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  BFH-Urteil vom 27.2.1991 (I R 176/84) BStBl. 1991 II S. 456

Die Anschaffungskosten von Warenvorräten mindern sich weder zum Anschaffungszeitpunkt noch zum nachfolgenden Bilanzstichtag um den möglichen Skontoabzug, wenn der Steuerpflichtige nicht bis zum Bilanzstichtag von der Möglichkeit des Skontoabzugs Gebrauch macht (Aufhebung des Vorlagebeschlusses vom 30. März 1989, BFHE 157, 87, BStBl II 1989, 874).

EStG § 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Rechtsnachfolger der auf ihn umgewandelten X-GmbH (im folgenden GmbH).

Die GmbH hat ihr von Lieferanten eingeräumte Skonti regelmäßig in Anspruch genommen und die an Bilanzstichtagen vorhandenen Vorräte mit den ihr in Rechnung gestellten Beträgen abzüglich der eingeräumten Skonti bewertet, auch wenn die den einzelnen Lieferungen zugrunde liegenden Rechnungen noch nicht bezahlt waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte im Anschluß an eine Betriebsprüfung dieser Bewertung nicht und kürzte den für den Veranlagungszeitraum 1976 erklärten Verlust unter Berücksichtigung einer darauf entfallenden Gewerbesteuerrückstellung um 11.746 DM. Wegen des von der GmbH in Anspruch genommenen Verlustrücktrags erhöhte sich dadurch der im geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1975 vom 10. August 1981 zugrunde gelegte Gewinn entsprechend.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

Als Begründung führte das FG lediglich an, daß bei der Bewertung des Umlaufvermögens gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die gelieferte, aber noch nicht bezahlte Ware mit dem Bruttoeinkaufspreis ohne Berücksichtigung von Skonti anzusetzen sei. Es nahm wegen der weiteren Begründung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 1979 IV R 216/67 (BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323) Bezug.

Mit der Revision rügt der Kläger, daß das Urteil des FG keine Entscheidungsgründe enthalte, was gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu einer zulassungsfreien Revision führe. Der Kläger rügt ferner die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1975 unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides vom 10. August 1981 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 1982 auf 34.579 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat die Sache mit Beschluß vom 30. März 1989 (BFHE 157, 87, BStBl II 1989, 874) dem Großen Senat vorgelegt.

I.

Der Vorlagebeschluß vom 30. März 1989 wird aufgehoben. Wegen der Gründe für die Aufhebung verweist der Senat auf die Ausführungen unter II.

II.

Die Revision ist nicht begründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Das mit der Revision angefochtene FG-Urteil ist i. S. des § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen. Nach § 105 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FGO muß ein Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i. S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies ist z.B. der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - 21. Dezember 1962 I ZB 27/62, BGHZ 39, 333, 337) oder wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt bzw. auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor, obwohl sich das FG mehr oder weniger begnügte, auf das BFH-Urteil in BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323 zu verweisen. Die von dem FG zu entscheidende Rechtsfrage war dieselbe, die von dem BFH in dem herangezogenen Urteil zu entscheiden war. Durch die Verweisung auf dieses Urteil hat das FG erkennbar gemacht, daß es dessen rechtliche Begründung übernimmt. Der Kläger macht geltend, daß das herangezogene Urteil gegen den Grundsatz der Einzelbewertung und gegen das Niederstwertprinzip bei der Bewertung von Umlaufvermögen verstoße. Es sei auch deswegen nicht zutreffend, weil es unter keinen denkbaren Gesichtspunkten zu rechtfertigen sei, für völlig gleichartige Wirtschaftsgüter unterschiedlich hohe Teilwerte anzusetzen. Die Erwägungen des BFH seien im Rahmen einer Unternehmensbewertung richtig, nicht aber für die laufende Bilanzierung. Dabei seien die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anzuwenden, wonach das einzelne Wirtschaftsgut nach dem Niederstwertprinzip zu bewerten sei. Mit diesem Vorbringen wendet sich der Kläger gegen die Richtigkeit der Begründung des vom FG herangezogenen BFH-Urteils und damit auch gegen die Richtigkeit der Begründung des FG-Urteils. Damit rügt jedoch der Kläger nicht das Fehlen einer Begründung, sondern hält sie lediglich für unzutreffend.

Soweit der Kläger geltend macht, daß der Sachverhalt im Streitfall insofern in einem wesentlichen Punkt von dem Sachverhalt abweicht, über den der BFH in dem Urteil in BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323 zu entscheiden gehabt habe, als bei Nichtinanspruchnahme des Skontoabzugs jährlich erhebliche Verluste eintreten würden, greifen seine Verfahrensrügen ebenfalls nicht durch. Nach dem Urteil des FG sind gelieferte, aber noch nicht bezahlte Waren mit dem Bruttoeinkaufspreis ohne Berücksichtigung von Skonti aus den Gründen anzusetzen, die sich aus dem zitierten BFH-Urteil ergeben. Damit hat das FG erkennbar gemacht, von diesem Grundsatz auch dann nicht abzuweichen, wenn bei Nichtinanspruchnahme des Skontoabzugs jährlich erhebliche Verluste eintreten würden.

2. Das FA hat bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr den Verlustrücktrag aus dem Veranlagungszeitraum 1976 zu Recht um 11.746 DM gekürzt. Der Kläger hat in der für den Veranlagungszeitraum 1976 maßgebenden Bilanz den Ansatz der Warenvorräte zu Unrecht um die Skontobeträge gekürzt, die auf die zum Bilanzstichtag noch nicht bezahlten Lieferantenrechnungen entfallen.

2.1 Die Vorräte sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG als Umlaufvermögen mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Ist der Teilwert niedriger, müssen sie mit dem Teilwert angesetzt werden. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sieht zwar vor, daß der niedrigere Teilwert angesetzt werden kann. Der Kläger hat jedoch gemäß § 5 Abs. 1 EStG für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dabei muß er die Vorräte mit dem niedrigeren Teilwert ansetzen (vgl. § 155 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG - 1965, und BFH-Urteil vom 13. Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540).

2.2 Die Anschaffungskosten der Warenvorräte mindern sich weder zum Anschaffungszeitpunkt noch zum nachfolgenden Bilanzstichtag um dem möglichen Skontoabzug, wenn der Steuerpflichtige nicht bis zum Bilanzstichtag von der Möglichkeit des Skontoabzugs Gebrauch macht. Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden Zustand zu versetzen (BFH-Urteil vom 13. April 1988 I R 104/88, BFHE 153, 340, BStBl II 1988, 892, m. w. N.; so nunmehr § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Wenn der Kaufpreis für Waren zum Zeitpunkt der Anschaffung nicht beglichen wird bzw. noch nicht beglichen war, steht im Zeitpunkt der Anschaffung nicht fest, ob von der Möglichkeit des Skontoabzugs Gebrauch gemacht wird. Eine spätere Änderung des Kaufpreises wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Anschaffung zurück. Denn es entspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die Anschaffungskosten am Tag der Lieferung in Höhe der Kaufpreisverbindlichkeit zu bestimmen und Anschaffungskosten und Kaufpreisschuld getrennt zu sehen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1977 III R 92/75, BFHE 124, 296, BStBl II 1978, 233). Das Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 10/83 (BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786) steht dem nicht entgegen. Es betraf den Sonderfall eines Veräußerungsgewinns aus der Übertragung eines Mitunternehmeranteils. Da der Mitunternehmer nach dem Zeitpunkt der Veräußerung der Personengesellschaft nicht mehr angehört, müssen nachträgliche Ereignisse, die die Höhe des Veräußerungsgewinns beeinflussen, auf den Zeitpunkt der Übertragung zurückbezogen werden.

Damit entsprechen die Anschaffungskosten von Waren im Anschaffungszeitpunkt dem vereinbarten, nicht durch einen möglichen Skontoabzug geminderten Kaufpreis. Gleiches gilt für die Anschaffungskosten der am Bilanzstichtag noch vorhandenen Waren, für die vor dem Bilanzstichtag kein Skonto abgezogen wurde.

Wird nach dem Anschaffungszeitpunkt die Kaufpreisschuld unter Skontoabzug bezahlt, mindern sich die Anschaffungskosten der Waren (vgl. jetzt § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB). Die Minderung ist jedoch erst in dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem der Kaufpreis entrichtet wird.

Dem stehen nicht die Auswirkungen entgegen, die eintreten, wenn die angeschafften Waren zum Zeitpunkt der Bezahlung des Kaufpreises bereits wieder verkauft sind. Die Ausbuchung der Lieferantenschuld, der ein um den Skontoabzug geminderter Abgang von Finanzmitteln gegenübersteht, führt zwangsläufig zu einem Ertrag in Höhe des Skontoabzugs. Die Absetzung von einem Warenbestand ist in diesem Fall nicht mehr möglich. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß die Minderung der Anschaffungskosten vorhandener Waren im Zeitpunkt der Skontoinanspruchnahme nicht richtig ist.

2.3 Der Senat folgt nicht der Ansicht, wonach die Anschaffungskosten stets nach dem Bruttopreis der Waren unter Abzug des möglichen Skontos zu bemessen ist (Dahl, Die Aktivierung der Sachanlagegüter in Handels- und Steuerbilanz, S. 58; Escher, Der Umfang der Aktivierungspflicht bei den Ausgaben für das Sachanlagevermögen in Handels- und Steuerbilanz, S. 45; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, S. 88 ff.; Hüttemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Verbindlichkeiten, 2. Aufl., S. 103; Mörs, Skonto, Rabatt und Bonus in Steuer- und Zollrecht - Diss. Köln 1961 -, S. 25; Nicklisch, Die Betriebswirtschaft 1932, S. 190 f.; Schäfer, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Forderungen, S. 51 ff.; Sundhoff, Die Handelsspanne 1953, S. 180; Pleiß; Zeitschrift für Betriebswirtschaft - ZfB - 1957, 330, und Ziegler, ZfB 1955, 302, 305). Diese Auffassung geht davon aus, daß in Höhe des möglichen Skontoabzugs ein Zinsaufwand beim Abnehmer gegeben sei, der storniert werde, soweit von der Möglichkeit des Skontoabzugs tatsächlich Gebrauch gemacht werde. Das hat zur Folge, daß auch die Anschaffungskosten der am Bilanzstichtag vorhandenen, noch nicht bezahlten Vorräte um die möglichen Skontobeträge ermäßigt werden.

Ein Zinsaufwand setzt eine Kreditgewährung durch den Lieferanten voraus. Ein solcher Kredit wäre gegeben, wenn der Lieferant den Kaufpreis kreditiert und damit einverstanden ist, daß der dem Skontoabzug entsprechende Zinsbetrag entfällt, wenn der Kaufpreis innerhalb der Zahlungsfrist für den Skontoabzug getilgt wird. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß mit der Einräumung der Möglichkeit eines Skontoabzugs eine derartige Abrede verbunden ist. Dem steht auch entgegen, daß mit der Skontoabrede keine Vereinbarung über die Dauer des Kredits getroffen wird; denn der Kaufpreis muß, wenn der Skontoabzug nicht in Anspruch genommen wird, nicht mit dem Ablauf des Tages entrichtet werden, mit dem die Frist zur Inanspruchnahme des Skontoabzugs endet. Gegen die Annahme eines Kredits und damit eines Zinsaufwands spricht auch die Höhe der sich ergebenden Zinssätze. Bei einem möglichen Skontoabzug von 3 v.H. der Kaufpreissumme und einer Zahlung innerhalb von zehn Tagen nach Rechnungsstellung ergäbe sich ein Zinssatz pro Jahr von ca. 110 v.H. des Kaufpreises. Hinzu kommt, daß von dem Zeitpunkt an, zu dem der Bezieher der Waren mit der Bezahlung des Kaufpreises in Verzug gerät, ein wesentlich niedrigerer Zinssatz zum Zuge kommt (vgl. § 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 352 HGB). Dies schließt es aus, den Skontoabzug, der einen dem Verzugszeitraum vorangehenden Zeitraum betrifft, als Zins zu qualifizieren.

2.4 Der Teilwert der zum Bilanzstichtag vorhandenen Waren, hinsichtlich derer der Kaufpreis am Bilanzstichtag noch nicht entrichtet ist, entspricht nicht dem um den möglichen Skontoabzug geminderten Kaufpreis. Der Teilwert entspricht den Wiederbeschaffungskosten (vgl. Schmidt/Glanegger, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 6 Anm. 53). Darunter könnte man bei objektiver Sicht auch die durch den möglichen Skontoabzug geminderten Anschaffungskosten auf dem relevanten Beschaffungsmarkt verstehen. Demgegenüber entspricht aber der Teilwert des Wirtschaftsguts, sofern keine Fehlmaßnahme vorliegt, im Zeitpunkt des Erwerbs grundsätzlich den Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 31/75, BFHE 124, 441, BStBl II 1978, 335). Dies gilt auch für den nur wenige Tage nach dem Anschaffungszeitpunkt liegenden Bilanzstichtag. Die Anschaffungszeitpunkte für am Bilanzstichtag vorhandene Warenbestände, für die ein Skontoabzug aufgrund einer Kaufpreiszahlung nach dem Bilanzstichtag in Betracht kommt, liegen in der Regel nur wenige Tage vor dem Bilanzstichtag.

2.5 Der Senat verkennt nicht, daß es zu praktischen Schwierigkeiten kommt, wenn bezüglich eines am Bilanzstichtag vorhandenen Warenbestandes für die Bilanzierung untersucht werden muß, ob und inwieweit die Anschaffungspreise bereits unter Inanspruchnahme von Skonto beglichen wurden. Dem kann unter Umständen nur durch eine Schätzung begegnet werden. Wird für Veranlagungszeiträume ab 1990 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 verfahren, dürfte sich der Umfang des Warenbestandes erheblich verringern, bei dem die im Streitfall maßgebende Frage eine Rolle spielt. Für den Warenbestand, der der Besteuerung zugrunde gelegt wird, kommt eine Verminderung der Anschaffungskosten durch Skontoabzug regelmäßig nicht mehr in Betracht. Er gilt als zuerst angeschafft.