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  BFH-Beschluß vom 20.12.1990 (VII B 255/90) BStBl. 1991 II S. 267

Nach § 15 StBerO der DDR - gültig bis zum 31. Dezember 1990 - konnten von der Steuerberaterprüfung nur die in Absatz 2 der Vorschrift abschließend aufgezählten Personen befreit werden. Eine extensive Auslegung der Befreiungsregelung auf andere Berufsträger mit hauptberuflicher Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

StBerO (DDR) §§ 15, 17; StBerG § 38; Einigungsvertragsgesetz; GG Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1; FGO § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3; ZPO § 920 Abs. 2.

Sachverhalt

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erwarb nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftspädagogik in 1977/1978 die akademischen Grade eines Diplom-Kaufmanns und eines Diplom-Handelslehrers. Seit dieser Zeit hat er verschiedene berufliche Tätigkeiten mit betriebswirtschaftlichem und steuerrechtlichem Einschlag in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ausgeübt. Seit Juli 1990 ist er im ehemaligen Berlin-Ost tätig. Am 2. Oktober 1990 wurde ihm die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verliehen. Der Antragsteller begehrt die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater gemäß §§ 17 Abs. 1, 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 der Verordnung über die Hilfeleistung in Steuersachen (Steuerberatungsordnung - StBerO -) der DDR vom 27. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR vom 27. Juli 1990). Die zuständige Verwaltungsbehörde (Antragsgegner und Beschwerdegegner - Antragsgegner -) hat über seinen Antrag noch nicht entschieden.

Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung vorläufig zum Steuerberater zu bestellen, abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung seinem beim FG gestellten Antrag zu entsprechen.

Der Senat sieht sich wegen der besonderen Eilbedürftigkeit einer Entscheidung, auf die sich der Antragsteller beruft, nicht daran gehindert, über die unmittelbar beim Bundesfinanzhof (BFH) angebrachte Beschwerde (§ 129 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu entscheiden, obwohl ihm eine Entscheidung des FG über die Abhilfe (§ 130 Abs. 1 FGO) noch nicht vorliegt (vgl. hierzu auch BFH-Beschluß vom 22. Juni 1988 IV B 79/88, BFH/NV 1989, 509). Die Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung folgt daraus, daß eine prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater auf dem vom Antragsteller erstrebten Wege nach den §§ 17, 15 StBerO nach Ablauf des 31. Dezember 1990 nicht mehr möglich wäre, so daß bei weiterem Zuwarten mit der Beschwerdeentscheidung die Gefahr besteht, daß der vom Antragsteller gestellte Rechtsschutzantrag ins Leere geht. Denn nach dem Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertragsgesetz - vom 23. September 1990 (BStBl I 1990, 654 ff.), Anlage 1 Kapitel 4, Sachgebiet B Abschn. II Nr. 8 und Nr. 9 sind - wie schon das FG zutreffend ausgeführt hat - die Rechtsvorschriften der DDR auf dem Gebiet des Steuerberatungsrechts - StBerO - nur noch anzuwenden bis zum 31. Dezember 1990, da am 1. Januar 1991 auch in den neuen Bundesländern das Steuerberatungsgesetz (StBerG) in Kraft tritt.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Wie das FG zu Recht entschieden hat, kann die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung (hier nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht erlassen werden, weil der Antragsteller keinen (Anordnungs-)Anspruch (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) auf prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater hat. Ein solcher Anspruch setzt nach § 17 Abs. 1 StBerO die bestätigte Befreiung von der Prüfung voraus. Gemäß § 15 Abs. 1 StBerO sind von der Steuerberaterprüfung diejenigen Bewerber zu befreien, die die Voraussetzungen des § 14 StBerO erfüllen und als Hochschulabsolventen (Nr. 1) - wie der Antragsteller - mindestens eine sechsjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nachweisen. Nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 2 StBerO üben eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens aus: 1. praktizierende Helfer in Steuersachen, die über eine Zulassung gemäß § 107a der Abgabenordnung verfügen, 2. ehemalige verantwortliche und leitende Mitarbeiter der VEB Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane, 3. Steuerbevollmächtigte gemäß § 19 dieser Verordnung. Da der Antragsteller zu diesem abschließend aufgezählten Personenkreis nicht gehört, kann ihm die Befreiung von der Prüfung nicht bestätigt werden.

Das FG hat ausgeführt, daß eine "verfassungskonforme" Auslegung des § 15 Abs. 2 StBerO in dem vom Antragsteller verstandenen Sinne, wonach die gesetzliche Voraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens auch durch eine anders geartete Berufstätigkeit, wie sie z.B. der Antragsteller ausgeübt hat, erfüllt werden könne, gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht möglich ist. Der Senat hält diese Auslegung des Gesetzes angesichts der abschließenden und eindeutigen Regelung, für welchen Personenkreis im Hinblick auf die Befreiung von der Steuerberaterprüfung eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens angenommen werden soll, für zutreffend. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des FG Bezug.

Ferner folgt der Senat dem FG auch darin, daß die Regelung des § 15 Abs. 2 StBerO in der vorstehend dargelegten Auslegung, die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 (Freiheit der Berufswahl) und Art. 3 Abs. 1 (Gleichheitsgrundsatz) des Grundgesetzes (GG) nicht verletzt, ohne daß damit abschließend über die Frage der Vereinbarkeit von vorübergehend fortgeltendem DDR-Recht mit dem GG entschieden zu werden braucht (vgl. hierzu Art. 143 GG i.d.F. des Einigungsvertragsgesetzes, Kapitel II Art. 4 Nr. 5). Auch insoweit wird auf die Begründung der Vorentscheidung Bezug genommen.

Mit dem FG sieht der Senat den Sinn der Befreiungsregelung des § 15 StBerO darin, daß nur solche Personen prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden sollen, die in der ehemaligen DDR bereits steuerberatend oder auf ähnlichem Gebiet beruflich tätig waren. Wenn nicht jede für die vorgeschriebene Dauer ausgeübte hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens zur Freistellung von der Prüfung führt, so entspricht die Regelung insoweit dem § 38 StBerG, nach dem unabhängig von der fachlichen Qualifikation der sonstigen Bewerber ebenfalls nur bestimmte Berufsträger (Professoren, Finanzrichter, Beamte der Finanzverwaltung etc.) von der Steuerberaterprüfung befreit werden können. Da die Bestellung zum Steuerberater sowohl nach dem StBerG als auch nach der StBerO grundsätzlich an die Ablegung der Prüfung gebunden ist, handelt es sich bei beiden Befreiungsregelungen um Ausnahmevorschriften, die von vornherein auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt sind und deshalb nicht extensiv ausgelegt werden dürfen (vgl. Urteil des Senats vom 4. November 1986 VII R 40/84, BFH/NV 1987, 125). Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu der entsprechenden Befreiungsvorschrift des StBerG (dort § 8 StBerG 1972) entschieden hat, stand dem Gesetzgeber bei der Regelung der Befreiung von der Steuerberaterprüfung eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Er war hierbei im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Regelung weder an die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG gebunden noch hat er damit den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (BVerfG-Beschluß vom 18. November 1980 1 BvR 228/73, 1 BvR 311/73, BStBl II 1981, 235, 239, 240). Das gilt auch für die hier streitbefangene Befreiungsvorschrift des § 15 StBerO.

Im übrigen bemerkt der Senat zu den Einwendungen der Beschwerde folgendes:

Es muß für den Streitfall nicht geprüft werden, ob der Begriff der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in § 14 StBerO (Voraussetzungen für die Prüfungen) im gleichen Sinne zu verstehen ist wie in § 15 StBerO. Selbst wenn für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung von einer weiteren Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals auszugehen ist, so daß die bisherige Berufstätigkeit des Antragstellers ihr unterfällt, so führt dies nicht zwingend zur Befreiung von der Prüfung, da diese in § 15 Abs. 2 StBerO nur für den Fall der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens von Angehörigen bestimmter in der DDR ausgeübter Berufe vorgesehen ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die einschränkende Definition des § 15 Abs. 2 StBerO auch auf die Zulassung zur Steuerberaterprüfung in sinnvoller Weise Anwendung finden könnte.

Ferner ist es unerheblich, ob die prüfungsfreie Bestellung von Personen nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 StBerO - ehemalige verantwortliche und leitende Mitarbeiter der VEB Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane - zu Steuerberatern unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Qualifikation und politischen Vergangenheit - wie der Antragsteller vorträgt - sachwidrig und verfassungswidrig ist. Auch wenn dies zu bejahen wäre, könnte der Antragsteller daraus nicht seinerseits einen Anspruch auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung herleiten. Auch § 38 StBerG stellt - wie oben ausgeführt - für die Freistellung von der Prüfung nicht auf die tatsächliche berufliche Qualifikation des Bewerbers auf dem Gebiet des Steuerwesens, sondern auf formale berufliche Kriterien ab, ohne daß dies von der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH beanstandet worden ist.

Da der Antragsteller die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 StBerO nicht erfüllt, hat er keinen Anspruch auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung. Es kann dahinstehen, ob der begehrte Erlaß der einstweiligen Anordnung auch deshalb hätte abgelehnt werden müssen, weil er nicht wirksam einen Wohnsitz im Geltungsbereich der StBerO begründet hat, wie dies für die Prüfungsfreistellung zusätzlich in § 15 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 StBerO vorausgesetzt wird. Aus demselben Grunde kann auch unerörtert bleiben, ob der Antragsteller mit dem Hinweis auf den Wegfall der Regelungen über die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater nach den §§ 17, 15 StBerO zum 31. Dezember 1990 den für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung notwendigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 ZPO).