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  BFH-Beschluß vom 26.3.1991 (VIII B 83/90) BStBl. 1991 II S. 463

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß eine durch Telefax (Telekopie) dem FG übermittelte Klageschrift auch dann dem Formerfordernis des § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO genügt, wenn die Telekopie nicht von einem Fernkopieranschluß der Deutschen Bundespost oder des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, sondern von dem privaten Fernkopieranschluß eines Dritten abgesandt wird.

FGO § 64 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) hat beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der S-GmbH & Co. KG in Liquidation für das Kalenderjahr 1980 vom 16. Juni 1989 beantragt. Der Kläger hatte zuvor erfolglos einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides beim Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) gestellt.

Das FG hat den Antrag zurückgewiesen.

Die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setze voraus, daß der Rechtsbehelf gegen den angefochtenen Bescheid zumindest Erfolg haben könne. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt, da die vom Kläger erhobene Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1980 unzulässig sei.

Die Klage sei beim FG durch Telefax erhoben worden; das Deckblatt des Telefax weise als Absender die "Dr. X, N & Partner, Kommanditgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft" in D aus. Die fernkopierte Klageschrift stamme nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, der sein Büro in H habe. Diese Klage sei nicht geeignet, die erforderliche Schriftform (§ 64 FGO) zu wahren. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Einlegung eines Rechtsmittels durch Telekopie als wirksam angesehen, wenn das Rechtsmittel im Telebriefverfahren von einem Postamt der Deutschen Bundespost aufgenommen und als Fernkopie dem jeweiligen Gericht postalisch zugeleitet worden sei. Das FG habe auch keine Bedenken gegen die Formgültigkeit einer Rechtsmittelschrift, die durch Absendung einer Telekopie von einem eigenen Fernkopieranschluß des Prozeßbevollmächtigten an den des FG übermittelt werde. Dagegen sei es nicht mehr mit dem Gebot der im Prozeßrecht zu beachtenden Rechtssicherheit und Formenstrenge zu vereinbaren, wenn zwischen den Absender und den Empfänger der Telefax-Sendung ein privater Dritter eingeschaltet sei. In einem solchen Fall bestehe die Gefahr einer unkontrollierbaren Einflußnahme. Der Senat schließe sich insoweit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Februar 1981 X ZB 13/80 (BGHZ 79, 314) an.

Das FG hat die Beschwerde zugelassen.

Der Kläger hat gegen den Beschluß des FG Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat.

Der Kläger beantragt, den Beschluß des FG vom 15. Juni 1990 aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides 1980 auszusetzen, hilfsweise, den Beschluß aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen nicht, wenn der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf unzulässig, die begehrte sachliche Nachprüfung der ursprünglich behaupteten Rechtsverletzung im Hauptverfahren also wegen der eingetretenen Bestandskraft nicht mehr möglich ist (BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 1968 VI B 77/67, BFHE 91, 219, BStBl II 1968, 278, und vom 5. Februar 1975 II B 29/74, BFHE 115, 12, BStBl II 1975, 465).

2. Im Streitfall bestehen bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (BFHE 115, 12, BStBl II 1975, 465) keine ernstlichen Zweifel daran, daß die vom Kläger durch Telefax übermittelte Klage der Schriftform des § 64 FGO genügt.

Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn das Schriftstück eigenhändig unterschrieben ist (BFH-Zwischenurteil vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Die Schriftform soll gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 172; BFH-Urteil in BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Welche Erfordernisse im einzelnen erfüllt sein müssen, um der Schriftform zu genügen, wird in den einzelnen Verfahrensordnungen unterschiedlich beurteilt (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242 unter IV).

Entgegen der grundsätzlich bestehenden Formstrenge hat es die Rechtsprechung als zulässig erachtet, ein Rechtsmittel durch Telegramm einzulegen. Eine gleichzeitige oder innerhalb der Frist abgehende briefliche Bestätigung durch den Prozeßbevollmächtigten wurde nicht verlangt. Auch die fernmündliche Aufgabe des Telegramms genügt (Beschluß des Reichsgerichts - RG - vom 28. November 1932 IV B 4/32, RGZ 139, 45, 47; BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573 m.w.N.). Die Einlegung eines Rechtsmittels durch Fernschreiber ist ebenfalls als ausreichend angesehen worden (Beschluß des BGH vom 28. Oktober 1965 Ia ZB 11/65, NJW 1966, 1077).

Nach allgemeiner Auffassung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist dem Erfordernis der Schriftform auch dann Genüge getan, wenn ein Postamt der Deutschen Bundespost die Rechtsmittelschrift fernmeldetechnisch über Fernkopierer aufnimmt und das Schriftstück dem Gericht auf postalischem Weg (Telebrief, Telekopie) zuleitet (BFH-Urteil in BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573, und Beschluß vom 22. März 1983 VIII B 117/80, BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579; Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 24. September 1986 7 AZR 669/84, NJW 1987, 341; BGH-Beschluß vom 10. Januar 1990 XII ZB 141/89, NJW 1990, 990; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 13. Juni 1990 9 B 122/90, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1991, 116). Als wirksam wird auch die Übermittlung einer schriftlichen Erklärung unmittelbar von dem Telefaxgerät des Absenders an das Empfangsgerät des Gerichts angesehen (BGH-Beschluß in NJW 1990, 990, m.w.N.; BFH-Urteil vom 25. April 1990 I R 59/89, nicht veröffentlicht - NV -).

Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß eine Klage oder ein Rechtsmittel auch dann formgerecht eingelegt worden ist, wenn die Fernkopie nicht von einem Fernkopieranschluß der Deutschen Bundespost oder von dem des Prozeßbevollmächtigten des Klägers (Rechtsmittelführers) an das Gericht abgesendet worden ist, sondern von dem Privatanschluß eines Dritten. Der Senat folgt damit der Auffassung des BAG, das eine Berufungsbegründung als formwirksam angesehen hat, die vom privaten Telefax-Anschluß des Berufungsklägers über das öffentliche Telefonnetz an ein Postamt der Deutschen Bundespost abgesendet und anschließend im Rahmen des Telebrief-Dienstes dem Gericht übermittelt worden war (vgl. BAG-Beschluß vom 14. März 1989 1 AZB 26/88, NJW 1989, 1822). Das BAG hat in der genannten Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, daß gegen die Benutzung fernmeldetechnischer Übertragungswege im Schriftverkehr mit den Gerichten keine Bedenken bestehen, wenn dabei der Zweck der Schriftform gewahrt bleibt. Ist der Urheber der Rechtsmittelschrift eindeutig zu identifizieren und ist der ernstliche Wille zur Einlegung eines Rechtsmittels erkennbar, dann bestehen gegen die Übermittlung der Rechtsmittelschrift durch Telebrief oder Telefax auch dann keine Bedenken, wenn das Schriftstück von einem privaten Fernkopieranschluß abgesandt wird. Der Urheber muß sich aus dem Inhalt der Fernkopie ergeben. Durch den "Briefkopf" und die lesbare, eigenhändig vollzogene Unterschrift wird der Urheber der prozessualen Erklärung in der Regel hinreichend gekennzeichnet. Nach den Feststellungen des finanzgerichtlichen Urteils weist die Klageschrift nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den Prozeßbevollmächtigten des Klägers als Urheber des Schriftsatzes aus. Auch die weitere Voraussetzung, daß der Schriftsatz mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wurde (vgl. Beschluß des GmS-OGB in NJW 1980, 172), ist erfüllt. Sie wird hier schon aus der notwendigen Empfängerkennung deutlich. Durch die Empfängerkennung stellt der Absender der Telekopie - ebenso wie beim Fernschreiber - bewußt die Verbindung zum Empfänger her. Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von der Übermittlung eines Schriftsatzes an den Telekopieranschluß eines privaten Zwischenempfängers mit der Bitte, die Fernkopie an das Gericht weiterzuleiten; in einem solchen Fall hat der BGH die Einlegung des Rechtsmittels als nicht formwirksam beurteilt, weil nicht mit der erforderlichen Gewißheit angenommen werden könne, daß die Weiterleitung an das Gericht dem Willen des Urhebers entspreche (vgl. BGH in BGHZ 79, 314). Der Senat kann offenlassen, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte (ablehnend: Buckenberger, NJW 1983, 1475; Wolf, NJW 1989, 2592). Vernünftige Zweifel, ob ein Schriftstück dem Gericht mit Willen des Urhebers zugeleitet worden ist, können jedenfalls dann nicht bestehen, wenn der Schriftsatz - wie im Streitfall - unmittelbar an den Telekopieranschluß des Gerichts übermittelt wird.

Die vom FG für seine abweichende Ansicht angeführte Gefahr einer unkontrollierbaren Einflußnahme Dritter, rechtfertigt es nicht, die Benutzung eines privaten, nicht dem Prozeßbevollmächtigten gehörenden Fernkopieranschlusses für die formwirksame Übermittlung von Klage- oder Rechtsmittelschriften auszuschließen. Diese Gefahr besteht, wie das BAG a.a.O. zutreffend ausgeführt hat, in gleicher Weise bei der Benutzung des Fernkopieranschlusses des Prozeßbevollmächtigten oder der Deutschen Bundespost. Manipulationsmöglichkeiten sind auch bei der Übermittlung von Erklärungen mittels Telegramm oder Fernschreiben nicht ausgeschlossen. Die an eine Klage- oder Rechtsmittelschrift gestellten Formerfordernisse dienen im übrigen nicht dem Zweck, Manipulationen bei der Herstellung oder Unterzeichnung des Schriftsatzes auszuschließen. Durch die Schriftform soll lediglich gewährleistet sein, daß der Unterzeichner des Schriftsatzes bestimmbar ist und daß der Schriftsatz mit Willen des Absenders dem Gericht zugeleitet worden ist. Diesem Erfordernis ist jedenfalls dann genügt, wenn der Schriftsatz nach seiner Unterzeichnung ohne Zwischenschaltung eines privaten Dritten an den Fernkopieranschluß des Gerichts abgesandt wird. Ob bei der Absendung der Telekopieranschluß des Prozeßbevollmächtigten, der Deutschen Bundespost oder eines Dritten benutzt wird, ist für die Wahrung der Schriftform unerheblich.

3. Der auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Beschluß des FG wird aufgehoben. Der Senat entscheidet nicht selbst über den Aussetzungsantrag, sondern verweist die Sache an das FG zurück. Eine Zurückverweisung ist auch im Beschwerdeverfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung zulässig (BFH-Beschluß vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657). Die Zurückverweisung erscheint im Streitfall schon deshalb zweckmäßig, weil das FG den Antrag lediglich aus formellen Gründen abgelehnt hat und weil der erkennende Senat anhand der ihm vorgelegten Akten keine Entscheidung über die Begründetheit des Aussetzungsantrags treffen kann; insbesondere wurde die Klageschrift vom 6. Dezember 1989, auf die der Kläger zur Begründung seines Aussetzungsantrags Bezug genommen hat, nicht vorgelegt.