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  BFH-Urteil vom 10.8.1990 (III R 30/87) BStBl. 1991 II S. 73

Aufwendungen für die Zuwendung eines Farbfernsehgeräts an einen nahen, in der (früheren) DDR lebenden Angehörigen (Mutter), sind selbst dann keine typischen Unterhaltsaufwendungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG, wenn der Empfänger 87 Jahre alt und gehbehindert ist.

EStG § 33a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) begehrte bei seiner Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1982 die Anerkennung von 2.486 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für diesen Betrag hatte er seiner in der DDR lebenden 87jährigen Mutter ein Farbfernsehgerät gekauft.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den begehrten Abzug mit der Begründung, daß es sich bei einem Farbfernsehgerät nicht um typischen Unterhaltsbedarf i.S. des § 33a Abs. 1 EStG handle. Ein solches Gerät diene dem gehobenen Lebensbedarf und übersteige den Rahmen des Zwangsläufigen.

Das Finanzgericht (FG) hielt die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage für begründet. Seiner Ansicht nach sei der Begriff des "Unterhalts" i.S. des § 33a Abs. 1 EStG zwar enger auszulegen als nach den entsprechenden Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Gleichwohl beschränke sich der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende Unterhalt nicht nur auf die Deckung von Zuwendungen der einfachsten Art. Vielmehr gehöre - ausgehend vom Wertesystem des Grundgesetzes (GG) Art. 5 - auch die Informationsfreiheit und die Möglichkeit zur Teilnahme am Informationsfluß zu den Grundbedürfnissen eines Menschen. Dies gelte um so mehr für die in ihrer Bewegungsfreiheit behinderte 87jährige, in einem Staat mit eingeschränkter Informationsmöglichkeit lebende Mutter des Klägers.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 EStG) Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs. 1 BKGG) hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3.600 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).

Das FG ist bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger aus rechtlichen Gründen zum Unterhalt seiner Mutter verpflichtet und die Bedürftigkeit der im Streitjahr in der DDR lebenden Unterstützungsempfängerin zu unterstellen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1983 VI R 275/80, BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453, durch Senatsentscheidung vom 5. Dezember 1986 III R 255/83, BFHE 148, 476, BStBl II 1987, 238 ausdrücklich bestätigt). Die Vorinstanz hat jedoch verkannt, daß es sich bei der Überlassung eines Farbfernsehgerätes um eine den Rahmen typischer Unterhaltsaufwendungen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG übersteigende freigebige Zuwendung eines Geschenks handelt (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1966 VI 320/65, BFHE 86, 457, BStBl III 1966, 534).

Gemäß § 33a Abs. 1 EStG begünstigt sind "Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung". Zweck dieser Sonderregelung zu § 33 EStG ist es, die zwangsläufig erwachsenen typischen Unterhaltskosten, d.h. die üblichen für den Lebensunterhalt des Empfängers bestimmten Leistungen steuerermäßigend zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Februar 1965 VI 306/64 U, BFHE 82, 102, BStBl III 1965, 284; vom 28. April 1978 VI R 145/75, BFHE 125, 167, BStBl II 1978, 456). Auch nach der - soweit ersichtlich einhelligen - Auffassung des Schrifttums umfaßt der Begriff der "Aufwendungen für den Unterhalt" i.S. des § 33a Abs. 1 EStG einen anderen, engeren Bereich, als im bürgerlichen Recht (vgl. §§ 1601 ff. BGB, insbesondere § 1610 Abs. 2 BGB; vgl. z.B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Anm. 38; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 33a Anm. 2 b; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 22; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 84). Die zugewendeten Gegenstände müssen dazu bestimmt sein, den zwangsläufig erwachsenden üblichen Unterhalt des Empfängers zu decken. Hierzu gehören nicht nur Aufwendungen zur Befriedigung leiblicher Bedürfnisse, wie Wohnung, Ernährung und Kleidung. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, können auch Ausgaben für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Aufwendungen für den Bezug von Fachzeitschriften, Fachbüchern usw. nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbar sein (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1988 III R 305/84, BFHE 155, 316, BStBl II 1989, 233). Dabei ist es - vorausgesetzt, die Aufwendungen erwachsen zwangsläufig - unerheblich, ob die zugewendeten Wirtschaftsgüter solche des Grundbedarfs sind oder der Befriedigung höherer Ansprüche dienen (vgl. BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453). Aufwendungen für die Anschaffung von Gegenständen werden aber nur dann gemäß § 33a Abs. 1 EStG steuerlich berücksichtigt, wenn diese den Charakter von üblichen und typischen Leistungen für den Unterhalt haben. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH bei einem aufwendigen Farbfernsehgerät nicht der Fall (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1981 VI R 10/79, nicht veröffentlicht - NV -). Vielmehr handelt es sich insoweit um die freigebige Zuwendung eines Gerätes der Unterhaltungselektronik von nicht unerheblichem Wert, wie sie auch sonst zwischen nahen Angehörigen, die in gesicherten Einkommens- und Vermögensverhältnissen leben, bei besonderem Anlaß nicht unüblich ist. Hierin kann nicht eine Unterstützungsleistung zum laufenden, tagtäglichen Unterhalt gesehen werden (vgl. BFHE 125, 167, BStBl II 1978, 456). Es sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die es rechtfertigen würden, im Streitfall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, daß die Informationsfreiheit und die Möglichkeit, am Informationsfluß - auch durch elektronische Medien - ungehindert teilnehmen zu können, ein grundgesetzlich geschütztes Recht jedes Menschen ist. Dies gilt um so mehr, wenn jemand durch Alter oder körperliche Gebrechen in seiner Bewegungsfreiheit behindert ist und in einem Staat mit im Streitjahr noch eingeschränkter Informationsfreiheit lebt. Gleichwohl ist es dadurch nicht gerechtfertigt, die freigebige Zuwendung eines aufwendigen Farbfernsehgerätes als laufenden Unterhalt zu werten. Nur solcher ist jedoch gemäß § 33a Abs. 1 EStG steuerlich begünstigt.

Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung auch nicht in Widerspruch zum Urteil des VII. Senats des BFH vom 30. Januar 1990 VII R 97/89 (BFHE 159, 421, BStBl II 1990, 416), wonach auch ein Stereo-Farbfernsehgerät als dem persönlichen Gebrauch und dem Haushalt eines Schuldners dienende Sache i.S. des § 811 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) einer Pfändung grundsätzlich nicht unterworfen ist. Zivilrechtliche Regelungen sind - wie bereits ausgeführt - nach herrschender Rechtsprechung und Meinung nicht geeignet, den im Umfang engeren Bereich der "Aufwendungen für den Unterhalt" i.S. des § 33a Abs. 1 EStG zu bestimmen. Entsprechendes gilt für die Regelungen der ZPO zur Abgrenzung der dem persönlichen Gebrauch des Vollstreckungsschuldners oder seinem Haushalt dienenden und gemäß § 811 Nr. 1 ZPO unpfändbaren Sachen.

2. Ob die Aufwendungen für die Zuwendung des Farbfernsehgerätes als außergewöhnlicher zusätzlicher Bedarf nach § 33 EStG steuerlich Berücksichtigung finden können, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Die dem Kläger zuzurechnende zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Höhe von 4 v.H. des Gesamtbetrages seiner Einkünfte liegt über seinen Aufwendungen für das Fernsehgerät (2.486 DM).

3. Die Vorinstanz ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Die Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).