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  BFH-Urteil vom 17.10.1990 (II R 42/88) BStBl. 1991 II S. 144

1. Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Anspruch auf Übereignung eines bürgerlich-rechtlich noch zu bildenden Grundstücks setzt voraus, daß die Fläche (Grenze) des künftigen Grundstücks hinreichend bestimmt ist.

2. Die hinreichende Bestimmtheit des künftigen Grundstücks muß sich aus dem die Steuer möglicherweise auslösenden Rechtsvorgang selbst ergeben. Eine Konkretisierung erst in Zukunft durch Vereinbarung der Parteien, durch den Schuldner oder durch einen Dritten ist nicht ausreichend (vgl. Urteil vom 20. April 1971 II 11/65, BFHE 103, 6, BStBl II 1971, 751).

3. Zu den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit.

GrEStG NW (GrEStG 1983) § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 5.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die - inzwischen verstorbene - Frau A schloß am 28. Juni 1974 einen notariell beurkundeten Vertrag mit dem C. Frau A verpflichtete sich, aus ihr gehörenden Grundstücken noch zu bildende (Teil-) Grundstücke mit einer Größe von insgesamt ca. 2,58 ha auf den C zu übertragen, der diese für Straßenbauzwecke benötigte. Der Kaufpreis betrug X DM. Den Kaufpreisanspruch trat Frau A an die B AG ab. Mit der AG schloß Frau A am selben Tag einen ebenfalls notariell beurkundeten Vertrag. Mit diesem Vertrag verpflichtete sich Frau A, aus ihr gehörenden Grundstücksflächen noch zu bildende (Teil-)Grundstücke in einer Größe von insgesamt ca. 10,16 ha zu übertragen. Als Gegenleistung verpflichtete sich die AG, aus bestimmten ihr gehörenden Grundstücksflächen, die insgesamt eine Größe von ca. 38,87 ha hatten, noch zu bildende Grundstücke in einer Größe von ca. 30,50 ha zu übertragen. Im Vertrag wurde dazu festgehalten, daß der bezeichnete Grundbesitz der AG der Ausbaggerung unterliege. Nach Beendigung der Ausbaggerung und der anschließenden Rekultivierung werde in diesem Gebiet ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, dem auch der bezeichnete Grundbesitz unterliegen werde. Nach dem Wortlaut des Vertrages verpflichtete sich die AG, "aus den im Flurbereinigungsverfahren an die Stelle der oben aufgeführten Grundstücke bzw. Teilflächen tretenden Grundstücksflächen die größenmäßig dreifache Neulandfläche, also 30,5070 ha zu übertragen". Darüber hinaus verpflichtete sich die AG, an Frau A eine weitere 7,7640 ha große Neulandfläche in räumlichem Zusammenhang mit der vorgenannten Neulandfläche zu übertragen, und zwar als Gegenleistung für die Kaufpreisabtretung aus dem Vertrag mit dem C. Bei der Berechnung der Flächengröße der auf Frau A zu übertragenden Neulandflächen gingen die Vertragspartner von einer bestimmten durchschnittlichen "Ackerzahl" aus. Sollte die Bewertung des Neulands später zu einem anderen Ergebnis führen, würde sich die Fläche der zu übertragenden Grundstücke entsprechend verringern oder vergrößern. Der Vertrag enthielt u.a. die weitere Bestimmung: "Es besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, daß die Rekultivierung der später an Frau A oder ihre Rechtsnachfolger zu übertragenden Neulandflächen von verschiedenen, im voraus nicht übersehbaren Umständen abhängig ist. Deshalb kann B weder für den Zeitpunkt der Erstellung des Neulandes noch für seine Lage oder Qualität eine Gewähr übernehmen."

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Mai 1982 "verkaufte" Herr A als Miterbe und Testamentsvollstrecker über den Nachlaß der inzwischen verstorbenen Frau A an die Klägerin "alle ihm gegen die B Aktiengesellschaft nach Maßgabe der vorstehenden Darstellung zustehenden Rechte aus den vorstehend mehrfach behandelten notariellen Urkunden". In derselben Urkunde trat er die verkauften Rechte an die Klägerin mit sofortiger Wirkung ab. Der Kaufpreis betrug Y DM. Die Nutzung der abgetretenen Rechte sollte mit Wirkung ab 1. Juli 1982 übergehen. Zu den Nutzungen sollten insbesondere auch die Nutzungsentschädigungen gehören, die die AG nach Maßgabe der Verträge vom 28. Juni 1974 zu zahlen hatte.

Durch Bescheid vom 1. Oktober 1982 setzte das beklagte Finanzamt (FA) für den Vertrag vom 20. Mai 1982 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung stützte das FA die Steuerfestsetzung auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 des damals geltenden nordrhein-westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Mit der Klage machte die Klägerin im wesentlichen geltend, die Abtretung der Rechte aus dem Gestattungsvertrag löse keine Grunderwerbsteuer aus, weil die Grundflächen noch nicht konkretisiert seien. Ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Geschäft sei erst gegeben, wenn zumindest dem groben Umriß nach die Grundfläche bestimmt sei, auf die sich das Rechtsgeschäft beziehe. Der Vertrag sei nicht durch Übereignung von Grundstücken, sondern durch Abtretung von Rechten erfüllt worden. Der Verkäufer sei weder Eigentümer noch Besitzer von Grundstücken gewesen, es habe kein Grundstücksumsatz zustande kommen können.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Durch den Vertrag vom 20. Mai 1982 sei der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG erfüllt. Die vom Veräußerer an die Klägerin zu übertragenden Flächen seien nach Maßgabe der im Vertrag vom 20. Mai 1982 vereinbarten Merkmale hinreichend bestimmbar und konkretisierbar gewesen; und zwar größenmäßig, da die Größe lediglich von der bei der Rekultivierung erreichten Ertragsmeßzahl abhänge, und lagemäßig, weil die Lage und nähere Grundbuchbezeichnung von der noch ausstehenden Flurbereinigung abhänge. Die Neulandgrundstücke würden zusammenhängend gelegen sein.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung.

Entgegen der Auffassung des FG erfüllt die mit Vertrag vom 20. Mai 1982 an die Klägerin erfolgte Abtretung der gegen die AG bestehenden Rechte aus den bezeichneten beiden Verträgen vom 28. Juni 1974 keinen Tatbestand des GrEStG.

In Frage käme allenfalls, daß der Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterläge. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG käme dagegen nicht in Betracht. Der Verkauf "der Rechte" aus den Verträgen kann nicht gleichgesetzt werden mit einem Verkauf von Grundstücken. Der Veräußerer wollte nicht (ihm noch nicht gehörende) Grundstücke, sondern (allenfalls) auf die Übertragung von Grundstücken gerichtete Ansprüche weiterveräußern.

Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ist jedoch nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft der Steuer, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs begründet. Die an die Klägerin abzutretenden Rechte erfüllen diese Voraussetzung nicht. Sie beinhalten keine Ansprüche auf Übereignung von Grundstücken in diesem Sinne.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich nur Erwerbsvorgänge über Grundstücke i.S. des bürgerlichen Rechts (abgesehen von den in § 2 GrEStG selbst vorgesehenen - im Streitfall aber nicht erheblichen -, Modifikationen des Grundstücksbegriffs). Dementsprechend muß sich der Anspruch auf Übereignung immer auf ein Grundstück i.S. des bürgerlichen Rechts beziehen. Dieses muß jedoch zum Zeitpunkt der Begründung des Anspruchs bürgerlich-rechtlich noch nicht notwendigerweise bestehen. Gegenstand des Übereignungsanspruchs kann auch ein bürgerlich-rechtlich noch zu bildendes (künftiges) Grundstück sein. Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Anspruch auf Übereignung setzt jedoch voraus, daß die Fläche (Grenze) des rechtlich erst noch entstehenden Grundstücks bereits hinreichend bestimmt ist. (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. April 1971 II 11/65, BFHE 103, 6, BStBl II 1971, 751, und vom 27. August 1975 II R 40/73, BFHE 117, 99, BStBl II 1976, 32). Auch nach bürgerlichem Recht ist eine hinreichende Bestimmtheit des künftigen Grundstück für die rechtsgeschäftliche Auflassung einerseits notwendig, andererseits aber auch ausreichend (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. März 1984 V ZR 206/82, BGHZ 90, 323, und vom 24. April 1987 V ZR 228/85, Der Deutsche Rechtspfleger - Rpfleger - 1987, 452).

Um einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks annehmen zu können, an den das GrEStG die Leistungspflicht knüpft, muß sich die notwendige hinreichende Bestimmtheit des künftigen Grundstücks aus dem Rechtsvorgang selbst ergeben, der die Grunderwerbsteuer möglicherweise auslösen kann. Es ist nicht ausreichend, wenn eine erforderliche Konkretisierung erst durch Vereinbarung der Parteien, durch den Schuldner oder durch einen Dritten (§ 317 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) nachfolgt. (vgl. BFH in BFHE 103, 6, BStBl 1971, 751). In einem derartigen Fall ist der Steuertatbestand erst mit der (nachfolgenden) - ggf. anzeigepflichtigen - Konkretisierung erfüllt.

Eine hinreichende Bestimmtheit der Grenzen und damit der geographischen Lage des künftigen Grundstücks ist immer gegeben, wenn auf einen (amtlichen) Veränderungsnachweis Bezug genommen wird. Ausreichend ist aber regelmäßig auch, wenn die Parteien die Grenzen des künftigen Grundstücks in einer - der notariellen Urkunde beigefügten - Skizze eindeutig bezeichnen.

Im Streitfall sind in dem dafür maßgeblichen Vertrag vom 28. Juni 1974 die Grenzen der von der AG zu übertragenden (noch zu bildenden) Grundstücke nicht in einer diesen Anforderungen genügenden Weise bestimmt worden.

Der Vertrag enthält keine Angaben über den konkreten Verlauf der Grenzen der künftigen Grundstücke. Nicht einmal die Größe dieser Grundstücke steht fest, da sie von der Ertragsmeßzahl der Neulandflächen nach der Rekultivierung abhängt. Auch die Lage und Größe des Grundbesitzes der AG, aus dem die Neulandflächen von ca. 30,50 ha erbracht werden soll, steht nicht fest, da zunächst noch ein Flurbereinigungsverfahren in diesem Gebiet durchgeführt werden soll. Die Angaben über die Grenzen und damit über die geographische Lage der Grundstücke sind deshalb insgesamt nicht hinreichend bestimmt. Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang wurde daher nicht verwirklicht.

Die Sache ist spruchreif. Der Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und daher aufzuheben.