauträger gegen Entgelt, gehört die (einmalige) Bauträgerleistung ebenfalls zum Rahmen seines Unternehmens.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und die Deutsche Bundespost erwarben mit Kaufvertrag vom 5. März 1980 ein Grundstück zum Miteigentum. Am selben Tag schlossen die Klägerin und die Deutsche Bundespost einen Vertrag zur Begründung von Teil- und Wohnungseigentum.

Durch einen ebenfalls am selben Tag geschlossenen "Bauträgervertrag" verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin gegenüber der Deutschen Bundespost zur Erstellung einer im Aufteilungsplan bezeichneten Eigentumseinheit und von 17 PKW-Abstellplätzen zu einem Festpreis. Auch die Klägerin erteilte ihrem Ehemann im Rahmen eines Bauträgervertrages den Auftrag, die auf sie entfallenden Gebäudeeinheiten zu errichten.

Diese Bauträgerverträge wurden nicht wie vereinbart durchgeführt. Vielmehr übernahm die Klägerin die Leitung des Bauvorhabens. Sie vergab im eigenen Namen die Aufträge; die Rechnungen der bauausführenden Firmen wurden an sie erteilt. Die Deutsche Bundespost zahlte die im Bauträgervertrag mit dem Ehemann der Klägerin vereinbarte Vergütung in zwei Raten an die Klägerin, und zwar in Höhe von ... DM am 31. Juli 1981 und in derselben Höhe nach Übergabe des Gebäudeanteils an die Deutsche Bundespost am 15. Januar 1982.

Die Klägerin vermietete das ihr gehörende Sondereigentum zum Teil unter Verzicht auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) an andere Unternehmer für deren Unternehmen, im übrigen als Wohnungen steuerfrei.

Für das Jahr 1982 erklärte die Klägerin nur die steuerpflichtigen Vermietungsumsätze und errechnete eine negative Steuerschuld.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, durch Errichtung der Gebäudeteile für die Deutsche Bundespost habe die Klägerin an diese eine steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung ausgeführt. Daher seien gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG 1980 die im Jahre 1981 gezahlte Rate in diesem Jahr und die 1982 gezahlte Rate im Streitjahr 1982 zu erfassen, wobei der Bruttobetrag in das Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer (13 v.H.) aufzuteilen sei.

Andererseits sei die auf die Werklieferung an die Deutsche Bundespost entfallende Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 4 UStG 1980 im Streitjahr 1982 zu berücksichtigen. Ausweislich von Tz. 11 des Prüfungsberichts hatte die Klägerin diese den Gebäudeteil der Deutschen Bundespost betreffenden Vorsteuerbeträge nicht geltend gemacht.

Einspruch und Klage gegen die der Auffassung der Sonderprüfung folgende Umsatzsteuerfestsetzung 1982 hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 92 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 2 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 UStG 1980. Sie trägt dazu (wie bisher) vor, die Werkleistung an die Deutsche Bundespost hinsichtlich deren Gebäudeteil sei nicht steuerbar, weil sie nicht zu ihrer, der Klägerin, unternehmerischen Tätigkeit gehört habe.

Das FG ordne die Werklieferung der unternehmerischen Sphäre zu, wobei aber offenbleibe, ob diese Werklieferung eine nachhaltige Tätigkeit sei oder ob es sich um ein Hilfs- oder Nebengeschäft zur Vermietungstätigkeit handle.

Soweit das FG der Auffassung zuneige, daß allein aufgrund der Größenordnung der Leistung eine nachhaltige Tätigkeit gegeben sei, könne das nicht richtig sein. Das UStG unterscheide bei der Steuerbarkeit einer Leistung nicht nach großen und kleinen Lieferungen, insbesondere auch nicht nach dem unternehmerischen Risiko oder dem erzielten Überschuß. Auch auf den Umfang der Tätigkeit könne die Steuerbarkeit bei der Erstellung des Gebäudeteils für die Deutsche Bundespost nicht gestützt werden. Nicht die Tätigkeit, sondern erst die ausgeführte Leistung sei umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 26. April 1962 V 293/59 U, BFHE 74, 715, BStBl III 1962, 264). Die streitige Werklieferung sei insbesondere auch nicht nachhaltig ausgeführt worden. Es handle sich weder um ein umsatzsteuerbares sog. Grundgeschäft noch um sog. Hilfs- oder Nebengeschäfte. Hilfsgeschäfte kämen nur in Betracht, wenn der gelieferte Gegenstand zuvor im unternehmerischen Bereich des Veräußerers verwendet worden sei. Nebengeschäft scheide ebenfalls aus, weil entgegen der Auffassung des FG nicht aus dem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der für die Post durchgeführten Baumaßnahme mit der eigenen Baumaßnahme auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang geschlossen werden dürfe. Es komme eher ein "zufälliger" Zusammenhang in Betracht: Sie, die Klägerin, habe beabsichtigt, 1979 bis 1980 einen Wohnblock mit Sozialwohnungen zu errichten. Mangels anderer Bauplätze sei es zu dem Gemeinschaftsobjekt mit der Deutschen Bundespost gekommen. Auch von der ursprünglich im Vertrag vom 5. März 1980 vorgesehenen gemeinschaftlichen Gebäudeerrichtung mit der Deutschen Bundespost sei lediglich aufgrund der Notwendigkeit der Baudurchführung in einer Hand abgewichen worden. Bei der Errichtung der beiden Gebäudeteile bestehe somit nur ein zeitlicher, nicht aber ein wirtschaftlicher Zusammenhang, weil beide aus der Gebäudeerrichtung folgenden Leistungen, die Vermietung ihrer Einheiten bzw. die Werklieferung an die Bundespost, völlig anders geartet seien und die Werklieferung nicht im Rahmen ihrer Haupttätigkeit (Vermietung) ausgeführt worden sei.

Schließlich enthalte eine Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von Vorsteuern für Vermietungsleistungen gemäß § 9 UStG 1980 keine Entscheidung über die Zuordnung von Vorleistungen zur unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Sphäre. Denn Vermietungsleistungen seien in jedem Fall unternehmerisch, gleichgültig, ob vom Verzicht auf die Steuerfreiheit (Option zur Vorsteuer) Gebrauch gemacht werde oder nicht.

Dem FG sei auch insoweit nicht zuzustimmen, als es die bezogenen Bauleistungen als Lieferung einheitlicher Gegenstände behandle, die nicht in Leistungsbezüge für den unternehmerischen und einen ggf. nichtunternehmerischen Bereich aufgeteilt werden könnten. Sie, die Klägerin, habe die Veräußerung des Gebäudeanteils an die Deutsche Bundespost der nichtunternehmerischen Sphäre zugeordnet. Aus der Inanspruchnahme von Vorsteuer auf Vermietungsleistungen könne nicht gefolgert werden, sie habe sämtliche empfangenen Leistungen ihrer unternehmerischen Tätigkeit zugeordnet.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuer auf ./. ... DM festzusetzen.

Das FA hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Erfassung der Gebäudeerstellung durch die Klägerin für die Deutsche Bundespost (Werklieferung) als steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz unter Berücksichtigung der Vorsteuerbeträge auf die dafür in Anspruch genommenen Bauunternehmerleistungen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Die Klägerin hat diesen Umsatz als Unternehmerin im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980).

a) Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Das Unternehmen umfaßt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers.

Mit der Vermietung der Wohn- und Geschäftsräume war die Klägerin selbständig und nachhaltig gegen Entgelt und damit als Unternehmer steuerbar i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 tätig. Davon gehen auch die Beteiligten (zutreffend) aus.

b) In den Rahmen des Unternehmens der Klägerin fällt aber auch ihre als Bauträger erbrachte Leistung an die Bundespost.

Daß diese Bauträgerleistung nicht zu den "laufenden" Umsätzen der Klägerin im Rahmen ihres Vermietungsunternehmens gehört, ist unerheblich. Wie bereits wiedergegeben, umfaßt das Unternehmen die gesamte unternehmerische Tätigkeit. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 setzt nicht voraus, daß jede entgeltliche Leistungstätigkeit des Unternehmers "nachhaltig" ausgeführt wird. Steht die Unternehmereigenschaft aufgrund nachhaltiger Ausführung der sog. laufenden Umsätze ohnehin fest, kann das Merkmal der Nachhaltigkeit für sonstige einzelne (entgeltliche) Umsätze vernachlässigt werden (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 2 Bem. 64). Das gilt nicht nur für sog. Hilfsgeschäfte, wie die Veräußerung von Anlagegegenständen des Unternehmens (vgl. BFH, Urteil vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649), sondern auch für andere vereinzelte Leistungen gegen Entgelt neben dem "eigentlichen" Unternehmensgegenstand (vgl. Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, § 2 Abs. 1 und 2 Anm. 169 ff.). Hier ist maßgeblich, ob nach den jeweiligen Umständen des Falles die Tätigkeit noch im Rahmen des Unternehmens (i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) oder aber im nichtunternehmerischen Bereich (Privatbereich) des Unternehmers ausgeführt wird.

"Im Rahmen seines Unternehmens" (i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980) führt ein Unternehmer jedenfalls die Leistungen aus, die mit Hilfe von zuvor dem Unternehmen zugeordneten Leistungsbezügen bewirkt werden. Wurde der Gegenstand einer Lieferung vom Unternehmer zuvor "für sein Unternehmen" (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) angeschafft oder hergestellt oder führt der Unternehmer eine sonstige Leistung mit Hilfe von zuvor unternehmerisch in Anspruch genommenen sonstigen Leistungen und Lieferungen aus, so ist von unternehmerisch bewirkter Leistung auszugehen. Solche Leistungen können den "Rahmen des Unternehmens" nur steuerbar verlassen, entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 als entgeltlicher Umsatz oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980 als Eigenverbrauch (für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen).

Aus dieser Sicht ist die Vorentscheidung, nach der die Klägerin die Bauträgerleistungen an die Bundespost im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe die Bauleistungen der von ihr beauftragten Bauunternehmer insgesamt für ihr Unternehmen in Anspruch genommen. Die Einwendungen der Revision zwingen zu keiner anderen Beurteilung. Die Bauträgerleistungen der Klägerin, die sie als nichtunternehmerische Betätigung gewürdigt wissen will, sind nach den Feststellungen des FG nur mit Merkmalen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in Verbindung zu bringen. Objektive Anhaltspunkte für den Bezug der Bauleistungen für den nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin (und demgemäß für die nichtunternehmerische "Weitergabe" als Bauträgerleistung) fehlen. Für die Beurteilung der gesamten Bauträgerbetätigung als nichtunternehmerisch lediglich aufgrund einer weitgehenden Zuordnungsfreiheit des Unternehmers - wie sie bei Bezug von sog. gemischt nutzbaren Leistungsgegenständen (z.B. PKW) anerkannt ist (vgl. BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649) - bleibt nach den Umständen des Falles kein Raum.

Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen der beauftragten Bauunternehmer dienten nur dazu, die eigene Bauträgerleistung an die Bundespost gegen Entgelt auszuführen. Sog. typische private Verwendung der in Anspruch genommenen Bauleistungen durch die Klägerin - sei es durch zwischenzeitliche Verwendung für eigene private Zwecke, sei es zur unentgeltlichen, nichtunternehmerischen Nutzung - schied von vornherein aus.

Die Bauträgertätigkeit für die Bundespost war ferner eine notwendige Begleiterscheinung im Rahmen der gesamten, durch die Klägerin in Auftrag gegebenen Baumaßnahmen, die auf ihre eigene unternehmerische Tätigkeit als Gebäudevermieter zugeschnitten war. Die gesamte Baumaßnahme mußte nach dem Vortrag der Klägerin notwendig in einer Hand liegen und einheitlich durchgeführt werden (aber nicht durch die Bundespost). Ob ein Leistungsbezug für die unternehmerische Tätigkeit notwendige Voraussetzung ist, ist zwar kein erhebliches Zuordnungskriterium zum Rahmen des Unternehmens (BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649, mit Nachweisen). Sofern aber - wie hier - die eigene unternehmerische Vermietertätigkeit nur durch Errichtung eines größeren Bauvolumens als selbst benötigt erreicht werden konnte, zugleich aber die unmittelbare entgeltliche "Weitergabe" der "überschüssigen" Bauleistungen vorgesehen und verwirklicht wurde, spricht dies jedenfalls dagegen, die Leistungsbezüge und Leistungen im Zusammenhang mit der Bauträgerverpflichtung aus dem Rahmen der "gesamten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980) abzuspalten.

Im Hinblick auf die vorliegende Fallgestaltung braucht der Senat nicht weiter auf die Abgrenzungsfrage einzugehen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen auch ein Unternehmer Leistungsbezüge seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen kann, wenn deren Verwendung zur Ausführung entgeltlicher Umsätze möglicherweise in Betracht kommt.

2. Steuerfreiheit der Bauträgerleistungen der Klägerin (der Art nach Ausführung einer Werklieferung) nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 kommt nicht in Betracht. Die Klägerin war insoweit zur Gebäudeerrichtung als Leistungsgegenstand verpflichtet, nicht aber zur Übereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden oder zur Übertragung der Verwertungsbefugnis daran. Es fehlt also an Umsätzen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 1 Nr. 1 und Abs. 2 GrEStG).