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  BFH-Urteil vom 28.11.1990 (I R 111/88) BStBl. 1991 II S. 313

1. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist auf Gewinnanteile aus typischen Unterbeteiligungen entsprechend anzuwenden.

2. Der Gewinnanteil aus einer typischen Unterbeteiligung unterliegt der Kapitalertragsteuer.

3. Der Zeitpunkt des Zuflusses des Gewinnanteils aus einer typischen Unterbeteiligung bestimmt sich für Zwecke der Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 3 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 EStG.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 36b Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 3, § 44, § 44a, § 44c, § 45a Abs. 2; HGB n.F. § 230.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein, dem durch Vertrag vom 6. Oktober 1977 eine typisch stille Unterbeteiligung an dem Kommanditanteil des M an der M-GmbH & Co. KG in Höhe von 60.000 DM eingeräumt wurde. Auf Grund des Vertrages überwies die M-GmbH & Co. KG auf Weisung des M an den Kläger monatlich 8.000 DM. In einer Anlage zum Schreiben vom 12. November 1980 - eingegangen am 17. November 1980 - teilte M dem Kläger mit, daß sein Gewinnanteil für das Geschäftsjahr 1978 durch Beschluß vom 7. Dezember 1979 105.342 DM betrage. Der nicht durch Vorauszahlungen abgedeckte Teil des Gewinnanteils wurde mit einer Überzahlung für 1977 verrechnet.

Die auf den Gewinnanteil in Höhe von 105.342 DM entfallende Kapitalertragsteuer in Höhe von 26.355,50 DM wurde am 23. Dezember 1980 an das zuständige Finanzamt (FA) abgeführt. Hierüber erhielt der Kläger ebenfalls am 23. Dezember 1980 von M eine Steuerbescheinigung i. S. des § 45a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In der Steuerbescheinigung war der 8. Dezember 1979 als Tag der Zahlung der Kapitalerträge an den Kläger angegeben.

Am 6. Januar 1981 beantragte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesamt für Finanzen - BfF -), ihm die einbehaltene Kapitalertragsteuer gemäß § 44c Abs. 1 EStG zu erstatten. Mit Bescheid vom 15. Mai 1981 lehnte das BfF die Erstattung ab, weil der Antrag erst nach Fristablauf gestellt worden sei.

Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.

Mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs im Antrags- und Einspruchsverfahren sowie die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das Urteil des FG Köln vom 21. September 1988 6 K 365/81 und den Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 1981 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 1981 aufzuheben und das BfF zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kapitalertragsteuer zu entsprechen.

Das BfF beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil dem Kläger - wie er behauptet - im Antrags- und Einspruchsverfahren das rechtliche Gehör verweigert wurde. Der Berücksichtigung des behaupteten Verfahrensfehlers steht § 127 der Abgabenordnung (AO 1977) entgegen. In der Sache konnte nur die Entscheidung getroffen werden, die das BfF am 15. Mai 1981 und am 27. August 1981 traf. Dann aber war die behauptete Verletzung formellen Rechts entscheidungsunerheblich.

2. Der vom Kläger für 1978 erzielte Gewinnanteil ist ein solcher i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Unter die Vorschrift fallen u.a. Gewinnanteile des typischen oder echten stillen Gesellschafters i. S. des § 230 des Handelsgesetzbuches (HGB n. F.). Zwar war der Kläger nur an dem Gesellschaftsanteil des M an der M-GmbH & Co. KG als stiller Gesellschafter unterbeteiligt. Auch war der Gesellschaftsanteil des M für sich genommen kein Handelsgewerbe i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Vorschrift klammert jedoch Einkünfte aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe mit konstitutiver Wirkung aus dem Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus (vgl. Crezelius, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1985/86, S. 389, 406). Sie ist deshalb zugunsten der Steuerpflichtigen auf typische Unterbeteiligungen entsprechend anzuwenden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1986 VIII R 10/85, BFH/NV 1987, 715; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 20 EStG, Rdnrn. 28, 29, 190; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 20 Anm. 30; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981, S. 333; Blaurock/Berninger, GmbH-Rundschau 1990, 11 ff., 87 ff., 91).

3. Der von dem Kläger für 1978 erzielte Gewinnanteil unterlag auch der Kapitalertragsteuer. Dies folgt aus § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Insoweit gilt das zu II. 2. Gesagte sinnentsprechend.

4. Nach § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erstattet das BfF auf Antrag des Gläubigers die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer, wenn der Gläubiger eine inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist. Der Erstattungsantrag ist fristgebunden (§ 44c Abs. 3 Satz 1 i.V. m. § 36b Abs. 4 EStG). Die Antragsfrist endet am 31. Dezember des Jahres, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die der Kapitalertragsteuer unterliegende Einnahme zugeflossen ist. Der Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahme aus einer stillen Unterbeteiligung i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG bestimmt sich für Zwecke der Kapitalertragsteuer nicht nach § 11 Abs. 1 EStG, sondern nach der spezielleren Vorschrift des § 44 Abs. 3 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 EStG. Aus den unter II. 2. genannten Gründen gilt § 44 Abs. 3 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 EStG für alle unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallenden Einnahmen, d.h. auch für solche aus einer stillen Unterbeteiligung. Danach gelten die Einnahmen als in dem Augenblick zugeflossen, der im Beteiligungsvertrag als Zeitpunkt der Ausschüttung vereinbart wurde. Dazu hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß nach § 6 Abs. 1 des Vertrages über die stille Unterbeteiligung zwischen dem Kläger und M als Zeitpunkt der Ausschüttung der Tag der Bilanzfeststellung bei der M-GmbH & Co. KG vereinbart war. Tag der Bilanzfeststellung für den Gewinnanteil 1978 war der 7. Dezember 1979. Gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 EStG floß an diesem Tag der Gewinnanteil dem Kläger zu. Der Zufluß ist auch für die sinngemäße Anwendung des § 36b Abs. 4 EStG maßgebend, wie das FG zutreffend ausgeführt hat.

5. Die vom Kläger gegen diese Auslegung des Gesetzes vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch:

a) § 44 Abs. 2 und 3 EStG enthält für bestimmte Kapitalerträge - darunter für Einnahmen aus einer typisch stillen Gesellschaft (Unterbeteiligung) - eine besondere Regelung des Zeitpunktes ihres Zuflusses für kapitalertragsteuerliche Zwecke (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 222/81, BFHE 146, 43, BStBl II 1986, 451). Die Regelung knüpft an den Tag an, der als solcher der Auszahlung vertraglich bestimmt worden ist. Der Tag der Auszahlung ist gleichzeitig der Tag der Entstehung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Daraus folgt, daß der Zufluß des Kapitalertrages unabhängig von seinem tatsächlichen Zugang und unabhängig von der Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer geregelt ist. Da der Fristbeginn an den Zufluß anknüpft, fallen Entstehung der Kapitalertragsteuer und der Fristbeginn für die Stellung des Antrags auf Erstattung zeitlich immer zusammen. Der Fristbeginn ist unabhängig davon, ob die Kapitalertragsteuer tatsächlich einbehalten und abgeführt wurde.

b) Die Einwendungen des Klägers betreffen letztlich die Praktikabilität der getroffenen Regelung. Die Gerichte sind jedoch an gesetzlich getroffene Regelungen gebunden. Sie können nicht eigene Praktikabilitätserwägungen an die Stelle des geschriebenen Rechts setzen. Der Gesetzgeber hat die Praktikabilitätserwägungen des Klägers nicht berücksichtigt. Er hat damit dem Gläubiger von Kapitalerträgen aufgegeben, ggf. schon vor deren tatsächlichem Zufluß und ggf. auch vor Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer tätig zu werden, um keine steuerlichen Nachteile zu erleiden. Dies ist insoweit nichts besonderes, als das Erstattungsverfahren gemäß § 44c EStG in einem engen Sachzusammenhang mit dem Freistellungsverfahren gemäß § 44a EStG gesehen werden muß. Das Freistellungsverfahren gemäß § 44a EStG setzt in vergleichbarer Weise ein Tätigwerden des Gläubigers vor dem Zufluß der Kapitalerträge voraus.

c) Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, der die Fristenregelung des § 44c EStG für unangemessen und für nicht sinnvoll hält. Dazu ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Erstattung der Kapitalertragsteuer nur innerhalb einer relativ kurzen Frist zulassen wollte. Als Fristbeginn mußte er dann aber einen Zeitpunkt wählen, der einerseits für den Gläubiger als den Betroffenen bestimmbar war und andererseits vom BfF als dem Erstattungsverpflichteten objektiv nachvollzogen werden konnte. Unter letzterem Gesichtspunkt konnte der Tag der Kenntnisnahme von der Höhe des Gewinnanteils und der Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer durch den Gläubiger nicht als Zeitpunkt für den Fristbeginn bestimmt werden. Dieser Tag ist in der Regel objektiv nicht nachvollziehbar. Vielmehr müßte die Finanzbehörde die Richtigkeit der Angaben des Gläubigers unterstellen. Auch im Streitfall kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger lange vor dem 17. November 1980 von der Höhe seines Gewinnanteils 1978 Kenntnis genommen hatte. In gleicher Weise scheidet der Tag als Fristbeginn aus, an dem die Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt wird. Dieser Tag muß mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses des Kapitalertrages beim Gläubiger nicht zusammenfallen. Der Gläubiger könnte deshalb den für den Fristbeginn maßgeblichen Tag nicht selbst ermitteln. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung an einer Publikums-Kapitalgesellschaft. So gesehen lag es nahe, den Fristbeginn mit dem Zeitpunkt des Zuflusses des Kapitalertrages zu verbinden. Schon deshalb bestehen gegen die in § 44 Abs. 3 EStG getroffene Regelung keine grundsätzlichen Bedenken. Der Gläubiger kennt den Zeitpunkt, der vertraglich als Tag der Auszahlung bestimmt worden ist. In den einschlägigen Fällen kann er ebenso den nach § 44 Abs. 3 Satz 1 EStG maßgebenden Tag ohne Schwierigkeiten ermitteln. Damit ist er in die Lage versetzt, sich rechtzeitig über die Höhe seiner Einnahmen zu informieren und für die Beschaffung der nach §§ 44c Abs. 1 Satz 5, 45a Abs. 2 EStG erforderlichen Bescheinigung Sorge zu tragen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hätte auch der Kläger sich über die Höhe seines Gewinnanteils rechtzeitig erkundigen können. Er hätte auch nach dem 17. November 1980 noch den Erstattungsantrag rechtzeitig stellen können. Dann aber greifen auch seine Überlegungen zu Treu und Glauben nicht durch. Er verschuldete die Fristversäumnis alleine, weil er nicht die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt bei der Fristberechnung beobachtete.

d) Selbst wenn der Einwand des Klägers durchgreifen sollte, daß der vereinbarte Fälligkeitstag nicht der Tag der Ausschüttung i. S. des § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG ist, ergibt sich nichts anderes. Dann wäre § 44 Abs. 3 Satz 1 EStG anzuwenden. Danach gilt der Kapitalertrag am Tag nach der Aufstellung der Bilanz, spätestens jedoch sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres als zugeflossen, für das der Kapitalertrag ausgeschüttet oder gutgeschrieben werden soll. Da der vom Kläger erzielte Kapitalertrag das Geschäftsjahr 1978 der M-GmbH & Co. KG betrifft, wäre sein Zufluß spätestens am 1. Juli 1979 anzusetzen, wenn nicht die in § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG getroffene Regelung sinnentsprechend anzuwenden sein sollte.

6. Begann aber die Frist für den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gemäß §§ 44c Abs. 3 Satz 1, 36b Abs. 4 EStG noch im Jahre 1979, so lief sie am 31. Dezember 1980 ab. Der von dem Kläger erst am 6. Januar 1981 gestellte Erstattungsantrag war verspätet. Das FG hat Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Billigkeitserwägungen konnte das FG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen. Dem steht die Zweigleisigkeit des Steuerfestsetzungs- und Billigkeitsverfahrens entgegen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 163 AO 1977 Rdnr. 7, m. w. N.), die für die Erstattung aus Rechts- und aus Billigkeitsgründen entsprechend gilt. Deshalb ist die Entscheidung des FG, die Klage abzuweisen, revisionsrechtlich zu bestätigen.