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  BFH-Urteil vom 26.9.1990 (II R 146/87) BStBl. 1991 II S. 57

Der Umstand, daß für ein Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 261 qm zu einem im Hauptfeststellungszeitraum aber nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) liegenden Zeitpunkt (hier: 1. Januar 1980) möglicherweise eine für diesen zutreffende Schätzung einer durchschnittlichen Miete vorgenommen werden könnte, steht der Anwendung des Sachwertverfahrens mangels vergleichbarer vermieteter Objekte im Hauptfeststellungszeitpunkt nicht entgegen.

BewG § 76 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 27, 79 Abs. 5.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin des Wohngrundstücks A-Straße in H, auf dem im Jahre 1961 bezugsfertig ein Einfamilienhaus errichtet worden ist. Das Gebäude umfaßt einen umbauten Raum von 1.461 cbm bei einer Wohnfläche von 261 qm. Die Grundstücksgröße beträgt 1.638 qm. Die Herstellungskosten des Gebäudes beliefen sich auf ca. 250.000 DM. Das Gebäude ist u.a. ausgestattet mit einem Kamin, einer Natursteintreppe, Natursteinfußböden in einem Teil der Wohnräume, einer Sauna im Keller, zwei Bädern, einer Dusche und drei WC.

Auf den Hauptfeststellungszeitpunkt, den 1. Januar 1964, hat das Finanzamt (FA) den Einheitswert, den es im Ertragswertverfahren ermittelte, auf 215.900 DM festgestellt. Im Anschluß an eine Ortsbesichtigung durch den Bewertungssachverständigen des FA im März 1980 nahm das FA eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung vor und stellte mit Bescheid vom 7. Mai 1980 den Einheitswert auf den 1. Januar 1980 auf 259.100 DM, nunmehr im Sachwertverfahren ermittelt, fest.

Nach erfolglosem Einspruch begehrte die Klägerin mit der Klage die Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheids sowie der Einspruchsentscheidung. Sie hat im Klageverfahren dem Finanzgericht (FG) ein von ihr eingeholtes Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. B vorgelegt. Der Gutachter kommt zum Stichtag 1. Januar 1980 zu dem Schluß, die Grundmiete sei mit 7,20 DM/qm anzunehmen und hat zur Begründung dieser Auffassung neun verschiedene Vergleichsobjekte benannt mit Wohnflächen zwischen 120 und 195 qm. Für diese Vergleichsobjekte ergebe sich eine mittlere Miete von 8,97 DM/qm, die aber um Abschläge wegen des höheren Alters des Objekts der Klägerin sowie dessen abweichender Größe nach unten zu korrigieren sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung von § 76 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), Verstoß gegen die Denkgesetze in Form eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten sowie Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Den Verstoß gegen den Inhalt der Akten und damit gegen die Denkgesetze sieht die Klägerin darin, daß das FG Feststellungen des Sachverständigen nicht berücksichtigt habe. Angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81, 20/82 (BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, 246) hätte sich dem FG, wenn es den gutachterlichen Äußerungen nicht folgen wollte, die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufdrängen müssen, um die Möglichkeit der Heranziehung von Vergleichsmieten auszuschließen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Der Wert eines Einfamilienhauses ist grundsätzlich im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 bis 82 BewG) zu ermitteln (§ 76 Abs. 1 BewG). Bei Einfamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach § 76 Abs. 1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheiden, ist jedoch abweichend davon nach § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG das Sachwertverfahren anzuwenden. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Bewertung solcher Wohngrundstücke ist von der Überlegung getragen, daß es sich bei diesen meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Häuser handelt (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juli 1971 III R 86/69, BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797; vgl. auch Senatsurteil vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320), für die sich eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien schätzen läßt.

Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG für die Bewertung im Sachwertverfahren gegeben sind, ist eine Frage der Wertverhältnisse und steht damit unter dem Gebot der Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) des § 27 BewG, wie auch § 79 Abs. 5 BewG bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen für die Höhe der Miete die Geltung der Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt vorschreibt (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 21. Oktober 1987 II R 26/87, BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841). Entscheidend ist damit, ob aus der Sicht des Hauptfeststellungszeitpunkts das Einfamilienhaus der Klägerin sich i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG von den nach § 76 Abs. 1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern wesentlich unterscheidet.

Zutreffend hat das FG unter dieser Sicht von einer zumindest guten Ausstattung des Gebäudes gesprochen. Die Feststellungen des Gutachters, daß einige Ausstattungsmerkmale heutigen Anforderungen nicht mehr genügten und andere zum heutigen Standard gehörten, sind nicht geeignet, diese tatrichterliche Würdigung in Frage zu stellen. Zudem weist das Wohnhaus durch seine durchaus großzügig bemessene Wohnfläche - wie das FG zutreffend erkannt hat - eine besondere Gestaltung auf, die es deutlich von den nach § 76 Abs. 1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern abhebt.

Die wesentliche Abweichung in Gestaltung oder Ausstattung von denjenigen Einfamilienhäusern, die zum Hauptfeststellungszeitpunkt im Ertragswertverfahren zu bewerten waren, beinhaltet zugleich zwingend die Aussage, daß sich für das Bewertungsobjekt die im Hauptfeststellungszeitpunkt übliche Miete nicht schätzen läßt (vgl. Senat in BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841). Dem steht nicht entgegen, daß der Sachverständige sich in der Lage fühlte, aus verschiedenen Vergleichsobjekten, deren Vergleichbarkeit schon wegen der eindeutig jeweils viel geringeren Wohnfläche zumindest zweifelhaft ist, zum 1. Januar 1980 eine durchschnittliche Miete abzuleiten, sowie daß er weiter das Bewertungsobjekt als (zum 1. Januar 1980) an einen bestimmten Personenkreis vermietbar bezeichnete. Denn es kommt - wie dargelegt - entscheidend allein auf die Verhältnisse zum 1. Januar 1964 an. Das FG ist deshalb auch zutreffend den Ausführungen des Gutachters nicht gefolgt.

Angesichts des Umstands, daß auch der von der Klägerin bestellte Gutachter kein vermietetes Objekt benannt hat, das in bezug auf die Wohnfläche mit dem Wohngrundstück der Klägerin vergleichbar ist, geht die Rüge ungenügender Sachverhaltserforschung ins Leere, zumal die Klägerin nicht dargelegt hat, welcher Beweismittel sich das FG hätte bedienen müssen und welche Ergebnisse aus den erhobenen Beweisen abzuleiten gewesen wären.

Entgegen dem Vortrag der Klägerin hat das BVerfG in seinem Urteil in BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, 246 nicht etwa im einzelnen die Voraussetzungen für die Anwendung des Sachwertverfahrens festgelegt, sondern lediglich die Erwägungen wiedergegeben, die den Gesetzgeber zur Anordnung von zwei Bewertungsverfahren (Ertragswert- und Sachwertverfahren) veranlaßt haben, und daraus den Schluß gezogen, daß gegen die unterschiedlichen Wertfindungsmethoden keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung auch insbesondere nicht die Rechtsprechung des BFH zur Anwendung des Sachwertverfahrens (vgl. BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797, und BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320) korrigiert.