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  BFH-Urteil vom 28.8.1990 (VII R 25/89) BStBl. 1991 II S. 154

1. Ein "anderes wissenschaftliches Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG setzt nicht voraus, daß der wirtschaftswissenschaftliche Teil den Schwerpunkt des Studiums (also mehr als 50 v.H. der Unterrichtseinheiten) bildet. Ein solches Studium liegt vor, wenn in nennenswertem Umfang wirtschaftswissenschaftliche Unterrichtsveranstaltungen auf der Grundlage eines fest umrissenen Studienplans besucht werden, die wirtschaftswissenschaftlichen Lehrinhalte nach einer schriftlichen oder mündlichen Prüfung in einem Zeugnis ausgewiesen werden und Haupt- und Nebenfach in einem inneren Zusammenhang stehen, wonach das absolvierte Studium von vornherein als auf eine spätere Tätigkeit in der Wirtschaft ausgerichtet erscheint.

2. Bei einem Studium der Mathematik mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre und späterer Tätigkeit als Versicherungsmathematiker können die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG gegeben sein.

StBerG 1975 § 36 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) studierte von Oktober 1974 bis Januar 1981 gemäß der Studienordnung der Justus-Liebig-Universität in Gießen Mathematik mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre. Nach der vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Klageschrift betrugen die Studieninhalte auf mathematischem Gebiet (theoretische Mathematik, angewandte Mathematik sowie Grundlagenveranstaltungen) insgesamt 115 Unterrichtseinheiten und im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften insgesamt 31 Unterrichtseinheiten, was einem Anteil von 21,2 v.H. entspricht. Nach Bestehen der Diplomhauptprüfung, die die Anfertigung einer schriftlichen Diplomarbeit mit mathematischer Themenstellung sowie eine mündliche Prüfung in den drei Fächern "Angewandte Mathematik", "Reine Mathematik" sowie "Betriebswirtschaftslehre" beinhaltete, wurde dem Kläger der akademische Grad "Diplom. Mathematiker" verliehen. Anschließend arbeitete der Kläger mehrere Jahre bei einem Versicherungsunternehmen, bis er am 1. Oktober 1985 in die versicherungsmathematische Abteilung einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (im folgenden: AG) eintrat. Dort oblag ihm im wesentlichen die Berechnung und Prüfung der Pensionsrückstellungen sowie die Beratung und Prüfung aller Fragen der betrieblichen Altersversorgung, einschließlich der steuerlichen. Nach der vorgelegten Bescheinigung der AG hatte der Kläger hierbei aufgrund des engen Zusammenwirkens von versicherungsmathematischer Abteilung und Steuerabteilung Gelegenheit, sich in nennenswertem Umfang mit zahlreichen Steuerarten (insbesondere Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer sowie Bilanzsteuerrecht) zu befassen und sich einen Überblick über die dabei geltenden Vorschriften und Einzelprobleme zu verschaffen. Besonderes Gewicht sei dabei den im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung stehenden Problemen (insbesondere Pensions- und Unterstützungskassen) zugekommen.

Am 8. April 1988 beantragte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hessisches Ministerium der Finanzen - Beklagter -) die Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1988. Der beim Beklagten gebildete Zulassungsausschuß lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es fehle sowohl an einem wissenschaftlichen Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als auch an der nachfolgenden hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens. Ein wissenschaftliches Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung setze voraus, daß die Fächer mit wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalten zu mehr als 50 v.H. Lehr- und Prüfungsinhalt seien. Die absolvierte praktische Tätigkeit in der versicherungsmathematischen Abteilung der AG sei auch nicht als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anzusehen, weil das Zusammenwirken der versicherungsmathematischen - und der Steuerabteilung keine überwiegende Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens beinhalte.

Die mit dem Ziel der Zulassung zur Steuerberaterprüfung vor dem FG erhobene Klage blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Das vom Kläger absolvierte Studium der Mathematik mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre genügt den Voraussetzungen eines "anderen" Studiums mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Der Kläger war auch drei Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich praktisch tätig.

I. Die Anforderungen, die § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG in der hier maßgebenden Fassung (§ 36 StBerG i.d.F. vom 4. November 1975, BGBl I 1975, 2735) an ein "anderes Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" stellt, sind entgegen der Ansicht des FG nicht eng auszulegen.

1. a) Dem Gesetzeswortlaut läßt sich nicht entnehmen, daß von einem "anderen Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" nur gesprochen werden könne, wenn die wirtschaftswissenschaftlichen Studienanteile den Schwerpunkt des Studiums (über 50 v.H. der Unterrichtseinheiten) bilden und diese gegenüber den mathematischen Lehrveranstaltungen in der Überzahl sind. Die Anerkennung eines "anderen" Studiums als Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften als theoretische Grundlage für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung durch den Gesetzgeber geht davon aus, daß die überwiegende Anzahl der Lehrveranstaltungen dieses Studiums auf einem anderen Fachgebiet als Wirtschaftswissenschaften liegt, denn sonst würde es sich hierbei nicht um ein "anderes Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung", sondern um ein "wirtschaftswissenschaftliches Studium mit anderer Fachrichtung" handeln und die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG liefe insoweit leer.

b) Auch die Forderung des FG, das "andere" Studium müsse einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium "gleichzuordnen" sein, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen, denn § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG differenziert gerade zwischen dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium und dem "anderen" Studium mit nur wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung und läßt damit erkennen, daß es ein Minus an wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalten zu Gunsten der zusätzlichen Kenntnisse des "anderen" Studiums in Kauf nimmt und damit den Beruf des Steuerberaters auch für andere Studienzweige als Wirtschaftswissenschaften öffnen will, sofern dieses andere Studium auf die Vermittlung von Grundlagenwissen für die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausgerichtet ist. Eine "gleichwertige" Vorbildung verlangt das Gesetz lediglich in anderem Zusammenhang in § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG i.d.F. bis 1989, wo neben der Lehrzeit und Ablegung der Gehilfenprüfung eine "gleichwertige" Vorbildung anerkannt wird, wie auch nach der jetzt geltenden Fassung (vom 9. Juni 1989, BGBl I 1989, 1062) nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 für das "vergleichbare" Studium an einer Universität.

c) Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht für die weitere Auslegung des Begriffs "anderes Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung". Nachdem das StBerG i.d.F. vom 16. August 1961 (BGBl I 1961, 1301) den Zugang zum Beruf des Steuerberaters für Hochschulabsolventen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 nur nach Abschluß eines rechtswissenschaftlichen oder wirtschaftswissenschaftlichen Studiums vorgesehen hatte, wurde § 5 Abs. 1 Nr. 1 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401) um die Zugangsmöglichkeit über das "andere Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" erweitert. Mit dieser "flexiblen" Regelung sollte allen denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten im Hochschulwesen Rechnung getragen und insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet werden, die sich daraus ergaben, daß Absolventen der landwirtschaftlichen Hochschulen nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 StBerG a.F. zur Steuerberaterprüfung nur zugelassen werden konnten, wenn sie zuvor die Erklärung abgegeben hatten, trotz erfolgreicher Teilnahme an der vollen Steuerberaterprüfung die Steuerberatung nur für landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, gärtnerische und Weinbau-Betriebe auszuüben (Weiß, Das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1972, 377, 380; Völzke, Der Betrieb - DB - 1972, 1738). Obschon die wirtschaftswissenschaftlichen Studienanteile auch innerhalb des landwirtschaftlichen Studiums keinen Schwerpunkt bilden (Gehre, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, S. 22), hat der Gesetzgeber den Absolventen der landwirtschaftlichen Studiengänge den Zugang zur vollen Steuerberatungstätigkeit eröffnen wollen. Demgemäß verbietet sich auch für Bewerber aus anderen Studiengängen eine enge Auslegung.

d) Hinzu kommt, daß § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl einschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluß vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BStBl II 1980, 706, 710) sind subjektive Zulassungsbeschränkungen, die die Aufnahme der Berufstätigkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen, nur gerechtfertigt, soweit sie ein überragendes Gemeinschaftsgut schützen sollen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich zudem, daß Regelungen der Berufswahl stets nur auf derjenigen Stufe wahrgenommen werden dürfen, die den geringstmöglichen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringen (Urteil des BVerfG vom 11. Juni 1958 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 378), und einschränkende Regelungen im Lichte der Wertsetzung des Grundrechtes ausgelegt werden müssen.

Durch die Vorschriften des StBerG soll die Allgemeinheit vor den Gefahren geschützt werden, die durch fehlerhafte Steuerberatung von fachlich oder persönlich ungeeigneten Beratern entstehen können. Den Gefahren fehlender Fachkenntnis wird derzeit jedoch im wesentlichen nicht durch das Erfordernis des erfolgreichen Abschlusses eines bestimmten Hochschulstudiums, sondern dadurch begegnet, daß die Bestellung zum Steuerberater regelmäßig die Ablegung der Steuerberaterprüfung voraussetzt, denn das relevante steuerliche Fachwissen selbst wird derzeit weder durch ein rechtswissenschaftliches noch durch ein wirtschaftswissenschaftliches Studium vermittelt (vgl. Tipke, Protokolle des Finanzausschusses, Sitzung vom 29. April 1971). Die Vermittlung von juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Lehrinhalten und die damit eng verbundene Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragestellungen vermag beim Absolventen dieser Fachrichtungen lediglich die fachliche Grundlage zu legen für die spätere Aneignung der theoretischen und praktischen steuerlichen Fachkenntnisse. Wegen dieses nur mittelbaren Bezugs der in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG genannten Hochschulstudien zur späteren Tätigkeit als Steuerberater dürfen im Lichte von Art. 12 GG keine allzu strengen Anforderungen bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "anderes Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" angelegt werden. Der Bewerber muß die für den angestrebten Beruf erforderlichen Fachkenntnisse ohnehin noch durch Ablegung der Steuerberaterprüfung nachweisen.

e) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine "restriktive" Auslegung auch nicht deshalb geboten, weil bei Anerkennung des vom Kläger absolvierten Studiums als Vorbildungsvoraussetzung i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG lediglich noch eine dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens erforderlich ist und nicht - wie beim Zugang zum Beruf des Steuerberaters über die Praxis gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG - eine solche von zehn Jahren; denn die Motive des Gesetzgebers, eine bestimmte praktische Mindestzeit für die Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens vorzuschreiben, lagen weniger auf fachlichem, als auf alterspolitischem Gebiet (vgl. BTDrucks VI/3456 S. 6 sowie die Übersicht bei Weiß, DStZ 1972, 388). Es sollte verhindert werden, daß Absolventen anderer Bildungsgänge früher als Hochschulabsolventen den Zugang zum Steuerberaterberuf finden können.

2. Andererseits kann es für das "andere" Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung nicht ausreichen, wenn der Bewerber nur gelegentlich auf eigene Initiative an wirtschaftswissenschaftlichen Unterrichtsveranstaltungen teilgenommen hat. Wie sich aus dem Merkmal "Fachrichtung" ergibt, ist vielmehr erforderlich, daß die wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalte von nennenswertem Umfang sind und die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des Studiums auf der Grundlage einer fest umrissenen Studienordnung (§ 11 des Hochschulrahmengesetzes) mit schriftlicher oder mündlicher Abschlußprüfung erfolgt, in der die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des gesamten Studiengangs zum Ausdruck kommt (zutreffend das vom Kläger zitierte, unveröffentlichte Urteil des FG Hamburg vom 10. März 1983 V 297/82; wohl ebenso für das Studium der Mathematik - allerdings unter nicht näher genannten Umständen - Foerster, Die Zulassung zur Steuerberaterprüfung, DB 1984, Beilage Nr. 11 S. 3; noch weitergehend Targan, Die Voraussetzung des wissenschaftlichen Hochschulstudiums in § 36 Abs. 1 StBerG, Der Steuerberater 1984, 33, mit der Forderung, de lege ferenda auf jede Differenzierung nach Hochschulabschlüssen zu verzichten). Darüberhinaus muß berücksichtigt werden, daß nicht schon jede beliebige Fächerkombination des Hauptstudiums mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Nebenfach ausreichen kann; denn der Gesetzgeber wollte den Zugang zum Steuerberaterberuf nur für Absolventen solcher Studiengänge eröffnen, deren Studiengang von vornherein auf eine spätere Tätigkeit in der Wirtschaft ausgerichtet ist (wie z.B. bei den Absolventen der landwirtschaftlichen Hochschulen), und deren Hauptstudium von vornherein in einem inneren Zusammenhang mit wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalten steht. Hieran fehlt es z.B., wenn das wirtschaftswissenschaftliche Nebenfach lediglich der Abrundung von Kenntnissen im Hauptfach dient, eine spätere berufliche Tätigkeit in der Wirtschaft aber hierdurch nicht angelegt ist und nur ausnahmsweise erfolgt (wie z.B. beim Studium der Germanistik oder einer Sprache).

3. Die danach für die Anerkennung als "anderes wissenschaftliches Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" notwendigen Voraussetzungen sind bei dem vom Kläger absolvierten Studium erfüllt. Die wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalte des Mathematikstudiums mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften sind in der Studienordnung der Universität als Studiengang geregelt. Die dabei gewonnenen Kenntnisse sind innerhalb der Diplomprüfung Gegenstand der mündlichen Prüfung geworden und haben im Zeugnis über die Diplomhauptprüfung (Fach "Betriebswirtschaftslehre") ihren Niederschlag gefunden. Auch dem Anteil der vom Kläger besuchten wirtschaftswissenschaftlichen Veranstaltungen im Verhältnis zum gesamten Studieninhalt von mindestens 21 v.H. (der Beklagte geht sogar von 28 v.H. aus) kann eine nennenswerte Bedeutung nicht abgesprochen werden, so daß dahingestellt bleiben kann, ob die Verfahrensrüge des Klägers durchgreift, daß sich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über den wirtschaftswissenschaftlichen Charakter der Studieninhalte im Fach "Angewandte Mathematik" ein wirtschaftswissenschaftlicher Anteil von 53 v.H. ergeben hätte.

Das Mathematikstudium des Klägers mit dem Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ist auch auf eine spätere Tätigkeit in der Wirtschaft angelegt. Bereits das Hauptfach Mathematik steht in einem inneren Bezug zu den Wirtschaftswissenschaften, was sich schon daraus ergibt, daß insbesondere das Studium der Betriebswirtschaftslehre selbst hochgradig mathematisiert ist (vgl. Statistik, Wirtschaftsmathematik). Der vom Kläger absolvierte Studiengang versetzte ihn aufgrund der zunehmenden Verflechtung von betriebswirtschaftlichen, steuerrechtlichen und mathematischen Fragestellungen von vornherein in die Lage, den Berufsweg in die Wirtschaft einzuschlagen. Auch die Tatsache, daß der Gesetzgeber nach der Neufassung des § 4 Nr. 13 StBerG mit Wirkung vom 16. Juni 1989 (BGBl I 1989, 1062) dem versicherungsmathematischen Sachverständigen die beschränkte Befugnis zur Steuerberatung verliehen hat, zeigt, daß auch er von einem inhaltlichen Bezug zwischen einem wirtschaftswissenschaftlich geprägten Mathematikstudium und der Steuerberatung ausgeht.

II. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Rechtsausführungen dazu gemacht, ob der Kläger eine dreijährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens absolviert hat. Die Feststellungen des FG ermöglichen es dem Senat gleichwohl, in der Sache zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des FG (vgl. Urteil des Senats vom 17. Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706) wie erforderlich drei Jahre in der versicherungsmathematischen Abteilung der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-AG gearbeitet. Diese Tätigkeit ist auch als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 28. November 1989 VII R 48/89, BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399) ist der Begriff des Steuerwesens weit auszulegen. Er umfaßt alles, was mit Steuern zusammenhängt, und ist auch dann gegeben, wenn das hauptberufliche Aufgabengebiet des Bewerbers zwar außerhalb des Steuerrechts liegt, jedoch mit diesem zusammenhängt und daher regelmäßig auch die Befassung mit Steuerfragen erfordert. Eine einheitliche Tätigkeit ist dabei nicht in eine innerhalb und eine außerhalb des Steuerwesens liegende Tätigkeit aufzuspalten, um nach der zeitlich überwiegenden Beanspruchung beurteilt zu werden (Urteil des Senats vom 24. Januar 1989 VII R 79/88, BFHE 156, 328, BStBl II 1989, 337). Da nach den Feststellungen des FG dem Kläger in der versicherungsmathematischen Abteilung der AG u.a. die Berechnung und Prüfung von Pensionsrückstellungen sowie die Beratung und Prüfung aller Fragen der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der steuerlichen oblag, sind die Voraussetzungen auch insoweit gegeben. Daß die Tätigkeit des Klägers als eine auf dem Gebiet des Steuerwesens liegende angesehen werden muß, ergibt sich auch schon daraus, daß - wie ausgeführt - der Gesetzgeber dem versicherungsmathematischen Sachverständigen mit der Neufassung des § 4 Nr. 13 StBerG die beschränkte Befugnis zur Steuerberatung verliehen hat.