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BFH-Urteil vom 7.11.1990 (I R 68/88) BStBl. 1991 II S. 177

1. Wegen der in § 29 Abs. 1 KStG 1977 vorgeschriebenen Bindung der Ermittlung des verwendbaren Eigenkapitals an das in der Steuerbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen ist die sonstige Vermögensmehrung i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 nach steuerbilanzrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen.

2. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 ist auf Gewinnanteile entsprechend anzuwenden, die aus einer zu einem Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung erzielt werden.

3. Die Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 besteht darin, daß der aus dem EK 04 stammende Gewinnanteil beim Gesellschafter als nicht steuerbare Einnahme zu behandeln ist. Die Anwendung der Vorschrift wird im Bereich der Gewinneinkünfte dadurch vollzogen, daß der Buchwert der Beteiligung um die unter die Vorschrift zu subsumierende Dividende gemindert wird.

4. Das nach § 47 Abs. 2 KStG 1977 fingiert festzustellende "Einkommen" umfaßt nur die steuerpflichtigen Einkünfte. Schon deshalb erstreckt sich die Bindungswirkung des § 182 AO 1977 nicht auf die Zuordnung steuerfreier Einkünfte.

AO 1977 § 182; EStG 1977 § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 50 Abs. 5; KStG 1977 § 27, § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 2 Nr. 2, § 47.

Vorinstanz: FG München (EFG 1988, 532)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine unbeschränkt steuerpflichtige GmbH, die im Streitjahr 1981 an einer anderen inländischen Tochter-GmbH (T-GmbH) zu 100 v.H. beteiligt war. Die ursprünglichen Beteiligungs-Anschaffungskosten der Klägerin betrugen 1,23 Mio DM. In ihrem Jahresabschluß zum 31. Dezember 1981 wies die Klägerin die Beteiligung mit diesem Wert aus.

Auf Grund eines Gewinnverteilungsbeschlusses vom 20. April 1982 schüttete die T-GmbH an die Klägerin für das Geschäftsjahr 1981 eine Dividende von rd. 3,8 Mio DM aus. Nach der von der T-GmbH ausgestellten Steuerbescheinigung (§ 44 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977) entfielen davon 1.181.000 DM auf die Rückzahlung von Einlagen i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977. Die Klägerin aktivierte ihren Anspruch auf den Gewinnanteil schon in der Bilanz zum 31. Dezember 1981 als Forderung gegenüber verbundenen Unternehmen. Sie minderte in ihrer Steuerbilanz den Beteiligungsansatz um die zurückgezahlte Einlage in Höhe von 1.181.000 DM entsprechend dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. Februar 1980 IV B 2 - S 2.143 - 3/80 (BStBl I 1980, 134). Dieser Auffassung folgte auch der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in dem gemäß § 47 KStG 1977 zum 31. Dezember 1981 erlassenen Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 1984. In dem Bescheid wurde das verwendbare Eigenkapital wie folgt festgestellt:

EK 56:

1.485.380 DM;

EK 36:

29.029 DM;

EK 02:

12 DM.

Parallel dazu erließ das FA einen Körperschaftsteuerbescheid 1981 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in dem es von einem zu versteuernden Einkommen von 3.404.800 DM ausging. In diesem Betrag ist die aus dem EK 04 der T-GmbH stammende Dividende in Höhe von 1.180.000 DM nicht enthalten. Der Körperschaftsteuerbescheid ist nicht bestandskräftig.

Die Klägerin legte gegen den Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 1984 Einspruch mit der Begründung ein, die aus dem EK 04 der T-GmbH stammende Dividende in Höhe von 1.181.000 DM dürfe nicht den Beteiligungsansatz mindern, sondern sei als nicht mit Körperschaftsteuer belastetes verwendbares Eigenkapital dem EK 02 zuzuordnen (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977).

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und stellte das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1981 wie folgt fest:

EK 56:                1.485.380 DM;

EK 36:                     29.029 DM;

EK 02:                 1.181.012 DM.

Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 532 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG München vom 9. Februar 1988 VII 87/85 FK aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision abzuweisen.

Der BMF ist dem Verfahren beigetreten. Er tritt der Rechtsauffassung des FG entgegen und hält an seiner im Schreiben vom 9. Januar 1987 IV B 2 - S 2.143 - 24/86 (BStBl I 1987, 171) vertretenen Rechtsauffassung fest.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 sind bei der Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals im sog. EK 02 nur solche sonstigen Vermögensmehrungen anzusetzen, die der Körperschaftsteuer nicht unterlagen und die nicht unter § 30 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 KStG 1977 fallen. Dabei ist wegen der in § 29 Abs. 1 KStG 1977 vorgeschriebenen Bindung der Ermittlung des verwendbaren Eigenkapitals an das in der Steuerbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen die "sonstige Vermögensmehrung" i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 nach steuerbilanzrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen (Jünger, in: Lademann, KStG, § 30 Rdnr. 20; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 30 Rdnr. 11). Deshalb ist eine sonstige Vermögensmehrung i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 dann nicht anzunehmen, wenn in der Steuerbilanz eine Vermögensumschichtung auszuweisen ist. So ist auch der Streitfall gelagert, weil die von der Klägerin in Höhe von 1.181.000 DM erzielte und aus dem EK 04 der T-GmbH stammende Dividende in der Steuerbilanz der Klägerin nur als Vermögensumschichtung in Erscheinung tritt.

2. Dazu läßt der erkennende Senat unentschieden, ob es an einer Vermögensmehrung nicht bereits deshalb fehlt, weil der Anspruch der Klägerin auf den Gewinnanteil an der T-GmbH für das Geschäftsjahr 1981 erst am 20. April 1982 entstanden ist und deshalb zum 31. Dezember 1981 als Forderung noch nicht erfaßt werden durfte. Zu dieser Frage hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 21. Mai 1986 I R 199/84 (BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794), und I R 190/81 (BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815) entschieden, daß der Anspruch eines Gesellschafters auf den anteiligen Gewinn seiner GmbH als selbständiges Gläubigerrecht erst mit der Beschlußfassung über die Gewinnverteilung entsteht. Der vorher bestehende allgemeine Anspruch des Gesellschafters auf Gewinnbeteiligung ist bis zur Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses unselbständiger Teil des Gesellschafter-Mitgliedschaftsrechtes. Man kann der Auffassung sein, daß der Anspruch auf den Gewinnanteil vor Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses auch als selbständiges Wirtschaftsgut noch nicht entstanden ist und deshalb auch nicht vorzeitig aktiviert werden darf. Es würde bilanzrechtlich solange mit der Beteiligung ein einheitliches Wirtschaftsgut bilden, als er sich von derselben nicht abgespaltet hat. Auf der Grundlage dieser Auffassung würde es bezogen auf den Feststellungsstichtag 31. Dezember 1981 schon tatbestandlich an einem Vermögenszugang fehlen, der als Vermögensmehrung i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 qualifiziert werden könnte.

Allerdings hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86 (BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714) die Auffassung vertreten, daß Gewinnausschüttungsansprüche eines Mehrheitsgesellschafters unter bestimmten Voraussetzungen als Wirtschaftsgut schon vor ihrer Abspaltung von der Beteiligung entstehen und dann zeitkongruent zu aktivieren sind. Für den Streitfall bedeutet diese Auffassung, daß zum Feststellungsstichtag 31. Dezember 1981 ein Vermögenszugang anzunehmen wäre, dessen steuerbilanzielle Behandlung darüber entschiede, ob auch eine Vermögensmehrung i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 gegeben ist. Sollte dieser Auffassung zu folgen sein, wäre aber eine Vermögensmehrung i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 aus Gründen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 - EStG 1977 - (BGBl I 1976, 2.597, BStBl I 1976, 445) zu verneinen.

3. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 gehören u.a. Gewinnanteile nicht zu den Einnahmen i. S. des Satzes 1, soweit sie aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft stammen, für die Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 als verwendet gilt (kurz: aus dem EK 04 stammende Gewinnanteile). Die Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Bereich der "Einkünfte aus Kapitalvermögen". Sie ist jedoch auf Gewinnanteile nach Art des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1977 entsprechend anzuwenden, die aus einer zu einem Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung erzielt werden. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Verweisung in den Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 bis 7 f. EStG 1977 auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977. Dies gilt jedoch ebenso für die entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1977. Auch knüpft § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1977 nur an Bezüge i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG 1977 und nicht an gleichartige Betriebseinnahmen innerhalb der sog. Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1977) an. Die fehlende Verbindung wird auch nicht durch § 20 Abs. 3 EStG 1977 hergestellt, weil die Vorschrift nur eingreift, wenn Einnahmen zu den Gewinneinkünften gehören. Sie bestimmt jedoch nicht, ob Betriebseinnahmen vorliegen. Dennoch ist der Gesetzgeber "stillschweigend" von der entsprechenden Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 auch im Bereich der Gewinneinkünfte ausgegangen.

a) Dies ergibt sich einmal aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. So heißt es in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes (BTDrucks 7/1.470 S. 272) in bezug auf den später als § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 in Kraft getretenen § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Entwurf-EStG, daß die Transparenz, die durch die im Vierten Teil des KStG 1977 enthaltenen Vorschriften über die Ermittlung und Vereinheitlichung der Körperschaftsteuerbelastung auf Ausschüttungen entstanden ist, generell die Nichterfassung der Rückzahlung von Einlagen bei den Anteilseignern ermöglicht. Ausdrücklich wird auf die Gesetzesbegründung zu §§ 40 und 41 Entwurf-KStG Bezug genommen. Diese Vorschriften betreffen jedoch in erster Linie bzw. ausschließlich Beteiligungen, die in einem Betriebsvermögen gehalten werden. Der Bundesrat hat in seiner 401. Sitzung am 15. Februar 1974 zu § 55 Abs. 5 Entwurf-EStG (heute: § 20 Abs. 3 EStG 1977) eine Ergänzung dahin gefordert, daß "abweichend von den Absätzen 1 und 2 auch Ausschüttungen aus dem Nennkapital und aus dem Eigenkapital i. S. des § 33 Abs. 2 Nr. 4 Entwurf-KStG (heute: § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977) innerhalb der Einkünfte aus Gewerbe, aus freiberuflicher Tätigkeit und aus Land- und Forstwirtschaft als Betriebseinnahmen gelten" sollen (vgl. BTDrucks 7/1.722 S. 8). In der Begründung zu dem Änderungsvorschlag des Bundesrates heißt es, daß aus der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung des § 55 Abs. 5 Entwurf-EStG (heute: § 20 Abs. 3 EStG 1977) "bei wortgetreuer Auslegung zu folgern sei, daß Ausschüttungen zu Lasten des Eigenkapitals im Sinne des § 33 Abs. 2 Nr. 4 Entwurf-KStG (heute: § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977) bei diesem Steuerpflichtigen auch nicht zu den Betriebseinnahmen gehörten. Deshalb sei in § 55 Abs. 5 Entwurf-EStG eine klarstellende Ergänzung erforderlich". Diesem Antrag hat jedoch der Finanzausschuß des Bundestages nicht entsprochen (vgl. BTDrucks 7/5.303 S. 28 und BTDrucks 7/5.310 S. 20). Der Bundestag hat sodann die heute maßgebende Fassung des § 20 EStG 1977 in seiner Sitzung vom 10. Juni 1976 angenommen (vgl. BRDrucks 421/76 S. 25 ff.). Der Bundesrat hat dem vom Bundestag beschlossenen EStG 1977 am 25. Juni 1976 zugestimmt (vgl. BRDrucks 421/76).

b) Die entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 im Bereich der sog. Gewinneinkünfte ergibt sich darüber hinaus aus dem Gesamtzusammenhang, in den das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren gestellt ist. So verweist § 49 Abs. 1 KStG 1977 auf die Vorschrift des EStG 1977 (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1977) über die Anrechnung der Körperschaftsteuer. Es gehört jedoch zu den Grundprinzipien der Anrechnung der Körperschaftsteuer, daß diese die Einkünfte zunächst erhöht (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1977). Wenn deshalb § 49 Abs. 1 KStG 1977 als eine Vorschrift, die in erster Linie die Besteuerung sog. Gewinneinkünfte betrifft, auf § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1977 verweist, dann wäre es rechtssystematisch unverständlich, wenn diese Verweisung nicht auch eine solche auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1977 mitumfassen würde.

c) Schließlich ist auf § 50 Abs. 5 EStG 1977 hinzuweisen. Dessen Satz 3 ist nur auf dem Hintergrund der Vorstellung des Gesetzgebers verständlich, daß das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren auch dann anzuwenden ist, wenn die Gewinnanteile i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1977 als Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebes erzielt werden können. Für einen solchen Fall ist aber kein Grund zu erkennen, weshalb nur § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1977 und nicht auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 3 EStG 1977 anwendbar sein soll. Es kommt hinzu, daß in §§ 23 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, 24 Satz 3 Nr. 1 und 43 KStG 1977 von Körperschaften bzw. Körperschaften und Personenvereinigungen die Rede ist, deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 EStG gehören. Es gäbe keinen Sinn, wenn man bei Anwendung der Vorschriften dahin differenzieren würde, ob die Empfänger Gewinneinkünfte oder Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen. Die getroffenen Regelungen ergeben nur dann ein in sich geschlossenes System, wenn man davon ausgeht, daß lediglich Beteiligungserträge der Art nach und losgelöst von ihrer Ermittlung im Einzelfall gefordert werden. Dies bedeutet, daß die Verweisung auf § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 EStG auch für die sog. Gewinneinkünfte gilt.

d) Der erkennende Senat geht davon aus, daß der Gesetzgeber die in § 20 EStG 1977 zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren enthaltenen Regelungen insgesamt auf die sog. Gewinneinkünfte entsprechend angewendet wissen wollte, auch wenn diese Absicht in § 20 Abs. 3 EStG 1977 nur unvollkommen Ausdruck gefunden hat. Es reicht deshalb für die entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 aus, daß die Kapitalerträge der Art nach und isoliert betrachtet unter die Vorschrift fallen würden. Der Senat folgt damit im Ergebnis der heute ganz herrschenden Meinung (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 20 EStG, Grüne Blätter S. 9; Littmann/Bitz/ Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 20 EStG Rdnr. 154; Schmidt/Heinicke, EStG, 8. Aufl., § 20 Anm. 50b aa; Raupach, StbJB 1979/80 S. 423 ff., 433; ders. FR 1978, 570; Loos, DB 1977, 217; Wrede, StbJB 1977/78, 301; Sielaff, StbJB 1977/78, 301; a. A. Thiel, DB 1976, 1.495; unklar: Blümich/Stuhrmann, EStG, § 20 Rdnr. 346).

4. Zwar bauen die Gewinneinkünfte auf dem Grundsatz der Vollerfassung einer Beteiligung ihres Ertrags und ihrer Substanz nach auf. Jedoch besteht die Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 gerade darin, daß der aus dem EK 04 stammende Gewinnanteil als eine nicht steuerbare Einnahme zu behandeln ist. Die Vorschrift begründet nicht die Steuerfreiheit von Einkünften nach Art des § 3 EStG 1977. Die entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 kann deshalb im Bereich der Gewinneinkünfte nur dadurch vollzogen werden, daß der Buchwert der Beteiligung um die unter die Vorschrift zu subsumierende Dividende gemindert wird. Für die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1981 bedeutet dies, daß die der Klägerin in Höhe von 1.181.000 DM aus dem EK 04 zugeflossene Dividende steuerbilanzrechtlich nicht als eine Vermögensmehrung behandelt werden kann und deshalb auch nicht dem EK 02 zugeordnet werden darf. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 wirkt sich vielmehr über § 5 Abs. 4 EStG 1977 auf die Bewertung der Beteiligung im Betriebsvermögen aus. § 5 Abs. 4 EStG 1977 gebietet insoweit die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes. Ob dies auch dann gilt, wenn die Anwendung der Vorschrift zum Ansatz eines passiven Ausgleichspostens oder (steuerfreier bzw. steuerpflichtiger) Betriebseinnahmen führen würde, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

a) Die Rechtsfolge, daß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 keine "steuerfreien Einnahmen" begründet, ergibt sich einmal aus dem Wortlaut der Vorschrift. Dort heißt es, daß Bezüge, die aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft stammen, für die Eigenkapital i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 als verwendet gilt, "nicht zu den Einnahmen gehören". Diese Formulierung beinhaltet die Aussage, daß die angesprochenen Bezüge begrifflich nicht unter die Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG 1977 fallen. Hätte der Gesetzgeber "steuerfreie Einnahmen" begründen wollen, so hätte er zum Ausdruck bringen müssen, daß es sich zwar begrifflich um Einnahmen handelt, die jedoch aus sachlichen Gründen nicht zur Einkommensteuer herangezogen werden, d.h. steuerbefreit sein sollen (vgl. die Wortlaute z.B. der §§ 3 und 16 Abs. 4 EStG 1977).

b) Die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 getroffene Regelung entspricht dem der Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedanken. Danach soll die Dividende auf Grund der Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KStG 1977 als Rückzahlung von Eigenkapital der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft behandelt werden, das aus Einlagen gebildet wurde. Die Tatsache, daß das EK 04 nicht notwendigerweise nur aus Einlagen gebildet wird, ist dabei unerheblich, weil das KStG 1977 alle im EK 04 ausgewiesenen Beträge jedenfalls wie eine Einlage behandelt. Die Einlagenrückzahlung soll sich beim Gesellschafter ausschließlich in der Form einer Vermögensumschichtung vollziehen. Dazu schreibt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 vor, daß die Vermögensumschichtung steuerlich so zu behandeln ist, als werde das Nennkapital der Kapitalgesellschaft herabgesetzt und die Kapitalminderung dem Gesellschafter ausbezahlt oder als ob die Kapitalgesellschaft das Nennkapital im Rahmen ihrer Liquidation zurückzahlt. In beiden Fällen ist der Vermögenszugang beim Gesellschafter mit dessen Beteiligungs-Buchwert zu verrechnen. Entsprechendes soll für den aus dem EK 04 stammenden Gewinnanteil gelten. Veräußert der Anteilseigner später die Beteiligung, so ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes von Anschaffungskosten auszugehen, die um die zurückgezahlte Einlage gemindert wurden.

c) Die Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 durch den erkennenden Senat entspricht auch den übrigen Zielen des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens. Nach § 40 Nr. 1 KStG 1977 wird bei der Kapitalgesellschaft die Körperschaftsteuer nicht gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 erhöht. Gliederungsrechtlich wird die Rückzahlung einer Einlage angenommen. Damit korrespondiert die Annahme des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977, daß der Gesellschafter keine Einnahme erzielt. Die Dividende mindert jedoch den Beteiligungs-Buchwert. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligung in einem Privat- oder in einem Betriebsvermögen gehalten wird (mit der Maßgabe, daß bei Anteilen im Privatvermögen an die Stelle des Buchwerts die ursprünglichen Anschaffungskosten treten). Diese Minderung des Buchwerts wirkt sich jeweils bei einer Beteiligungsveräußerung auf den Veräußerungsgewinn erhöhend aus. Damit werden sowohl im Bereich des § 17 EStG als auch im gesamten Bereich der Gewinneinkünfte alle stillen Reserven steuerlich erfaßt, die sich in der Beteiligung gebildet haben. Würde man dagegen die aus dem EK 04 stammende Dividende als steuerfreie Einnahme des Anteilseigners behandeln, dann würden stille Reserven, die in dem Buchwert der Beteiligung enthalten sind, der steuerlichen Erfassung entzogen. Der Anteilseigner könnte die Dividende steuerfrei vereinnahmen und außerdem eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung vornehmen. § 3c EStG griffe in der Regel nicht ein (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 54-55/70, BFHE 104, 438, BStBl II 1972, 397). Selbst wenn die Teilwertabschreibung nicht in Betracht kommen sollte, würde im Falle der Veräußerung der Beteiligung ein Gewinn anzusetzen sein, der um die aus dem EK 04 stammende Dividende zu niedrig wäre. Damit würde der Anteilseigner neben der steuerfreien Vereinnahmung der Dividende einen dem Grunde nach gleich hohen weiteren Vorteil erzielen, der mit dem System des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens nicht beabsichtigt ist. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 will den Anteilseigner so behandeln, als werde die Dividende durch eine gleich hohe Minderung des Beteiligungswertes vermögensmehrungsmäßig ausgeglichen. Diese Vorstellung schließt die Annahme einer "steuerfreien Vermögensmehrung" aus.

d) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß als Folge der vom erkennenden Senat vertretenen Rechtsauffassung für die Zeit vor und nach dem 1. Januar 1977 unterschiedliche Rechtsfolgen gelten. Dies beruht jedoch auf dem Inkrafttreten des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1977 erst zum 1. Januar 1977. Entsprechendes gilt für die unterschiedliche Behandlung von zurückgezahlten Einlagen bei inländischen Kapitalgesellschaften einerseits und ausländischen andererseits. Die §§ 27 ff. KStG 1977 gelten nur für unbeschränkt steuerpflichtige (= inländische) Kapitalgesellschaften, weshalb die Dividende einer ausländischen Kapitalgesellschaft nie aus dem EK 04 stammen kann.

e) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Verwendung des EK 04 für eine Ausschüttung nichts darüber aussagt, ob tatsächlich eine Einlage zurückgezahlt werde. Darauf kommt es jedoch nicht an. § 28 Abs. 3 KStG 1977 bedient sich einer Fiktion. Es gehört aber zum Wesen einer jeden Fiktion, daß das Gesetz die Gleichbehandlung von an sich Ungleichem anordnet. Deshalb reicht es aus, daß die im EK 04 ausgewiesenen Vermögensmehrungen wie Einlagen steuerrechtlich behandelt werden sollen.

f) Der getroffenen Entscheidung steht § 182 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V. m. § 47 Abs. 2 KStG 1977 nicht entgegen. Das nach § 47 Abs. 2 KStG 1977 fingiert festzustellende "Einkommen" umfaßt nur die steuerpflichtigen Einkünfte. Schon deshalb kann sich die Bindungswirkung des § 182 AO 1977 auf die Zuordnung steuerfreier Einkünfte nicht erstrecken. Die steuerpflichtigen Einkünfte sagen ebensowenig etwas über "nicht steuerbare Vermögenszugänge" aus.

5. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Grundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klägerin erwirtschaftete im Streitjahr 1981 keine Vermögensmehrungen, die über den Betrag von 12 DM hinausgingen und i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 nicht der Körperschaftsteuer unterlagen. Deshalb ist ihr Klagebegehren, zum 31. Dezember 1981 ein EK 02 in Höhe von 1.181.012 DM festzustellen, unbegründet. Die Klage war abzuweisen.