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  BFH-Urteil vom 20.9.1990 (IV R 300/84) BStBl. 1991 II S. 82

Aufwendungen des Ehemannes für den von der Ehefrau betrieblich genutzten Teil des gemeinsamen Gebäudes können von dieser nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Die Ehefrau kann hierfür auch kein Nutzungsrecht ansetzen und gewinnmindernd abschreiben.

EStG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; EStDV § 11d.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1979 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin (Ehefrau) betreibt eine Facharztpraxis; sie ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger errichteten 1979 auf einem gemeinsamen Grundstück ein Einfamilienhaus, das sie seit der Bezugsfertigkeit ab 3. Dezember 1979 zur Hälfte für eigene Wohnzwecke und zur Hälfte für die freiberufliche Tätigkeit der Klägerin nutzen.

Mit der Durchführung des Bauvorhabens hatten die Kläger einen Generalunternehmer beauftragt. Dieser fiel am 4. Mai 1979 vor Fertigstellung des Hauses in Konkurs. Das Konkursverfahren wurde alsbald mangels Masse eingestellt. Die Kläger hatten für die in Auftrag gegebenen Arbeiten Vorauszahlungen geleistet. In Höhe eines vorauserhaltenen Betrags von 44.500 DM erbrachte der Generalunternehmer infolge des Konkurses keine Gegenleistung; die Kläger mußten mit der Durchführung dieser Arbeiten andere Handwerker beauftragen und deren Leistungen bezahlen. Mit ihrer zum Konkurs angemeldeten Forderung von 44.500 DM sind die Kläger in vollem Umfang ausgefallen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1979 behandelten die Kläger den Betrag als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Demgegenüber rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Betrag von 44.500 DM den erklärten Herstellungskosten des Gebäudes hinzu und gewährte den Klägern für den freiberuflich genutzten Gebäudeteil eine degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 EStG.

Die Klage hatte im Ergebnis Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Vorauszahlungen im Streitjahr verlorengegangen seien und daher, da sie nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehörten, teils als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, teils als Betriebsausgaben bei den freiberuflichen Einkünften voll abzugsfähig seien.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt, daß das FG den Begriff der Herstellungskosten falsch ausgelegt habe.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist teilweise begründet. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, daß die verlorenen Anzahlungen erfolgsmindernde Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bilden; doch kommt ihr Abzug insoweit nicht in Betracht, als der Kläger seinen Anteil an den Praxisräumen der Klägerin unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat.

1. Der Senat ist der Auffassung, daß Vorauszahlungen auf später nicht erbrachte Bauleistungen beim Besteller nicht zu den Herstellungskosten des Bauwerks gehören, sondern als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzusetzen sind. Der IX. Senat hatte für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anders entschieden (Urteil vom 24. März 1987 IX R 31/84, BFHE 149, 552, BStBl II 1987, 695). Der erkennende Senat hat deswegen den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) angerufen (Beschluß vom 26. Januar 1989 IV R 300/84, BFHE 155, 552, BStBl II 1989, 411). Der Große Senat hat im Sinne des Anrufungsbeschlusses entschieden (Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830).

2. Das FG hat angenommen, daß die verlorenen Anzahlungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Dabei ist jedoch übersehen worden, daß die Kläger Miteigentümer des zu bebauenden Grundstücks und gemeinsame Vertragspartner des Bauunternehmers waren. Das FG konnte bei dieser Gestaltung annehmen, daß die Zahlungen auf das entstehende Gebäude je zur Hälfte von den Ehegatten entrichtet worden sind, und zwar entweder aus eigenen oder vom anderen Ehegatten zugewendeten Mitteln (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. November 1981 IX ZR 91/80, BGHZ 82, 227). Eine solche Gestaltung hat zur Folge, daß beide Ehegatten als Hersteller des Gebäudes anzusehen und jeweils zur Hälfte an den Herstellungskosten beteiligt sind; dies bedeutet aber auch, daß die verlorenen Vorauszahlungen von ihnen jeweils zur Hälfte entrichtet worden sind.

a) Hieraus ergibt sich, daß die Ehegatten aus der wohnlichen Nutzung des Gebäudes im Streitjahr gemeinschaftliche (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 2 EStG erzielt haben; da das Gebäude zur Hälfte für Wohnzwecke genutzt werden sollte, kann mangels anderer Feststellungen davon ausgegangen werden, daß auch die ausgefallenen Anzahlungen zur Hälfte auf diesen Bereich entfielen und in diesem Umfang die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vermindern.

b) Dies gilt jedoch nicht in vollem Umfang für die auf den Praxisteil entfallenden Vorauszahlungen. Zwar bildete die nutzlos gebliebene Anzahlung für die Klägerin eine vorab entstandene Betriebsausgabe, weil sie in diesem Gebäudeteil später ihre freiberufliche Tätigkeit ausüben wollte. Dagegen stellt der Anteil des Klägers an diesem Teil der eingebüßten Vorauszahlungen für ihn keine Betriebsausgabe dar. Dieser Betragsanteil bildete bei ihm auch keine Werbungskosten, weil er aus seinem Miteigentum am Praxisanteil in der Folge keine Einnahmen erzielt hat.

c) Die Klägerin kann die Aufwendungen ihres Ehemannes auch nicht als eigene Betriebsausgaben geltend machen.

Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen die vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte der Einkommensteuer. Zu ihrer Ermittlung werden die von ihm erzielten Erträge und die ihm entstandenen Aufwendungen einander gegenübergestellt. Die Erfolgsermittlung ist subjektbezogen. Entscheidend ist danach nicht, welchen (gesamtwirtschaftlichen) Erfolg eine Tätigkeit unter Heranziehung auch der bei Dritten entstandenen Vor- und Nachteile erbracht hat; bedeutsam ist vielmehr allein der in der Person des Steuerpflichtigen verwirklichte Erfolg. Demgemäß ermittelt die Klägerin ihren Gewinn durch Gegenüberstellung der ihr zugeflossenen Einnahmen und der von ihr geleisteten Ausgaben (§ 11 Abs. 1 und 2 EStG). Für den Abzug von Aufwendungen, die einem Dritten entstanden sind, ist hierbei kein Platz.

Von diesem Grundsatz geht der Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) aus. Danach kann der Steuerpflichtige bei der Nutzung eigenen betriebsfremden Vermögens nur die eigenen laufenden Aufwendungen gewinnmindernd berücksichtigen; es ist auch der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft verwehrt, Aufwendungen ihrer Gesellschafter für der Gesellschaft zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter in ihrer Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Der Große Senat hat lediglich offengelassen, ob im Falle der Nutzungsüberlassung durch Angehörige der diesen entstandene Aufwand als sog. Drittaufwand berücksichtigt werden kann; dies ist auch für den Streitfall bedeutsam, da die Einbuße des Klägers im Zusammenhang mit der späteren Nutzung durch die Klägerin stand. Die vom Großen Senat offengelassene Frage ist jedoch zu verneinen.

Das Einkommensteuerrecht gibt keinen Anhaltspunkt, daß bei einer Beteiligung von Angehörigen vom Grundsatz der subjektbezogenen Erfolgsermittlung abgegangen werden müßte. Zwar können Zuwendungen des Einkommensteuerpflichtigen an Angehörige seine Einkünfte nicht schmälern (§ 12 Nr. 2 EStG); daraus folgt aber nicht, daß Zuwendungen des Angehörigen beim Empfänger einkommensmindernd zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 19. April 1989 X R 2/84, BFHE 157, 101, BStBl II 1989, 683). Dies läßt sich auch nicht aus § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ableiten, der für den Bereich der Überschußeinkünfte vorsieht, daß der unentgeltliche Erwerber eines abnutzbaren Wirtschaftsguts die AfA des Rechtsvorgängers fortsetzt. Diese nicht nur für Zuwendungen unter Angehörigen geltende Vorschrift entspricht der Regelung im Bereich der Gewinneinkünfte, in dem das unentgeltlich erlangte Wirtschaftsgut als eingelegt anzusehen wäre, so daß der Steuerpflichtige AfA von seinem Teilwert vornehmen kann. In beiden Fällen wird jedoch vorausgesetzt, daß Wirtschaftsgüter zugewendet wurden. Diese Eigenschaft kommt Nutzungen nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 nicht zu. Demgemäß hat der BFH wiederholt entschieden, daß der Steuerpflichtige den bezeichneten Drittaufwand nicht als Betriebsausgabe oder Werbungskosten berücksichtigen darf (z.B. Urteile vom 22. November 1962 IV R 38/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 287; vom 31. Mai 1972 IV R 31/69, BFHE 106, 79, BStBl II 1972, 699; vom 26. Mai 1982 I R 104/81, BFHE 136, 118, BStBl II 1982, 594, jeweils für Kraftfahrzeuge; vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244; vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454; vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710; vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888, jeweils für Gebäude). Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Dritter dem Steuerpflichtigen einen Geldbetrag zukommen lassen will und zur Abkürzung des Zahlungswegs Verbindlichkeiten des Steuerpflichtigen begleicht, die diesem aus aufwandsverursachenden Vorgängen entstanden sind (BFH-Urteil vom 3. April 1987 VI R 91/85, BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623). So liegt es im Streitfall nicht. Vergleichbare Grundsätze gelten auch im Gebiet der Sonderausgaben. Hier bilden Ausgaben eines Dritten für Versicherungsleistungen, die dem Steuerpflichtigen zugute kommen, keine diesen belastenden Aufwendungen, die als Sonderausgaben geltend gemacht werden könnten (vgl. BFH in BFHE 157, 101, BStBl II 1989, 683).

Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin die vergeblichen Aufwendungen ihres Ehemannes nicht als eigene Betriebsausgaben absetzen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764). Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob der Miteigentümer eines Einfamilienhauses die auf ihn entfallende AfA zunächst zur Berücksichtigung von Werbungskosten aus unselbständiger Arbeit geltend machen kann, wenn er im Haus ein Arbeitszimmer unterhält. Hieraus ergibt sich aber nicht, daß der Steuerpflichtige nicht nur die ihm selbst, sondern auch die dem Miteigentümer zustehende AfA oder aber andere Aufwendungen des Miteigentümers geltend machen könnte. Die Rechtslage kann auch nicht so gesehen werden, daß der betrieblich genutzte Teil des Gebäudes allein der Ehefrau und der für Wohnzwecke genutzte Teil allein dem Ehemann zuzurechnen sei. Würde die Ehefrau den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, könnte sie nur ihren eigenen Miteigentumsanteil an den Praxisräumen aktivieren und auch nur insoweit AfA geltend machen; für eine Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG kann nichts anderes gelten. Der Senat folgt daher nicht der Auffassung des Hessischen FG (Urteil vom 26. Oktober 1989 10 K 333/83, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 166), daß sich aus dem Urteil in BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764 eine Erweiterung des Betriebsvermögens der Klägerin ergebe; deshalb kann auch nicht angenommen werden, sie habe ihren Anteil an den Vorauszahlungen allein für die Herstellung der Praxisräume entrichtet.

d) Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit angenommen, der das Miteigentum seines Ehegatten am Praxisanteil nutzende Steuerpflichtige könne ein unentgeltlich erlangtes Nutzungsrecht in seinen Betrieb einlegen und gewinnmindernd abschreiben (BFH-Urteile in BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244; vom 20. November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68). Diese Möglichkeit besteht nach der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 151, 523, 534, 535, BStBl II 1988, 348, 353, 354 nicht mehr, weil auch mittels Einlage und Abschreibung eines Nutzungsrechts Erträge nicht der Besteuerung entzogen und Ausgaben eines Dritten nicht gewinnmindernd geltend gemacht werden dürfen. Hiervon geht nunmehr auch der VIII. Senat aus (Urteile vom 10. April 1990 VIII R 289/84, BFHE 160, 497, BStBl II 1990, 741, und vom 16. Dezember 1988 III R 113/85, BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung.