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  BFH-Urteil vom 7.11.1990 (II R 17/86) BStBl. 1991 II S. 163

1. § 12 Abs. 3 VStG 1974 in der bis 1983 geltenden Fassung ist auch anwendbar auf Wirtschaftsgüter, die in einem ausländischen Staat belegen sind, der keine Vermögensteuer erhebt.

2. Die "Herstellung des Einvernehmens .... über die gegenseitige Steuerbefreiung" ist materielles Erfordernis für die Gewährung der Steuerbefreiung auch dann, wenn der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebt.

3. Der Steuerpflichtige hat keinen Rechtsanspruch auf Herstellung des Einvernehmens über die Gegenseitigkeit oder auch nur auf Aufnahme entsprechender Verhandlungen, und zwar auch dann nicht, wenn der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebt.

4. Die der Exekutive in § 12 Abs. 3 VStG 1974 in der bis 1983 geltenden Fassung gewährte Entscheidungsbefugnis ist nach Auffassung des Senats mit dem GG nicht vereinbar. Die Entscheidung eines Rechtsstreits, mit dem Steuerfreiheit beansprucht wird für Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat, mit dem das Einvernehmen über die gegenseitige Steuerbefreiung nicht hergestellt ist, hängt jedoch von der Gültigkeit des § 12 Abs. 3 VStG 1974 in der bis 1983 geltenden Fassung nicht ab.

VStG 1974 in der bis 1983 geltenden Fassung § 12 Abs. 3; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 100.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Der Kläger hat in Venezuela belegenes Grund- und Betriebsvermögen. In seiner Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1979 erklärte der Kläger - neben anderem Vermögen - dieses Grund- und Betriebsvermögen in Venezuela mit einem Gesamtwert von 2.532.000 DM. In der Erklärung auf den 1. Januar 1980 gab er einen Gesamtwert von 2.531.713 DM an. In beiden Steuererklärungen begehrte der Kläger, das in Venezuela belegene Grund- und Betriebsvermögen gemäß § 12 Abs. 3 des Vermögensteuergesetzes i.d.F. des Vermögensteuer-Reformgesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I, 949) - VStG a.F. -, die bis einschließlich 1983 galt (vgl. Gesetz vom 22. Dezember 1983, BGBl I, 1583), außer Ansatz zu lassen. Das beklagte Finanzamt (FA) folgte diesem Begehren nicht und setzte durch Bescheide vom 5. Januar 1982 Vermögensteuer gegen den Kläger fest, jeweils unter Einbeziehung von dessen in Venezuela belegenem Grund- und Betriebsvermögen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Mit dieser machte der Kläger geltend, sein in Venezuela belegenes Vermögen sei nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. steuerfrei. Das Tatbestandsmerkmal "Einvernehmen" sei bereits dann erfüllt, wenn der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebe. Dies ergebe sich bereits aus Sinn und Zweck des Gesetzes, das vornehmlich in Entwicklungsländern belegenes Betriebs- und Grundvermögen von der deutschen Vermögensteuer freistellen wolle. Es sei reiner Formalismus, auch in Fällen, in denen der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebe, diplomatische Erklärungen über die gegenseitigen Steuerbefreiungen herbeizuführen. Zur Stützung seiner Rechtsauffassung verwies er auf die ihn bestätigende Regelung in Abschn. 124b der Vermögensteuer-Richtlinien 1974 (VStR 1974). Die fehlende Übernahme dieser Regelung in die VStR 1977 habe keine materielle Bedeutung, weil ansonsten die Herbeiführung der Voraussetzung einer Steuerbefreiung völlig in das Belieben der Finanzverwaltung gestellt wäre. Auch der Bundesrat habe bei der Beratung über die Neufassung der VStR 1980 angeregt, dem Abschn. 124b wieder eine der Regelung in den VStR 1974 entsprechende Anordnung anzufügen.

Das beklagte FA machte geltend, Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 VStG a.F. sei die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Erhebe aber der ausländische Staat keine Vermögensteuer, so entfiele dieser Zweck. Es bestehe kein Anlaß in einem derartigen Fall die deutsche Vermögensteuer, die den unbeschränkt Steuerpflichtigen bei seinem Auslandsvermögen wirtschaftlich nicht stärker belaste als bei seinem inländischen Vermögen, zu mindern oder aufzuheben. Auch ein Verzicht auf das Gegenseitigkeitserfordernis sei nicht möglich, da nur so eine Ausgewogenheit in dem Gesamtzusammenhang der steuerrechtlichen Verknüpfung der beteiligten Staaten zu erreichen sei. Die Regelung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Während des Klageverfahrens änderte das FA den Vermögensteuerbescheid 1979 auf Antrag des Klägers gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) in einem anderen Punkt durch Bescheid vom 14. Januar 1983. Der Kläger hat den Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VStG a.F. seien nicht erfüllt. Da Venezuela keine Vermögensteuer erhebe, könne es von deren Erhebung auch nicht befreien. Dies aber sei Tatbestandsvoraussetzung der Steuerbefreiung. Ein Einverständnis über eine gegenseitige Steuerbefreiung könne deshalb auch nicht hergestellt werden.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß Verletzung des § 12 Abs. 3 VStG a.F. Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Vermögensteuer 1979 um 7.215 DM auf 4.605 DM und die Vermögensteuer 1980 um 12.040 DM auf 905 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. verneint.

1. Diese Vorschrift lautete:

"Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nicht auf Wirtschaftsgüter der im § 121 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes genannten Art, die in einem ausländischen Staat belegen sind, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, wenn und soweit der ausländische Staat Steuerpflichtigen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in seinem Gebiet eine entsprechende Steuerbefreiung für derartige Wirtschaftsgüter gewährt und der Bundesminister der Finanzen mit den zuständigen Behörden des ausländischen Staates Einvernehmen über die gegenseitige Steuerbefreiung herstellt."

In der Begründung der Bundesregierung zu dieser Vorschrift (BTDrucks VI/3418, S. 56) hieß es:

"Die Regelung soll es ermöglichen, im Verhältnis zu Staaten, mit denen kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, auf begrenztem Gebiet im Rahmen der Gegenseitigkeit zeitnahe und aktuellen Bedürfnissen entsprechende Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu treffen. In Anlehnung an die in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verwirklichten Grundsätze hat die Regelung nur für ausländisches Grundvermögen und ausländisches Betriebsvermögen Bedeutung."

In Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Staaten, die selbst keine Vermögensteuer erheben, wird häufig die deutsche Vermögensteuer mit einbezogen (vgl. z.B. DBA-USA vom 22. Juli 1954 in der Neufassung des Protokolls vom 17. September 1965, BGBl II 1966, 746, und DBA-Australien vom 24. November 1972, BGBl II 1974, 338, BStBl I 1974, 424). Dabei wird regelmäßig dem ausländischen Staat das Besteuerungsrecht für in seinem Gebiet liegendes unbewegliches Vermögen belassen (vgl. z.B. Art. 21 Abs. 1 und 2 DBA-Australien). Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird in einigen Abkommen für Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ansässig sind, dieses im Ausland belegene Vermögen von der deutschen Vermögensteuer befreit (vgl. z.B. Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Australien). Diese Befreiung tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob der ausländische Staat von der Besteuerungserlaubnis nach dem Abkommen Gebrauch gemacht hat (vgl. Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, DBA-Australien II, Art. 22 Tz. 3). Erhebt der ausländische Staat - wie z.B. Australien - keine Vermögensteuer, so führt dies im Ergebnis dazu, daß dort belegenes unbewegliches Vermögen eines in der Bundesrepublik ansässigen Steuerpflichtigen keiner Vermögensteuer unterliegt.

Aus Wortlaut, Gesetzesbegründung und dem dargestellten Inhalt förmlicher DBA ergibt sich nach Auffassung des Senats zur Auslegung des § 12 Abs. 3 VStG a.F. folgendes: Es ist offensichtlich, daß mit dieser Vorschrift zumindest für bestimmte Konstellationen (z.B. bei besonders langwierigen Verhandlungen über ein DBA, nach Kündigung eines DBA, bei einem DBA entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Problemen eines ausländischen Staates) ein Instrument geschaffen werden sollte, für einen sachlich eng abgegrenzten Bereich bei der Vermögensteuer auch ohne förmliches DBA (mit dazu notwendigem Zustimmungsgesetz) Steuererleichterungen eintreten zu lassen, wie sie sonst nur aufgrund eines DBA eintreten. Diese "Vorbildfunktion" der förmlichen DBA für die Schaffung der Vorschrift ist bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen. Daraus folgt zunächst, daß eine Steuerbefreiung nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn der betreffende ausländische Staat eine Vermögensteuer nicht erhebt (so im Ergebnis Debatin, Betriebs-Berater - BB - 1985, 1741; Manke, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1986, 17). Wie dargelegt, kann es durchaus der Fall sein, daß die entsprechende Steuerbefreiung im Rahmen eines förmlichen DBA auch dann gewährt wird, wenn der ausländische Staat keine Vermögensteuer kennt (Vermeidung einer virtuellen Doppelbesteuerung). Für Gegenseitigkeitsregelungen ist das Ergebnis (Nichtbelastung mit einer bestimmten Steuer) maßgeblich. Für dieses Ergebnis ist es ohne Belang, ob es steuertechnisch durch Ausnahme von einer generell bestehenden Steuerbarkeit oder durch einen generellen Verzicht auf eine Steuerquelle erreicht wird. Das Wort "Steuerbefreiung" ist daher in diesem Zusammenhang nicht in dem ihm sonst zukommenden dogmatischen Sinn zu verstehen. Entgegen der Auffassung des FG kann daher im Streitfall die Steuerbefreiung nicht schon deswegen versagt werden, weil Venezuela keine Vermögensteuer erhebt.

2. Dem Kläger steht die begehrte Steuerbefreiung jedoch deswegen nicht zu, weil die weitere Voraussetzung "Herstellung des Einvernehmens zwischen dem Bundesminister der Finanzen und den zuständigen Behörden des ausländischen Staates über die gegenseitige Steuerbefreiung" im Streitfall nicht erfüllt ist.

Entgegen der Auffassung der Revision hat diese Voraussetzung nicht nur - auch nicht in Fällen, in denen der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebt - formale Bedeutung, sondern ist materielles Erfordernis für die Gewährung der Steuerbefreiung. Auch dies ergibt sich wiederum in erster Linie aus der erkennbaren Orientierung der Vorschrift an Funktion und Wirkung förmlicher DBA. DBA sollen zwischenstaatliche Steuerkollisionen beseitigen. Das wird u.a. durch wechselseitige und - als Ziel - möglichst ausgewogene Steuerverzichte erreicht. Dabei ist die besondere Funktion der deutschen Vermögensteuer zu beachten, die als (zusätzliche) Belastung des "fundierten" Einkommens anzusehen ist. Diese systematische Stellung der Vermögensteuer rechtfertigt es, (im Rahmen von DBA) auch Verzichte auf Vermögensteuer dann auszusprechen, wenn der ausländische Staat selbst keine Vermögensteuer kennt. Es kann insoweit die ausländische Einkommensbesteuerung als Äquivalent zur Gesamtheit der deutschen direkten Besteuerung, einschließlich Vermögensteuer, gewertet werden. Ob eine solche Ebenbürtigkeit der Steuerordnungen im Verhältnis zum jeweiligen ausländischen Staat besteht, kann und muß beim Abschluß und ggf. bei der inhaltlichen Gestaltung von DBA jeweils berücksichtigt werden. Ließe man dagegen die Steuerbefreiung nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. gegenüber Staaten ohne Vermögensteuer ohne jede weitere Voraussetzung eintreten, fiele diese - beim Abschluß förmlicher DBA bestehende - Differenzierungsmöglichkeit für den Anwendungsbereich der Vorschrift weg. So verstanden hätte die Norm zur Folge, daß das von ihr sachlich erfaßte unbewegliche Vermögen (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 des Bewertungsgesetzes - BewG -) abweichend vom Universalitätsprinzip des § 1 Abs. 3 VStG generell immer dann von der Besteuerung ausgenommen wäre, wenn es in einem Staat ohne Vermögensteuer belegen ist. Eine derart weitreichende und mit dem System der Vermögensteuer kaum vereinbare Bedeutung kommt der Vorschrift jedoch nicht zu. Sinn und Zweck der Norm weisen vielmehr darauf hin, daß die Steuerbefreiung nicht unterschiedslos und automatisch gegenüber allen ausländischen Staaten eintreten soll. Die notwendige Differenzierung soll vielmehr durch das Erfordernis der Herstellung des Einvernehmens mit dem ausländischen Staat über die Gegenseitigkeit gewährleistet werden. Dadurch hat der Bundesminister der Finanzen (BMF) die Möglichkeit, die Anwendung der Vorschrift auf äquivalente Steuerordnungen zu beschränken. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt, die den Zusammenhang mit DBA erkennbar macht. Sie findet auch im Wortlaut ihren Ausdruck. Sollte lediglich die Tatsache der Gegenseitigkeit Befreiungsvoraussetzung sein, hätte es der Erwähnung der Herstellung des Einvernehmens über die Gegenseitigkeit nicht bedurft (vgl. dazu beispielsweise § 4 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983, § 4 Nr. 8 Satz 2 des Versicherungsteuergesetzes).

Nach der Auslegung des erkennenden Senats ist die Herstellung des Einvernehmens über die Gegenseitigkeit tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Die Herstellung des Einvernehmens hat jedoch selbst keinen Normcharakter. Nicht entscheidend ist es auch, wie die entsprechende Vereinbarung mit dem ausländischen Staat völkerrechtlich und im System des Grundgesetzes - GG - (Art. 59 GG) einzuordnen ist. Für die Gewährung der Steuerbefreiung ist es allein entscheidend, daß entsprechende übereinstimmende Erklärungen vorliegen. Auf deren rechtliche Qualifizierung kommt es für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift selbst nicht an.

3. Der Kläger könnte sich auch auf keinen Rechtsanspruch auf Herstellung des Einvernehmens über die Gegenseitigkeit oder auch nur auf Aufnahme entsprechender Verhandlungen durch den BMF berufen, auch nicht in Gestalt eines subjektiven öffentlichen Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung. Ein solcher Rechtsanspruch besteht auch dann nicht, wenn der ausländische Staat keine Vermögensteuer erhebt. Der Wortlaut der Vorschrift gibt keinen Anhalt, daß das Gesetz den von der Vorschrift berührten Steuerpflichtigen einen entsprechenden Rechtsanspruch einräumen wollte. Dies würde auch dem Grundsatz widersprechen, dem einzelnen Bürger keine subjektiven öffentlichen Rechte im Hinblick auf die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen einzuräumen. Auch der Entstehungsgeschichte der Norm läßt sich insoweit nichts Gegenteiliges entnehmen. Auch bei den der Vorschrift als Vorbild dienenden DBA besteht kein Rechtsanspruch auf Abschluß bzw. auch nur auf Einleitung entsprechender Verhandlungen. Die zur Gewährung der Steuerbefreiung notwendige Herstellung des Einvernehmens über die Gegenseitigkeit ist auch nicht vergleichbar der Durchführung eines Verständigungsverfahrens im Rahmen eines bereits abgeschlossenen DBA. Bei einem Verständigungsverfahren steht erkennbar (auch) der Individualrechtsschutz im Vordergrund. Dies ist bei der Herstellung des Einvernehmens nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. nicht der Fall.

4. Die der Exekutive in § 12 Abs. 3 VStG a.F. gewährte Entscheidungsbefugnis über den Eintritt der Steuerbefreiung ist nach Auffassung des Senats mit dem GG nicht zu vereinbaren. Dies hat jedoch auf die Entscheidung über das im Streitfall mit Revision und Klage verfolgte Ziel im Ergebnis keinen Einfluß.

Eine Steuerbefreiung nach § 12 Abs. 3 VStG a.F. ist - wie oben dargelegt - davon abhängig, daß der BMF mit den zuständigen Behörden des ausländischen Staates Einvernehmen herstellt. Die Herbeiführung dieses Tatbestandsmerkmals, das selbst keinen Normcharakter hat, beruht allein auf der Entscheidung der Exekutive (hier des BMF). Dies ist nach Auffassung des Senats weder mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung noch mit der durch das Rechtsstaatsprinzip verbürgten Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar.

Der aus dem Rechtsstaatsprinzip sich ergebende Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes dient der Gewährung der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheit und Gleichheit der Bürger. Er bewirkt, daß bestimmtes staatliches Verhalten nur rechtmäßig ist, wenn es durch förmliches Gesetz legitimiert ist. Gerade im Steuerrecht als Eingriffsrecht kommt dem Vorbehalt des Gesetzes besondere Bedeutung zu. Bei Rechtsnormen, die zu einer Steuerentlastung führen können, sind allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluß vom 19. April 1978 2 BvL 2/75, BStBl II 1978, 548) geringere Anforderungen an das Maß der gesetzlichen Bestimmtheit zu stellen.

Gleichwohl müssen auch in diesem Bereich die wesentlichen Grundentscheidungen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Im Interesse der Steuergerechtigkeit ist auch hier ein gewisser Grad von Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung selbst zu verlangen (vgl. BVerfGE 23, 62, 73). Auch diese (weite) Grenze wird nach Auffassung des erkennenden Senats von § 12 Abs. 3 VStG a.F. überschritten. Es ist eine Grundentscheidung des Gesetzgebers des VStG, den unbeschränkt Steuerpflichtigen mit seinem Weltvermögen zur Steuer heranzuziehen. § 12 Abs. 3 VStG a.F. ermöglicht der Exekutive eine Rücknahme dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf das unbewegliche Vermögen für ganze Gruppen von Fällen (Ländern). Diese Rücknahme ist im Ergebnis lediglich an Zweckmäßigkeitserwägungen der Exekutive gebunden und vom betroffenen Bürger gerichtlich nicht beeinflußbar. Damit ist eine wesentliche Grundentscheidung im Rahmen des Vollzugs des VStG der Exekutive überlassen worden.

Gerade das mit der Schaffung der Norm angestrebte Ziel macht diese Verfassungswidrigkeit deutlich. Die Exekutive schließt DBA ab, um internationale Steuerkollisionen zu mildern und um eine angemessene Besteuerung des Einzelnen herbeizuführen. Eine "Ebenbürtigkeit der Steuerordnungen" wird dabei angestrebt. Nach Abschluß der Verhandlungen mit dem betreffenden ausländischen Staat entscheidet jedoch der Gesetzgeber mit dem erforderlichen Zustimmungsgesetz, ob er das Ergebnis billigt. Erst dadurch werden die vereinbarten Regelungen innerstaatliches Recht. Dieses der Verfassung entsprechende Verfahren wird durch § 12 Abs. 3 VStG a.F. partiell unterlaufen. Hier wird zuerst die (nach innerstaatlichem Recht) eine Steuerbefreiung herbeiführende Norm als Blankettnorm erlassen, in die dann danach von der Exekutive konkrete Anwendungsfälle eingesetzt werden. Der Senat verkennt dabei nicht die Zweckmäßigkeitsüberlegungen, die im Einzelfall eine solche Regelung als wünschenswert erscheinen lassen, diese haben jedoch hinter der Verfassungsanforderung zurückzustehen.

§ 12 Abs. 3 VStG a.F. ist auch nicht mit der vom BVerfG im Ergebnis gebilligten Vorschrift des § 34c Abs. 3 a.F. des Einkommensteuergesetzes (EStG) vergleichbar (vgl. BVerfG, BStBl II 1978, 548). § 34c Abs. 3 EStG a.F. räumte der Exekutive eine eher einzelfallbezogene Entscheidungsbefugnis ein, § 12 Abs. 3 VStG a.F. gilt dagegen (jeweils) für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen, was gerade für das Erfordernis einer Regelung durch Rechtsnorm spricht. Nach § 34c Abs. 3 EStG ist das Ermessen der Exekutive zudem noch an einen zwar unbestimmten, aber doch auslegungsfähigen und gerichtlich überprüfbaren Rechtsbegriff gebunden. Eine solche Einschränkung fehlt in § 12 Abs. 3 VStG a.F. Die Zweckmäßigkeitsvorstellungen und Ziele, die die Exekutive üblicherweise beim Abschluß derartiger Abkommen leiten werden, sind selbst nicht Inhalt der Norm geworden.

Die Auffassung des Senats zur Verfassungswidrigkeit der Regelung ist wesentlich dadurch bestimmt, daß diese der Exekutive die Möglichkeit einräumt, für eine Vielzahl von Fällen die Besteuerung des Weltvermögens unbeschränkt Steuerpflichtiger zumindest partiell aufzuheben. Inwieweit diese Überlegungen auch für § 2 Abs. 3 VStG gelten können, läßt der Senat daher ausdrücklich offen.

Die dargelegte Auslegung des § 12 Abs. 3 VStG a.F. ist insoweit so zwingend, daß eine andere - verfassungskonforme - Auslegung nicht möglich ist. Die nach Überzeugung des Senats bestehende Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs. 3 VStG a.F. ist jedoch für den Ausgang des Rechtsstreits nicht erheblich, da es für diesen auf die Gültigkeit dieser Norm nicht ankommt. Ist § 12 Abs. 3 VStG a.F. gültig, so hat die Revision und damit die Klage deswegen keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung nicht gegeben sind. Wäre die Vorschrift dagegen ungültig, so führte die Klage ebenfalls nicht zum Ziel, da sie sich dann nicht auf die ihr günstige Norm stützen könnte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich die vom Senat angenommene Verfassungswidrigkeit auf einen Teil der Norm beschränken ließe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Senat kann daher über die Revision entscheiden, ohne daß es auf die Gültigkeit des § 12 Abs. 3 VStG a.F. ankommt. Aus diesem Grund ist auch eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG nicht möglich (vgl. Beschluß des BVerfG vom 14. April 1959 1 BvL 19, 21/58, BVerfGE 9, 250, 254).