| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 7.8.1990 (VIII R 110/87) BStBl. 1991 II S. 336

Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung kommt es nicht darauf an, ob ein vom Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen verpachtetes Grundstück ausschließlich von dem betreffenden Betriebsunternehmen genutzt werden kann. Maßgebend ist vielmehr, ob das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen kann. Ist dies nicht möglich, dann ist das Grundstück zur Fortführung des Betriebs des Betriebsunternehmens erforderlich und damit eine wesentliche Betriebsgrundlage. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist zu vermuten, daß dies dann der Fall ist, wenn das vermietete Grundstück für die Belange des Betriebsunternehmens besonders gestaltet worden oder nach seiner Lage für die Belange des Betriebsunternehmens besonders geeignet ist.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet. Sie sind mit je 50 v. H. an der A-GmbH (GmbH) beteiligt. Die GmbH betreibt seit dem 1. Januar 1977 in X eine Möbelhandlung in gemieteten Räumen, die vorher der Kläger als Einzelunternehmen betrieben hatte. Die Geschäfts- und Büroräume des Unternehmens befinden sich in der A-Straße. Eine Lagerhalle ist in der B-Straße. Eine Ausstellungshalle ist in der A-Straße gegenüber den Geschäftsräumen der GmbH. Eine andere Ausstellungshalle ist in der C-Straße gelegen.

Im März 1975 - als noch das Einzelunternehmen bestand - wurde von Frau L. das in X, A-Straße belegene unbebaute Grundstück gepachtet. Der Vertrag ist von Frau L. und der Klägerin unterschrieben. Auf dem Grundstück wurde eine Lagerhalle errichtet. Am 4. Januar 1977 - also kurz nach Gründung der GmbH - verpachteten die Kläger die Halle an die GmbH. In den Jahren 1980 und 1981 errichteten die Kläger auf ihnen gehörenden Grundstücken in X, C-Straße, eine weitere Lager- und Ausstellungshalle. Diese wurde von ihnen im November 1981 an die GmbH verpachtet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Verpachtung der beiden Ausstellungshallen als gewerbliches Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Es erließ für das Streitjahr (1982) einen entsprechenden Gewerbesteuermeßbescheid.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der hiergegen gerichteten Klage statt.

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Für den Fall, daß eine sachliche Verpflechtung anzunehmen sei, machen die Kläger hilfsweise geltend, daß entgegen der Annahme des FG das Grundstück A-Straße (Ausstellungshalle) nicht von den Klägern, sondern nur vom Kläger an die GmbH verpachtet worden sei.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO).

1. Das FG ist bei seiner Entscheidung von dem BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 342/82 (BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299) ausgegangen. Nach dieser Entscheidung ist ein Grundstück im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es nicht für die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens besonders gestaltet worden ist, wenn es keinen deutlichen Unterschied macht, ob das Grundstück im Eigentum des Betriebsunternehmens oder eines Fremden steht oder wenn das Grundstück im Vergleich zu in gleicher Weise genutzten Grundstücken nur eine geringe Grundstücksgröße hat.

Das FG ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, daß die beiden Ausstellungshallen für die GmbH keine wesentlichen Betriebsgrundlagen sind und demzufolge keine sachliche Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung vorliegt. Das FG konnte bei seiner Entscheidung die später durch das BFH- Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86 (BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014) erfolgte Präzisierung der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen. Nach diesem Urteil ist ein Grundstück im Rahmen einer Betriebsaufspaltung für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn der Betrieb derart von der Verbindung mit dem Grundstück abhängig ist, daß er an anderer Stelle nicht in der bisherigen Weise fortgeführt werden kann, was insbesondere für ein Hotel, ein Restaurant und ein Café, aber auch für ein von seiner Lage abhängiges Einzelhandelsgeschäft der Fall ist. Gebäude - so wird in dem Urteil in BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014 weiter ausgeführt -, die durch ihre Gliederung oder sonstige Bauart dauernd für den Betrieb des Betriebsunternehmens eingerichtet sind, seien für diesen eine wesentliche Betriebsgrundlage. Andererseits genüge es aber auch, daß Gebäude nach ihrer Lage, ihrer Größe und ihrem Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten sind. Dabei ist unter Größe und Grundriß eine Baugestaltung zu verstehen, die auf die besonderen Belange des Betriebsunternehmens zugeschnitten ist.

2. Das FG hat nicht geprüft, ob die beiden Ausstellungshallen unter dem Gesichtspunkt ihrer Lage sich als wesentliche Betriebsgrundlage darstellen.

Trotzdem braucht die Sache nicht an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, da die vom FG getroffenen Feststellungen ausreichen, um entscheiden zu können, daß es sich bei den beiden Ausstellungshallen um solche Grundstücke handelt, die von ihrer Lage her für den Betrieb der GmbH besonders geeignet sind. In beiden Fällen werden die Hallen von einem Möbeleinzelhandelsunternehmen genutzt. Die Ausstellungshalle in der A-Straße liegt in einer Gegend, in der ein reger Fußgängerverkehr herrscht. Hinsichtlich der anderen Halle hat das FG festgestellt, daß sie am Rand von X liegt. Das steht jedoch der Annahme einer besonders günstigen Verkaufslage für Möbel nicht entgegen. Der BMF weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß sich die Verkaufsgewohnheiten bei Möbeln dahin geändert haben, daß vielfach durch Zeitungsanzeigen und Flugblattaktionen auf "Möbelparadiese auf grüner Wiese" aufmerksam gemacht wird, die auf großer Fläche das gesamte Warenangebot zeigen und zum "Probewohnen" einladen.

3. Der Senat kann sich für den Streitfall nicht der Ansicht des FG anschließen, es mache keinen Unterschied, ob die beiden Grundstücke im Eigentum der GmbH oder der Kläger einerseits oder eines Fremden andererseits stehen.

Im Rahmen der Betriebsaufspaltung kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht darauf an, ob ein vom Besitzunternehmen ans Betriebsunternehmen verpachtetes Grundstück ausschließlich von dem betreffenden Betriebsunternehmen genutzt werden kann. Eine solche Ansicht kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht aus dem Urteil in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299 hergeleitet werden.

Maßgebend ist vielmehr, ob das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen kann. Ist dies nicht möglich, dann ist das Grundstück zur Fortführung des Betriebs des Betriebsunternehmens erforderlich und damit eine wesentliche Betriebsgrundlage. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist zu vermuten, daß dies dann der Fall ist, wenn das vermietete Grundstück für die Belange des Betriebsunternehmens besonders gestaltet worden oder nach seiner Lage für die Belange des Betriebsunternehmens besonders geeignet ist. Das vermietete Grundstück kann in einem solchen Fall nicht jederzeit durch ein anderes ersetzt werden.

4. Die Gegenrüge der Kläger ist nicht begründet. Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Rechte an der Ausstellungshalle beiden Klägern zustehen, weil nach seiner Überzeugung der Kläger Anfang 1977 die Hälfte seiner Rechte an der Halle an der A-Straße der Klägerin geschenkt habe. Das FG ist zu diesem Ergebnis gekommen, weil in dem Pachtvertrag vom 4. Januar 1977 beide Kläger als Verpächter bezeichnet sind, die Klägerin den Pachtvertrag als Verpächterin unterzeichnet hat und die Pachtzinsen auf einem Verrechnungskonto beider Kläger verbucht worden sind.

Das ist eine mögliche Würdigung tatsächlicher Feststellungen, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, da keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen geltend gemacht worden sind.