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  BFH-Urteil vom 28.11.1990 (VI R 56/90) BStBl. 1991 II S. 298

Wurde in einem Arbeitsvertrag ein Zuschlag für monatlich 80 Stunden Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit von 4,38 DM je Stunde = 350 DM vereinbart, so braucht der Arbeitnehmer den Nachweis dafür, daß er monatlich die 80 Stunden zu diesen Zeiten tatsächlich gearbeitet hat, nicht zwingend durch Abrechnung mit dem Arbeitgeber zum Jahresschluß zu erbringen. Er kann sich hierzu auch anderer Beweismittel, wie z.B. des der Aussage von Zeugen, bedienen.

EStG 1977/1980 § 3b.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war in den Streitjahren 1979 bis 1981 einziger Geschäftsführer eines Hotels. Er erhielt nach dem Gehaltsvertrag vom 1. Juli 1976 neben seinem Grundgehalt monatlich - bis auf den Urlaubsmonat - eine Vergütung für monatlich 80 Stunden Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in Höhe von 350 DM entsprechend einem Zuschlagssatz von 4,38 DM je Stunde, der nach § 3 des Tarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe auf der Grundlage von 40 v.H. des sich nach dem Grundlohn ergebenden Stundenlohns berechnet worden war. Der verstorbene Ehemann der Klägerin arbeitete zur Nachtzeit, führte aber keine Aufzeichnungen über die von ihm tatsächlich geleistete Nachtarbeit. Die Nachtarbeitszuschläge wurden nicht der Lohnsteuer unterworfen.

Aufgrund von Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1979 bis 1981 und erhöhte den steuerpflichtigen Arbeitslohn um die steuerfrei gelassenen Zuschläge für Nachtarbeit von 3.850 DM in den Jahren 1979 und 1980 und um 2.800 DM im Jahre 1981. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u.a. aus:

Nach § 3b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1977/1980 (EStG) seien tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gewährt würden, steuerfrei. Nach dem Gehaltsvertrag zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und seinem Arbeitgeber sei ein monatlich gleichbleibender Zuschlag für Nachtarbeit nach § 3 des Tarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe neben dem monatlichen Grundlohn gezahlt worden. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe auch tatsächlich Nachtarbeit geleistet. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß er täglich - bis auf ein freies Wochenende im vierzehntägigen Rhythmus - in der Zeit von 20 Uhr bis mindestens 24 Uhr als Geschäftsführer im Hotel gearbeitet habe. Sowohl nach Aussagen der damaligen Buffetdame des Restaurantes, der Zeugin L, als auch nach den Bekundungen des Sohns der Klägerin habe ihr verstorbener Ehemann sogar mehr als die bei Bemessung des Zuschlags zugrunde gelegten 80 Stunden Nachtarbeit erbracht.

Der Steuerfreiheit der Zuschläge stehe nicht entgegen, daß der verstorbene Ehemann der Klägerin mit seinem Arbeitgeber keine jährlichen Abrechnungen über die Zuschläge erstellt habe. Eine solche Verrechnung, wie sie im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 12. März 1981 IV B 6 - S 2343 - 5/81 (Betriebs-Berater - BB - 1981, 541 = Finanz-Rundschau - FR - 1981, 172) gefordert werde, sei nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht Voraussetzung für die Steuerfreiheit. Tägliche Anschreibungen über die jeweils geleistete Nachtarbeit sowie periodische Abrechnungen mit dem Arbeitgeber dienten zwar der Beweiserleichterung über die tatsächlich erbrachte Nachtarbeit. Sie seien aber nicht erforderlich, wenn ein solcher Nachweis in anderer Weise - wie hier durch Zeugenaussagen - erbracht werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 1988 VI R 20/84 (BFH/NV 1988, 496).

Gegen dieses Urteil hat das FA Revision eingelegt. Es rügt die unzutreffende Anwendung des § 3b EStG und bringt u.a. vor:

Das FG sei von dem vorgenannten Urteil des BFH in BFH/NV 1988, 496 abgewichen. Der BFH habe dort hervorgehoben, daß die Nachtarbeitsstunden anhand von Einzelauflistungen der Gehaltsabrechnung des Streitjahrs zugrunde zu legen seien, weil nur durch eine solche Verfahrensweise sichergestellt werden könne, daß im Jahr nur die Zuschläge steuerbefreit blieben, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit gezahlt worden seien. Auf einen späteren, nicht zeitgerechten Ausweis komme es nicht an. Dieses Verfahren sei mithin stets, so auch hier, durchzuführen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Denn das FG konnte ohne Rechtsverstoß die dem verstorbenen Ehemann der Klägerin in den Streitjahren 1979 bis 1981 zugeflossenen Zuschläge für Nachtarbeit als steuerfrei behandeln.

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind u.a. tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei. Die Zuschläge müssen in dem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt sein. Nach Abs. 3 Nr. 1 dieser Vorschrift gilt als Grundlohn, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem jeweiligen Lohnzahlungszeitraum an laufenden Geld- und laufenden Sachbezügen zusteht. Dieser Betrag ist auf einen Stundenlohn umzurechnen.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall für gegeben erachtet.

1. Nach dem Gehaltsvertrag vom 1. Juli 1976 erhielt der verstorbene Ehemann der Klägerin in den Streitjahren 1979 bis 1981 neben dem monatlichen Grundlohn für jede geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunde gemäß § 3 LTV einen Zuschlag von 40 v.H. auf den tariflichen Stundenlohn. Der Stundenlohn betrug nach diesem Vertrag bei achteinhalbstündiger täglicher Arbeitszeit und einem Lohn von 2.424 DM 10,96 DM je Stunde. 40 v.H. dieses Stundenlohns, nämlich 4,38 DM x 80 Stunden, ergibt einen monatlichen Zuschlag von 350 DM. Nach den vom FA nicht angegriffenen Feststellungen des FG hat der verstorbene Ehemann der Klägerin in den Streitjahren nicht an Sonn- und Feiertagen, sondern lediglich zu Nachtzeiten gearbeitet. Der Zuschlag wurde daher ausschließlich für Nachtarbeit i.S. des § 3 LTV gewährt. Nach dieser tarifvertraglichen Regelung betrug der Zuschlag für Nachtarbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens für dauernde Nachtarbeit 40 v.H. auf den tariflichen Stundenlohn.

Wie der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1988, 496 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile vom 15. Dezember 1967 VI 159/65, BFHE 91, 246, BStBl II 1968, 274; vom 3. Mai 1974 VI R 211/71, BFHE 112, 478, BStBl II 1974, 646, und vom 26. Oktober 1984 VI R 199/80, BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57) betont hat, kann die Steuerfreiheit nach § 3b EStG entsprechend dem Wortlaut dieser Vorschrift nur auf solche Zuschläge Anwendung finden, durch die tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bezahlt worden sind.

Im Streitfall hat der verstorbene Ehemann der Klägerin nach den Feststellungen des FG, die vom FA nicht angegriffen wurden und an die der Senat daher gebunden ist, entsprechend dem Gehaltsvertrag vom 1. Juli 1976 monatlich tatsächlich mindestens 80 Stunden Nachtarbeit erbracht. Das FG hat die Aussagen der von ihm vernommenen ehemaligen Buffetdame des Hotels, der Zeugin L, als auch die des Sohnes der Klägerin dahin gewürdigt, daß der verstorbene Ehemann der Klägerin in den Streitjahren 1979 bis 1981 monatlich mehr als 80 Stunden Nachtarbeit in der Zeit von 20 Uhr abends bis nach Mitternacht tatsächlich geleistet hat. Diese Würdigung ist rechtlich möglich. Der Senat ist an sie gebunden, da auch diese Feststellungen vom FA nicht angegriffen wurden. Wie insbesondere die Zeugin L bekundet hat, war das Restaurant, in dem der verstorbene Ehemann der Klägerin tätig war, bis 24 Uhr geöffnet. Als die Zeugin ihren Dienst um 16 Uhr jeweils begann, war der verstorbene Ehemann der Klägerin im Restaurant bereits anwesend. Er rechnete nach 24 Uhr mit den Kellnern ab und erledigte anschließend noch weitere Arbeiten.

2. Die Entscheidung des FG widerspricht nicht dem vorgenannten Urteil des Senats in BFH/NV 1988, 496, da diese Entscheidung einen anderen Sachverhalt betraf. Dort hatte der Kläger an Sonn- und Feiertagen sowie bei Nacht gearbeitet und es waren ihm dafür die nach dem Manteltarifvertrag vorgesehenen Pauschalzuschläge unabhängig von den von ihm im Streitjahr tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden gezahlt worden. Zweifelhaft war dort, ob die monatlichen Auflistungen des Arbeitgebers vom letzteren zum Jahresende der Gehaltsabrechnung zugrunde gelegt wurden und ob somit ggf. zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterworfen wurden. Der Senat hat in jener Entscheidung sich insoweit auf das Schreiben des BMF vom 12. März 1981 (a.a.O.) bezogen und die dort genannte Verfahrensweise auch für die Jahre vor 1981 für beachtenswert gehalten. Hiernach können Zuschläge dieser Art nach § 3b EStG steuerfrei belassen werden, wenn sie praktisch als Abschlagszahlung oder Vorschuß geleistet werden und eine Verrechnung mit den einzeln ermittelten Zuschlägen jeweils vor Erstellung der Lohnsteuer-Bescheinigungen, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres, erfolgen. Stimmt die Summe der Pauschalzahlungen mit der Summe der für den in Betracht kommenden Zeitraum ermittelten steuerfreien Zuschläge nicht überein, so ist dann, wenn der Arbeitnehmer weniger zuschlagspflichtige Stunden geleistet hat, als durch die Pauschalzahlungen abgegolten sind und keine Rückzahlung erfolgt, die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen.

Wie der Senat im vorgenannten Urteil hervorgehoben hat, soll diese Verwaltungsregelung sicherstellen, daß - im Jahr - nur die Zuschläge steuerfrei bleiben, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind. Die nachträglich am Ende des Kalenderjahres vorzunehmende Verrechnung mit den einzeln ermittelten Zuschlägen soll - wie erwähnt - gewährleisten, daß die Zuschläge für solche Stunden nachträglich der Lohnbesteuerung unterworfen werden, die der Arbeitnehmer weniger geleistet hat, als sie durch die Pauschalzahlung abgegolten wurden. An diesen Grundsätzen hat der Senat in dem Urteil vom 28. November 1990 VI R 90/87 (BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293) ausdrücklich festgehalten.

Der vorliegende Streitfall unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Senats in BFH/NV 1988, 496 zugrunde gelegen hat, dadurch, daß hier keine Pauschalzuschläge, sondern 80 Stunden Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit einem zusätzlichen Stundenlohn von 4,38 DM = 350 DM monatlich vereinbart worden waren. Aufgrund der vom FA nicht angegriffenen Beweiswürdigung durch das FG steht fest, daß der verstorbene Ehemann der Klägerin monatlich mehr als 80 Arbeitsstunden in diesen Zeiten geleistet hat, die der Berechnung des Nachtarbeitszuschlags im Gehaltsvertrag vom 1. Juli 1976 zugrunde gelegt worden waren. Die monatliche Zahlung des Zuschlags von 350 DM war somit nicht eine Abschlagszahlung oder ein Vorschuß auf tatsächlich geleistete Nachtarbeit, sondern eine abschließende Entlohnung von 80 Stunden Nachtarbeit, wobei die Beteiligten davon ausgingen, daß diese Stundenzahl monatlich stets erreicht wurde.

Aus § 3b EStG sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die vom FG getroffene Feststellung, wonach der verstorbene Ehemann der Klägerin monatlich tatsächlich 80 Stunden Nachtarbeit geleistet hat, nur durch den Nachweis einer Verrechnung des Arbeitgebers zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis hätte erfolgen müssen. Wie auch sonst im Steuerrecht, können die Voraussetzungen einer Steuerbefreiungsnorm - hier des § 3b EStG - grundsätzlich durch Beweismittel aller Art geführt werden, so insbesondere durch Vernehmung von Zeugen durch das FG.