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  BFH-Urteil vom 18.1.1991 (VI R 132/86) BStBl. 1991 II S. 408

Fährt ein Arbeitnehmer mit seinem eigenen Kraftfahrzeug von seiner Wohnung zu seiner Dienststelle, um dort für eine Dienstreise sein Fahrzeug gegen ein Dienstfahrzeug auszutauschen, so unterliegen diese Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Betriebsprüfer einer Bundesanstalt. Im Streitjahr 1979 unternahm er mehrtägige und eintägige Dienstreisen, bei denen er den Dienstwagen benutzte. Am Morgen des jeweiligen Dienstreisetages fuhr er mit seinem eigenen PKW von seiner Wohnung zu der an seiner Dienststelle gelegenen Dienstgarage, stellte dort seinen eigenen PKW unter und übernahm den Dienstwagen. Nach Rückkehr von der auswärtigen Tätigkeit stellte der Kläger den Dienstwagen wieder in der Dienstgarage ab und fuhr mit seinem eigenen PKW nach Hause. Das Dienstzimmer hat er bei dieser Gelegenheit nicht betreten, weil das Dienstgebäude noch bzw. bereits wieder verschlossen war.

Für diese Fahrten zwischen der Wohnung und der Dienstgarage begehrte der Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1979 den Abzug von Fahrtkosten in Höhe der für Dienstreisen geltenden Kilometersätze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte demgegenüber für diese Fahrten nur die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Werbungskostenabzug an. Das Finanzgericht (FG) schloß sich der Auffassung des Klägers an und gewährte ihm die erhöhten Kilometersätze.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor, die streitigen Fahrten des Klägers zwischen dessen Wohnung und der Dienststelle vor Antritt bzw. nach Beendigung der Dienstreisen seien als Fahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu qualifizieren. Sie seien nicht Teil der Dienstreise gewesen. Der Normalfall einer Dienstreise sei dadurch gekennzeichnet, daß der Arbeitnehmer einmalig oder zumindest vorübergehend außerhalb des Ortes seiner regelmäßigen Arbeitsstätte tätig werde. Der Dienstreise hafte ein Moment des Unvorhersehbaren und Unregelmäßigen an, auf das sich der Arbeitnehmer bei seinen Dispositionen nicht einstellen könne. Bei einer Fahrt zur Arbeitsstätte vor Beginn der eigentlichen Dienstreise sei dies jedoch nicht der Fall. Der dienstreiseähnliche Charakter der Fahrt, der die höheren Kilometersätze rechtfertigen könne, beginne erst mit der Abfahrt von der Dienststelle und ende mit der Rückkehr zu dieser. Der vorliegende Streitfall sei mit dem vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 11. Juli 1980 VI R 119/77 (BFHE 131, 62, BStBl II 1980, 653) entschiedenen Fall wirtschaftlich vergleichbar, da der Kläger durch entsprechende Wohnsitznahme die Höhe der Fahrtaufwendungen zwischen Wohnung und Dienststelle selbst habe bestimmen können. Die Fahrten zwischen Wohnung und Dienstgarage würden nicht von den an der Dienststelle beginnenden bzw. dort wieder endenden Dienstreisen beeinflußt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Er habe die Dienstreisen mit dem eigenen PKW an der Wohnung begonnen und nach Austausch des eigenen PKW mit dem Dienstwagen lediglich fortgesetzt. Im Streitfall liege schon tatbestandlich keine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor; an der Dienststelle habe er, der Kläger, an den Reisetagen keine Tätigkeiten ausgeübt. Die Übernahme des Dienstwagens und das Umladen des Gepäcks seien keine Tätigkeiten an der Arbeitsstätte, sondern Teil der Dienstreisetätigkeit gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die Fahrten des Klägers mit dem eigenen PKW zwischen seiner Wohnung und der an seiner Dienststelle gelegenen Dienstgarage sind als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu qualifizieren. Daran ändert nichts der Umstand, daß die zu beurteilenden Fahrten dazu dienten, für die Dienstreise den eigenen PKW gegen das Dienstfahrzeug auszutauschen. Das Gesetz macht die Anwendung der gesetzlichen Pauschbeträge für die Fahrten mit dem eigenen PKW zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht von weiteren Voraussetzungen, etwa einer bestimmten Arbeitsleistung an der Arbeitsstätte, abhängig. Allein entscheidend ist, daß die Arbeitsstätte aus beruflichen Gründen von der Wohnung aus mit dem eigenen Kraftfahrzeug angefahren wird. Dabei kann weder erheblich sein, ob der Kläger am Tag der Dienstreise sein Dienstzimmer betreten konnte, noch kann für die Entscheidung ausschlaggebend sein, daß der Kläger für die Dienstreise benötigte Gegenstände zu Hause im Arbeitszimmer aufbewahrt und mit seinem PKW transportiert hatte, um diese in das Dienstfahrzeug umzuladen. Entscheidend ist vielmehr, daß sich die zu beurteilenden Fahrten im wesentlichen nicht von den sonstigen täglichen Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und der Dienststelle unterschieden, so daß es nicht gerechtfertigt erscheint, in Ausnahme der für das Massenverfahren bestimmenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG die tatsächlichen Kraftfahrzeugkosten zum Werbungskostenabzug zuzulassen.

Daß diese Betrachtung auch den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, wird durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 2 und 4 EStG ab 1990 bestätigt. Danach dürfen die Kosten für Mehrfachfahrten des Arbeitnehmers mit dem eigenen Kraftfahrzeug an einem Arbeitstag, sofern die Kosten überhaupt abziehbar sind, nur mit den gesetzlichen Pauschbeträgen angesetzt werden. Der Umstand allein, daß es sich um eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt, nicht hingegen die berufliche Motivation für die Fahrt gibt den Ausschlag für deren Einordnung unter die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

Das FG ist von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen und hat zu Unrecht die tatsächlichen Fahrtkosten zum Werbungskostenabzug zugelassen. Die Vorentscheidung war daher unter Abweisung der Klage aufzuheben.