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  BFH-Urteil vom 25.9.1990 (VII R 114/89) BStBl. 1991 II S. 201

1. Zur Wirksamkeit der Abtretung bei unvollständig ausgefüllter Abtretungsanzeige.

2. Wird dem FA die Abtretung angezeigt, so wird es bei Leistung an den Abtretungsempfänger grundsätzlich auch dann von seiner Erstattungsverpflichtung frei, wenn die Abtretungsanzeige nicht der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form entspricht.

AO 1977 § 46; BGB § 409 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Dem Antrag des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger), eines polnischen Arbeitnehmers, auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 war ein teilweise ausgefülltes und vom Kläger unterschriebenes Formular "Abtretungsanzeige/Verpfändungsanzeige" beigefügt. In der Anzeige wird die Firma K, für die der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig war, als Abtretungsempfänger/Pfandgläubiger benannt. Unter der Rubrik "Art des Anspruchs" ist nur das Kalenderjahr 1982 angegeben; Angaben zur Höhe des abgetretenen/verpfändeten Anspruchs und zum Abtretungsgrund/Verpfändungsgrund fehlen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) überwies den Erstattungsbetrag (1.454 DM) auf das in der Abtretungsanzeige/Verpfändungsanzeige angegebene Konto der Firma K.

Nachdem der Kläger Zahlung an sich beantragt hatte, erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, in dem es ausführte, der Erstattungsbetrag sei auf Grund der ihm vorliegenden Abtretungsanzeige mit befreiender Wirkung auf das darin angegebene Konto ausgezahlt worden. Die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage des Klägers hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte unter Änderung des Abrechnungsbescheids einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.454 DM zugunsten des Klägers fest.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -), mit dem das Bestehen eines Erstattungsanspruchs zu Gunsten des Klägers aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 verneint worden ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Erstattungsanspruch ist durch die Zahlung (Überweisung) des Erstattungsbetrages an die Firma K erloschen (§ 47 AO 1977). Zwar fehlt es an einer wirksamen Abtretung (Verpfändung) des Erstattungsanspruchs durch den Kläger an die Firma K, weil diese dem FA nicht in der vorgeschriebenen Form angezeigt worden ist (§ 46 Abs. 2 und 3, Abs. 6 Satz 3 AO 1977). Das FA ist aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - durch die Überweisung an die Firma K von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Kläger (§ 37 Abs. 1 und 2 AO 1977, § 42 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) frei geworden, weil der Kläger die angezeigte Abtretung (Verpfändung) gegen sich gelten lassen muß (§ 46 Abs. 5, Abs. 6 Satz 3 AO 1977).

1. Nach § 46 Abs. 1 AO 1977 können Ansprüche auf Erstattung von Steuern abgetreten und verpfändet werden. Die Abtretung wird jedoch steuerrechtlich erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt (§ 46 Abs. 2 AO 1977). Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Vorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 sind auf die Verpfändung sinngemäß anzuwenden (§ 46 Abs. 6 Satz 3 AO 1977). Die Abtretung oder Verpfändung des Lohnsteuererstattungsanspruchs des Klägers an die Firma K ist - wie das FG zutreffend entschieden hat - unwirksam, weil sie dem FA nicht in der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form angezeigt worden ist (§ 46 Abs. 2, Abs. 6 Satz 3 AO 1977).

a) Das FA ist im Streitfall von einer Abtretung des Erstattungsanspruchs ausgegangen. Aus der ihm vorliegenden Anzeige ergibt sich aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit, ob der Anspruch des Klägers abgetreten oder verpfändet worden ist, denn der für beide Fälle geltende amtlich vorgeschriebene Vordruck, der die Doppelbezeichnungen "Abtretungsanzeige/Verpfändungsanzeige", "Abtretender/Verpfänder", "Abtretungsempfänger/Pfandgläubiger" etc. enthält, ist nicht im Wege des Durchstreichens oder Unterstreichens auf den hier maßgeblichen Fall der Abtretung oder Verpfändung konkretisiert worden. Ferner ist die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige zwar auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck abgegeben worden; dieser ist aber nur unvollständig ausgefüllt. Von den in § 46 Abs. 3 AO 1977 für die formalisierte Anzeige vorgeschriebenen Angaben fehlen die Höhe des abgetretenen/verpfändeten Anspruchs sowie der Abtretungs- oder Verpfändungsgrund völlig; unter der Art des Anspruchs ist ohne Angabe der Steuerart nur das Kalenderjahr 1982 benannt. Damit fehlen wesentliche für die Wirksamkeit der Anzeige erforderliche Angaben.

b) Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige sei als einseitige empfangsbedüftige Willenserklärung der Auslegung fähig, wobei der tatsächliche Wille des Ausstellenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und maßgebend sei, was bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Vorgangs für den Erklärungsempfänger (FA) erkennbar sei. Dabei soll es genügen, daß Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs bestimmbar sind und der Abtretungsgrund sich aus den Umständen ergibt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 46 AO 1977 Tz. 4 d; Schwarz, Abgabenordnung, § 46 Anm. 12 a). Für den Streitfall wäre es danach denkbar, die fehlende Angabe der Art des (Steuererstattungs) Anspruchs in Verbindung mit der Angabe "Kalenderjahr 1982" daraus zu entnehmen, daß die Anzeige dem Antrag des Klägers auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 beigefügt war. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs kommt es darauf an, ob der Erstattungsbetrag vollständig oder nur zu einem Teilbetrag abgetreten (verpfändet) worden ist. Hier könnte man die Auffassung vertreten, daß das FA mangels gegenteiliger Angabe von der Abtretung des Gesamtbetrages ausgehen kann. Ebenso könnte im Zweifel, wenn die Unterscheidung zwischen Abtretung und Verpfändung in dem eingereichten Anzeigevordruck nicht deutlich getroffen worden ist, von dem Regelfall der Abtretung ausgegangen werden, wie auch das FA im Streitfall die Anzeige des Klägers ausgelegt hat.

Problematisch erscheint indessen die Bestimmung des Abtretungs-/Verpfändungsgrundes aus den Gesamtumständen des Falles (insoweit aber sehr weitgehend Schwarz, a.a.O., § 46 Anm. 12 a am Ende),selbst wenn man im Streitfall dem Vorbringen des Klägers entsprechend den Hinweis im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich, daß die Firma K die Lohnsteuer des Klägers übernommen und entrichtet habe, bei der Auslegung der Anzeige mitberücksichtigt. Denn die Frage nach dem Abtretungsgrund steht im Zusammenhang mit den Regelungen in § 46 Abs. 4 AO 1977 (vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu § 159 der Reichsabgabenordnung - AO - im Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes in BTDrucks 7/2852 S. 47), wonach der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungsansprüchen mit Ausnahme der Sicherungsabtretung an Banken unzulässig ist. Ob im Streitfall eine Sicherungsabtretung oder ein geschäftsmäßiger Erwerb des Erstattungsanspruchs durch die Firma K vorlag, konnte das FA auch dem oben genannten Hinweis im Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag des Klägers nicht entnehmen. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob hinsichtlich der im einzelnen fehlenden Angaben zur Art und Höhe des Anspruchs, sowie der Frage der Abtretung oder Verpfändung eine ergänzende Auslegung der Anzeige, wie oben angedeutet, in Betracht kam. Er gelangt mit dem FG zu dem Ergebnis, daß wegen der Vielzahl der fehlenden Angaben im Anzeigevordruck die Abtretung oder Verpfändung des Erstattungsanspruchs des Klägers nicht wirksam geworden ist. Das FA wäre somit berechtigt gewesen, die Erstattung an die Firma K abzulehnen.

2. Das FA hat aber im Hinblick auf die ihm vorgelegte Abtretungs-/Verpfändungsanzeige den Erstattungsbetrag an die Firma K ausgezahlt. Hierzu war es nach § 46 Abs. 5 AO 1977 befugt.

a) Nach dieser Vorschrift müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO 1977 nichtig ist. § 46 Abs. 5 AO 1977 ist auf die Verpfändung sinngemäß anzuwenden (§ 46 Abs. 6 Satz 3 AO 1977). Die Regelung entspricht § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. auch das Erfordernis der Anzeige der Verpfändung einer Forderung nach § 1280 BGB) und dient wie diese dem Schuldnerschutz. Während die in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige die Abtretenden - insbesondere Lohnsteuerpflichtige - davor schützen soll, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten, und sie zugleich dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern soll (BTDrucks 7/2852 S. 47 und Urteil des Senats vom 25. Juni 1985 VII R 195/82, BFHE 144, 2, 5, BStBl II 1985, 572, mit weiteren Nachweisen), soll § 46 Abs. 5 AO 1977 die Finanzbehörden vor einer erneuten Zahlungsverpflichtung für die Fälle schützen, in denen zwar eine Abtretung angezeigt wird, aber tatsächlich nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO 1977 nichtig ist (BTDrucks 7/2852 S. 47). Dem FA soll es dabei erspart werden, zu prüfen, ob die Abtretung (Verpfändung) wirksam geworden ist (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 46 AO 1977 Anm. 31).

Aus dem Schutzzweck des § 46 Abs. 5 AO 1977 folgt, daß das FA, dem die Abtretung angezeigt worden ist und das an den Abtretungsempfänger gezahlt hat, auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Abtretenden frei wird, wenn die Abtretungsanzeige nicht der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form entspricht (ebenso: Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 46 Anm. 7). Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß nur das Vorliegen einer wirksamen formalisierten Abtretungsanzeige die Wirkungen des § 46 Abs. 5 AO 1977 auszulösen vermöge. Nach dem Wortlaut der Vorschrift greift der Schuldnerschutz ein, auch wenn die angezeigte Abtretung "nicht erfolgt oder nicht wirksam oder .... nichtig ist". Die Unwirksamkeit der Abtretung kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 auch daraus ergeben, daß die Anzeige nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthält (vgl. Schwarz, a.a.O., Anm. 20 und Urteil des Senats vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223, 224).

Im Schrifttum wird demgegenüber zum Teil die Ansicht vertreten, daß § 46 Abs. 5 AO 1977 seine Schutzwirkung nur für die Abtretung, also den Verfügungsvertrag zwischen dem Gläubiger des Erstattungsanspruchs und dem Dritten entfalte, die Vorschrift aber nicht eingreife, wenn die Anzeige der Abtretung fehlerhaft sei (Urban, Anzeige der Abtretung nach § 46 Abs. 2 AO und Schutzwirkung des § 46 Abs. 5 AO, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1980, 329, 330, Halaczinsky, Wirksamkeit von Pfändung und Abtretung im Steuerrecht, Betriebs-Berater - BB - 1981, 1270, 1273). Da aber die Schuldnerschutzregelung hinsichtlich der Rechtsgründe, aus denen die Abtretung nicht wirksam ist, keinerlei Einschränkungen enthält, ist diese Auffassung abzulehnen. Eine den Schuldnerschutz auslösende Anzeige der Abtretung kann somit auch dann vorliegen, wenn diese nach § 46 Abs. 3 AO 1977 unvollständig und fehlerbehaftet ist. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung der Vorschrift (früher § 159 Abs. 4 AO), in der es heißt: "Da das Lohnsteuerverfahren ein Massenverfahren ist, das im Interesse der redlichen Steuerzahler ohne zeitliche Verzögerung abgewickelt werden muß, ist den Finanzbehörden die eingehende Überprüfung der Wirksamkeit einer eingegangenen Abtretungserklärung nicht zuzumuten" (BTDrucks 7/2852 S. 47). Würde sich dagegen, wie das FG meint, der Schuldnerschutz darauf beschränken, daß dem FA nur erspart bleibt, das hinter der Abtretungsanzeige stehende Rechtsgeschäft (Abtretungsvertrag, § 398 BGB) auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, so wäre § 46 Abs. 5 AO 1977 nahezu ohne Bedeutung; denn eine solche materiell-rechtliche Prüfung ist dem FA ohnehin kaum möglich. Das FA konnte also im Streitfall ohne Überprüfung der Vollständigkeit der Abtretungsanzeige den Erstattungsbetrag an den Abtretungsempfänger auszahlen und sich gegenüber dem Zahlungsanspruch des Klägers auf § 46 Abs. 5 AO 1977 berufen. Für den Fall der Verpfändung gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß (§ 46 Abs. 6 Satz 3 AO 1977, § 1282 Abs. 1 i.V.m. § 1228 Abs. 2 BGB).

b) Die vorstehende Gesetzesauslegung kollidiert nicht - wie das FG meint - mit der Schutzfunktion des § 46 Abs. 3 AO 1977 zu Gunsten der oft unerfahrenen Lohnsteuerpflichtigen. Sie entspricht vielmehr dem ebenfalls mit der formalisierten Abtretungsanzeige verfolgten Zweck, dem FA im Zusammenhang mit der Abtretung der Erstattungsbeträge die Arbeit zu erleichtern (vgl. BTDrucks 7/2852 S. 47; Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977, Tz. 4 a). Der Schutz der Abtretenden wird dadurch erreicht, daß § 46 Abs. 3 AO 1977 für die Abtretungsanzeige die Verwendung eines amtlich vorgesehenen Vordrucks bestimmt, der warnende Hinweise enthält, die den Steuerpflichtigen vor unüberlegten Abtretungen schützen sollen. Das wird dadurch gewährleistet, daß der Anzeigevordruck von dem Abtretenden zu unterschreiben ist (§ 46 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) bzw. dessen Kenntnisnahme von dem Vordruck und den darin enthaltenen Warnhinweisen auf andere Weise nachgewiesen werden muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1982 VI R 205/81, BFHE 137, 150, BStBl II 1983, 123). Die vollständige Ausfüllung des Anzeigevordrucks mit den in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgesehenen Angaben dient dagegen der zügigen Bearbeitung des Erstattungs- und Abtretungsvorgangs durch das FA. Der Abtretende wird in den Hinweisen zur Abtretung ausdrücklich davor gewarnt, ein Formular zu unterschreiben, das nicht ausgefüllt ist und dessen Inhalt er nicht versteht. Ferner wird er darauf hingewiesen, daß das FA selbst dann mit schuldbefreiender Wirkung an den angezeigten Abtretungsempfänger leisten darf, wenn die angezeigte Abtretung unwirksam ist. Wenn er trotz dieser Hinweise nicht dafür sorgt, daß das von ihm unterschriebene Abtretungsformular sorgfältig ausgefüllt ist, ist er insoweit nicht schutzwürdig. Die Schutzfunktion, die die formalisierte Abtretungsanzeige für den Abtretenden hat, muß in diesem Falle jedenfalls zurücktreten gegenüber dem Schuldnerschutz zugunsten der Finanzbehörde nach § 46 Abs. 5 AO 1977.

c) Zu der Schuldnerschutzvorschrift des § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB vertritt die Rechtsprechung und herrschende Meinung die Auffassung, daß der Schuldner, dem die Abtretung angezeigt worden ist, bei Leistung an den Abtretungsempfänger selbst dann frei wird, wenn er positiv weiß, daß die Abtretung nicht oder nicht wirksam erfolgt ist (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl., § 409 Anm. 2 b, bb; Roth in Münchner Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl., § 409 Rdnr. 2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber im Steuerrecht den Schuldnerschutz des FA nach § 46 Abs. 5 AO 1977 gegenüber der Schutzwirkung des § 409 BGB, die ihm als Vorbild diente, nicht einschränken wollte.

In Anlehnung an kritische Stimmen im zivilrechtlichen Schrifttum, nach denen der Schutz des § 409 BGB in bestimmten Fällen doch entfallen soll, so wenn die fehlende Legitimation des Scheinberechtigten offen zu Tage liegt, die angebliche Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (Palandt/Heinrichs, a.a.O.) oder die Anzeige - was im Falle des § 46 Abs. 3 AO 1977 nicht möglich wäre - bloß mündlich erfolgt ist (Roth, a.a.O.), wird aber auch in der steuerrechtlichen Literatur für bestimmte Ausnahmefälle eine einschränkende Auslegung der Schutzwirkung des § 46 Abs. 5 AO 1977 gefordert. Es wird die Auffassung vertreten, daß die Finanzbehörde bei positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Abtretung bzw. der Unrichtigkeit der Anzeige nicht des Schutzes des § 46 Abs. 5 AO 1977 bedürfe (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 46 AO 1977 Anm. 32; Schuhmann, Die Abtretung des Anspruchs auf Steuererstattung, § 46 AO 1977, Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14. Steuerrecht, D Abgabenordnung II B 46, S. 606). In diesen Fällen soll die Leistung des FA an den materiell nicht berechtigten Abtretungsempfänger und die Berufung auf § 46 Abs. 5 AO 1977 ermessensfehlerhaft sein (Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 7; Kühn/Kutter/ Hofmann, Abgabenordnung, 15. Aufl., § 46 Anm. 3; Schwarz, a.a.O., § 46 Anm. 20; Urban, DStZ 1980, 329, 330; Halaczinsky, BB 1981, 1270, 1273). Der Finanzbehörde wird nach dieser Auffassung die Schutzwirkung des § 46 Abs. 5 AO 1977 aber nur dann versagt, wenn sie eindeutige Kenntnis von den Tatsachen hat, die die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Abtretung begründen. Das bedeutet nicht, daß die Behörde zur Überprüfung der Abtretungsanzeige bei auftretenden Zweifeln verpflichtet wäre (vgl. Offerhaus, Schuhmann, Schwarz, a.a.O.; ebenso die o.a. Gesetzesbegründung zu § 159 Abs. 4 AO).

Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob der Schuldnerschutz nach § 46 Abs. 5 AO 1977 auch dann entfällt, wenn die Finanzbehörde positiv weiß, daß die ihr vorgelegte Abtretungsanzeige nicht der nach § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form entspricht. Im Streitfall kann nach den Feststellungen des FG und den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (Abrechnungsbescheid, Einspruchsentscheidung) nicht davon ausgegangen werden, daß das FA bei der Auszahlung an die Firma K eindeutige Kenntnis davon hatte, daß die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige wegen unvollständiger Ausfüllung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entsprach und das FA erkannt hat, daß die Abtretung deshalb unwirksam war. Dem FA war - wie oben ausgeführt - im Lohnsteuermassenverfahren eine eingehende Prüfung und Auslegung der Anzeige nach den §§ 133, 157 BGB - wie sie der Senat im Revisionsverfahren vorgenommen hat - nicht zuzumuten. Es konnte sich nach Zahlung an die Firma K gegenüber dem Erstattungsanspruch des Klägers nach § 46 Abs. 5 AO 1977 darauf berufen, daß es von seiner Leistungspflicht frei geworden war.