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  BFH-Beschluß vom 31.10.1990 (I R 90/88) BStBl. 1991 II S. 371

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erlaubt Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG den Mitgliedstaaten auch die Besteuerung solcher Leistungen, die nicht von einem Gesellschafter, sondern von einer Personenvereinigung, an der der Gesellschafter als Mitglied oder Gesellschafter beteiligt ist, auf Grund eines mit der Gesellschaft abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages bewirkt werden?

2. Sollte Nr. 1 zu bejahen sein: Wird die nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG steuerbare Leistung bereits mit dem zivilrechtlich wirksamen Abschluß des Gewinnabführungsvertrages oder erst mit der Gewinnabführung als solcher bewirkt?

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 4; Richtlinie 69/335/EWG Art. 4 Abs. 2 Buchst. b.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik), die im Jahre 1977 als Organträgergesellschaft einer inländischen GmbH fungierte. Der entsprechende Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag datiert vom 1. Januar 1977. Gesellschafter der GmbH waren die Eheleute W, die gleichzeitig die Kommanditisten der Klägerin waren. Die Gesellschafter hielten ihre Geschäftsanteile an der GmbH im sog. Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin. Die GmbH war in die Klägerin wirtschaftlich eingegliedert.

In Erfüllung des Ergebnisabführungsvertrages führte die GmbH ihren Gewinn 1977 in Höhe von 5.666.634 DM an die Klägerin ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Gewinnabführung eine gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 steuerpflichtige freiwillige Leistung der Eheleute W (Kommanditisten) an die Klägerin. Er setzte durch Bescheid vom 26. September 1984 Gesellschaftsteuer in Höhe von 56.666 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a i.V.m. § 4 KVStG 1972.

Sie beantragt, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 26. September 1984 KVSt-Liste E 1589/84 und das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 28. April 1988 III K 408/84 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Klägerin ist eine inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972.

Der Streitfall betrifft formell gesehen die gesellschaftsteuerrechtliche Behandlung der Gewinnabführung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof sowohl die Abführung des Gewinns einer Schwestergesellschaft an die andere auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages (vgl. Urteil vom 6. Februar 1980 II R 37/76, BFHE 130, 80, BStBl II 1980, 355) als auch die damit korrespondierende Übernahme des Verlustes einer Schwestergesellschaft durch die andere auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages (vgl. Urteile vom 2. Dezember 1969 II R 144/66, BFHE 98, 2, BStBl II 1970, 330; vom 21. April 1970 II 206/65, BFHE 99, 498, BStBl II 1970, 689; vom 11. Juni 1975 II R 131/66, BFHE 116, 405, BStBl II 1975, 831) als gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen angesehen. Dabei wurde allerdings die Verlustübernahme als Pflichtleistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 und die Gewinnabführung als freiwilliger Zuschuß i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 beurteilt. Für beide Fälle ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Steuerpflicht nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Leistung nicht von einem Gesellschafter, sondern von einer Personenvereinigung bewirkt wird, an der der Gesellschafter als Mitglied oder Gesellschafter beteiligt ist (§ 4 KVStG 1972).

Durch Urteil vom 28. März 1990 Rs. C - 38/88, Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1990, 417, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sinngemäß entschieden, daß die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972 getroffene gesetzliche Regelung nicht mit Art. 4 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 69/335/EWG in Einklang stehe. Nach dieser Entscheidung ist die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages, der vor Feststellung der Verluste geschlossen worden ist, keine gesellschaftsteuerbare Kapitalzufuhr. Nach Auffassung des erkennenden Senats muß dies für die Verlustübernahme im Verhältnis von Schwestergesellschaften entsprechend gelten. Dann aber sind Zweifel darüber angebracht, ob die Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften noch als Kapitalzufuhr des gemeinsamen Gesellschafters behandelt werden kann. Dies hängt davon ab, ob Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG den Mitgliedstaaten auch die Besteuerung solcher Leistungen erlaubt, die nicht von einem Gesellschafter, sondern von einer Personenvereinigung, an der der Gesellschafter als Mitglied oder Gesellschafter beteiligt ist, auf Grund eines mit der Gesellschaft als Organträger abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages bewirkt werden. Sollte diese Frage zu bejahen sein, stellt sich die weitere, ob die Leistung des Gesellschafters i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG bereits mit dem zivilrechtlich wirksamen Abschluß des Gewinnabführungsvertrages oder erst mit der Gewinnabführung als solcher bewirkt ist. Zur Klärung dieser Fragen ist die Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geboten.