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  BFH-Urteil vom 11.12.1990 (VIII R 190/85) BStBl. 1991 II S. 390

Bei der nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) erforderlichen Ermittlung des betrieblich veranlaßten Teils der Schuldzinsen eines gemischten Kontokorrentkontos mit Debetsaldo ist davon auszugehen, daß durch jede Habenbuchung vorrangig die durch private Sollbuchungen entstandenen ins Kontokorrent eingestellten Privatschulden getilgt werden.

EStG § 4 Abs. 1, 3 und 4, § 5 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie hat ein Handels- und Produktionsunternehmen zum Gegenstand. Bei einer Bank unterhielt sie zwei Kontokorrentkonten A und B. Auf dem Kontokorrentkonto A wurden als Lastschriften nur Betriebsausgaben verbucht. Die Lastschriftbuchungen auf dem Kontokorrentkonto B betrafen zu knapp 4 v.H. betriebliche und zu ca. 96 v.H. private Aufwendungen der Gesellschafter. Guthabenbestände des Kontos A wurden regelmäßig auf das Konto B überwiesen. Der negative Saldo auf dem Konto B wuchs in den Streitjahren (1977 bis 1979) von rd. 98.000 DM auf rd. 199.000 DM. Die Schuldzinsen dieses Kontokorrentkontos B berücksichtigte die Klägerin als Betriebsausgaben.

Nach einer Betriebsprüfung verneinte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Zugehörigkeit des Kontos B zum Betriebsvermögen der Klägerin. Er rechnete deshalb die Bestände des Kontos nach dem Verhältnis der gebuchten Auszahlungen auf die Gesellschafter den Kapitalkonten der Gesellschafter zu. Die Zinsen und Gebühren wurden entsprechend als Entnahmen behandelt.

Einspruch und Klage gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1979 und gegen die Bescheide über die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978 und 1. Januar 1980 hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision wird die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), von der die Revision noch ausgeht, war die bei einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (Betriebsvermögensvergleich) im Jahresabschluß festgestellte Kontokorrentschuld regelmäßig selbst dann der betrieblichen Sphäre zuzurechnen, wenn es sich um ein sog. gemischtes Kontokorrentkonto handelte. Dabei ist unter gemischten Kontokorrentkonten ein solches Kontokorrentkonto zu verstehen, das nicht nur der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs dient, sondern über das auch außerbetriebliche Einzahlungen und Auszahlungen, also auch Einlagen und Entnahmen abgewickelt werden.

2. Diese Rechtsprechung ist durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) aufgegeben worden. Der Große Senat hat entschieden, daß in den Fällen, in denen eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl durch betriebliche als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen oder Überweisungen (Sollbuchungen) entsteht, sowohl bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als auch bei der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen ist. Nur die auf diesen Teil des Kontokorrentkredits entfallenden Schuldzinsen dürfen als Betriebsausgaben abgezogen werden.

3. Nach diesen Rechtsgrundsätzen haben FA und FG zutreffend die Minusbestände des Kontos B an den jeweiligen Bilanzstichtagen teilweise nicht dem Betriebsvermögen zugerechnet und die Schuldzinsen und Gebühren zum Teil nicht als Betriebsausgaben behandelt.

4. Trotzdem muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, da Zweifel daran bestehen, ob FA und FG unter Berücksichtigung der jetzt geltenden, in dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 festgelegten Grundsätze den betrieblichen Anteil der Kontokorrentschuld des Kontos B zutreffend ermittelt haben.

Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat das FA den jeweiligen Minusbestand des Kontos B und entsprechend auch die Schuldzinsen "gemäß dem Verhältnis der verbuchten Auszahlungen an die Gesellschafter" in einen betrieblich veranlaßten und einen privat veranlaßten Schuldteil aufgeteilt. Sollten diese Ausführungen dahin zu verstehen sein, daß alle im Laufe einer Kontokorrentperiode auf dem Konto B erfolgten privaten Sollbuchungen addiert und ins Verhältnis zur Summe aller betrieblichen Sollbuchungen gestellt worden sind, so entspricht dies im Prinzip nicht dem Beschluß des Großen Senats GrS 2-3/88. Denn nach diesem Beschluß ist davon auszugehen, daß durch jede Habenbuchung vorrangig die durch private Sollbuchungen entstandenen, ins Kontokorrent eingestellten Privatschulden getilgt werden (vgl. C II. 5. c des Beschlusses GrS 2-3/88). Entsprechendes gilt für die nach der Zinszahlenstaffelmethode zu ermittelnden privaten und betrieblichen Kontokorrentschuldzinsen (vgl. C II. 5. e des Beschlusses GrS 2-3/88).

Das FG wird bei seiner erneuten Verhandlung der Klägerin Gelegenheit geben müssen, eine solche Aufteilungsberechnung, die von der Klägerin auch nachträglich erstellt werden kann (vgl. C II. 5. g des Beschlusses GrS 2-3/88), vorzulegen.

Legt die Klägerin eine Aufteilungsrechnung im vorerwähnten Sinne nicht vor, so ist die Aufteilung des Schuldsaldos des Kontos B und die Aufteilung der Schuldzinsen unter Beachtung der dafür in dem Beschluß des Großen Senats GrS 2-3/88 aufgestellten Grundsätze (vgl. C II. 5. h) im Schätzungswege vorzunehmen.