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  BFH-Urteil vom 21.2.1991 (IV R 86/89) BStBl. 1991 II S. 474

Zahlt ein Kunde dem Lieferanten vereinbarungsgemäß Überpreise, die der Lieferant dem Kunden auf einem besonderen Konto gutschreibt und banküblich verzinst, so kann dies beim Lieferanten zu einer Dauerschuld führen.

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Exporthandelsunternehmen in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). In den Streitjahren (1979 bis 1983) war Inhaber des Unternehmens die X-KG (KG); alleinige Komplementärin der KG war die Klägerin. Im Verlauf des Klageverfahrens schieden die beiden Kommanditisten aus der KG aus. Ihre Anteile an der KG wuchsen der GmbH zu, die seitdem das Unternehmen allein fortführt.

Die KG stand in den Streitjahren in laufenden Geschäftsbeziehungen mit je einem ausländischen Unternehmen in A und in B. Vereinbarungsgemäß wurden diesen Kunden für die Warenlieferungen der KG jeweils erhöhte Beträge in Rechnung gestellt. Die Kunden zahlten die überhöhten Beträge. Der Mehrbetrag gegenüber dem für die Warenlieferung an sich geschuldeten Betrag wurde jeweils einem besonderen Konto gutgeschrieben, das für den Kunden unter einer fingierten Bezeichnung geführt wurde (Guthabenkonto). Ab Zahlung wurden die Beträge auf den Guthabenkonten für den Kunden verzinst. Die Kunden konnten über ihre Guthabenkonten jederzeit frei verfügen, allerdings nicht, soweit gegen sie Forderungen aus Warenlieferung bestanden.

Von ihrem Verfügungsrecht machten die Kunden nur teilweise Gebrauch. In keinem Falle gingen die Guthaben der Kunden auf 0 DM zurück. Die Guthabenkonten wurden auf der Grundlage einer Zinszahlenstaffelrechnung vierteljährlich nach Maßgabe des üblichen Bankzinssatzes verzinst. Die Kunden verfolgten mit dieser Gestaltung den Zweck, Geldbeträge unter Umgehung devisenrechtlicher Bestimmungen des jeweiligen Heimatlandes zur freien Verfügung in das Ausland zu verbringen.

Nach einer Betriebsprüfung bei der KG stellten sich der Prüfer und, ihm folgend, der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), auf den Standpunkt, die Guthaben der Kunden seien für die KG Dauerschulden, die darauf gezahlten Zinsen seien Dauerschuldzinsen, so daß entsprechende Zurechnungen nach § 8 Nr. 1 und nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erforderlich seien. Die Gewerbesteuer-Meßbescheide für die Streitjahre wurden entsprechend geändert. Die Einsprüche führten aus in diesem Verfahren nicht streitigen Gründen zur Änderung der angefochtenen Bescheide, im übrigen wurden die Einsprüche jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Während des Klageverfahrens erließ das FA geänderte Gewerbesteuer-Meßbescheide. In den geänderten Bescheiden vom 6. Februar 1989 wurden nur noch die jährlichen Mindestbeträge auf den Guthabenkonten als Dauerschulden und die darauf entfallenden Zinsen als Dauerschuldzinsen hinzugerechnet. Über die Höhe dieser Beträge besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen. Die geänderten Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) gemacht.

Das FG wies die Klage gegen die geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheide als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassene Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 8 Nr. 1 und (sinngemäß) des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, daß die von den ausländischen Kunden in A und in B bei der Klägerin unterhaltenen Guthabenkonten in Höhe eines jeweiligen Mindestbestandes für die Klägerin Dauerschulden waren.

1. a) Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der für die Streitjahre 1979 bis 1982 geltenden Fassung werden zur Berechnung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die - bezogen auf den Streitfall - der nicht nur vorübergehenden Stärkung des Betriebskapitals dienen. Dementsprechend sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die bei seiner Ermittlung abgezogenen Verbindlichkeiten wieder hinzuzurechnen, die den Schuldzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen. Für das Streitjahr 1983 gilt dies mit der Maßgabe, daß 60 v.H. der Dauerschuldzinsen und - nach Abzug eines Betrags von 50.000 DM - (60 v.H.) der diesen Zinsen entsprechenden Verbindlichkeiten hinzuzurechnen sind (§ 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 - HBeglG - vom 20. Dezember 1982, BGBl I, 1857, BStBl I 1982, 972, 980).

Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn der Gegenwert der Schulden aufgrund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit verstärkt. Den Gegensatz dazu bilden die laufenden Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Unternehmens entstehen, soweit sie in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, m.w.N.).

Für die Unterscheidung von Dauerschulden i.S. von § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG einerseits und laufenden Verbindlichkeiten andererseits ist in erster Linie der Charakter der Schuld maßgeblich. Danach ist regelmäßig eine laufende Verbindlichkeit gegeben, wenn die Schuld mit nach der Art des Betriebs ständig wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen, insbesondere mit dem Erwerb und der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (BFH-Urteile in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481; vom 6. November 1985 I R 297/82, BFHE 146, 91, BStBl II 1986, 415; vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081). Der Zusammenhang zwischen dem in Anspruch genommenen Kredit und dem einzelnen Geschäftsvorfall muß vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kredits auch tatsächlich gewahrt werden (BFH-Urteile vom 25. Juli 1961 I 54/60 U, BFHE 73, 427, BStBl III 1961, 422; vom 23. Februar 1967 IV 344/65, BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322).

Dagegen sind allgemeine Geschäftskredite, d.h. Schulden, die insbesondere der Beschaffung des für das Unternehmen erforderlichen Anlagevermögens dienen, ihrem Charakter nach regelmäßig keine laufenden Verbindlichkeiten, sondern Dauerschulden, und zwar jedenfalls dann, wenn ihre Laufzeit zwölf Monate übersteigt (BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481). Verbindlichkeiten aus einem allgemeinen Geschäftskredit, den eine Bank für längere Zeit bis zu einer bestimmten Höchstgrenze einräumt, sind auch dann keine Schulden aus laufendem Geschäftsbetrieb, wenn die Beteiligten den Kredit zwar zur Finanzierung von Warengeschäften gewährt und aufgenommen haben, die enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Kredit und den einzelnen Geschäften aber nicht gegeben und nicht nachprüfbar ist (BFH-Urteile vom 1. Dezember 1959 I 172/58 U, BFHE 70, 137, BStBl III 1960, 51; in BFHE 73, 427, BStBl III 1961, 422; vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, BStBl II 1987, 443, und vom 7. August 1990 VIII R 6/90, BFHE 162, 350, für den von einer Bank gewährten Globalkredit zur Finanzierung von Exportlieferungen).

b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall ergibt sich, daß die streitigen Kundenguthaben für die Klägerin in Höhe eines Mindestbestandes den Charakter von Dauerschulden hatten und nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der Klägerin entstanden sind. Zwar stand die Klägerin mit den Kunden in A und B in laufendem Geschäftsverkehr, da sie an diese ständig Waren lieferte und die Kunden die gelieferten Waren bezahlten. Die Guthaben, die die Kunden auf besonderen Konten bei der Klägerin unterhielten, waren hingegen weder rechtlich noch wirtschaftlich Teil dieses laufenden Geschäftsverkehrs, sondern hatten in diesem lediglich ihren Ursprung. Die Beträge, die den Kunden auf den besonderen Konten gutgeschrieben wurden, waren allerdings zuvor den Kunden in einem Betrag mit dem für die eigentliche Warenlieferung zu zahlenden Betrag in Rechnung gestellt worden. Unstreitig sollte damit der wirkliche Sachverhalt aber nur verschleiert werden, nämlich der Umstand, daß nicht Schulden aus Warenlieferung bezahlt, sondern für die Kunden unabhängig von bestimmten Warengeschäften ausländische Guthaben zur freien Verfügung begründet werden sollten. Bei dieser Zweckrichtung der Überzahlungen und mit Rücksicht darauf, daß es auch an entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen und deren buchmäßiger Durchführung fehlt, verbietet es sich auch, die Beträge auf den besonderen Konten als Anzahlungen auf von der Klägerin geschuldete Warenlieferungen oder als Kredite zur Finanzierung bestimmbarer einzelner Warengeschäfte anzusehen. Die Beträge auf den besonderen Konten müssen demzufolge als der Klägerin darlehensweise zur Verfügung gestellte Beträge angesehen werden, die von ihr allgemein für betriebliche Zwecke einschließlich der Finanzierung von Warengeschäften verwendet werden konnten. Das ergibt sich auch daraus, daß die Klägerin den Kunden auf deren Guthaben laufend bankübliche Zinsen gutschrieb. Von dieser Zwecksetzung her gleicht der Kredit einem allgemeinen Geschäftskredit, den eine Bank ihrem Kunden einräumt. Dagegen ist unerheblich, daß die Klägerin mit der gewählten Gestaltung einem Wunsch ihrer Kunden nachgekommen ist. Entscheidend ist, daß es durch diese Gestaltung zu einer dauerhaften Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin gekommen ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Juni 1957 IV 140/56 U, BFHE 65, 140, BStBl III 1957, 287). Es ist deshalb gerechtfertigt, für die gewerbesteuerrechtliche Qualifizierung des Kredits auf die für Kontokorrentschulden geltenden Grundsätze zurückzugreifen. Bei Kontokorrentschulden wird nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223, und vom 8. Februar 1984 I R 15/80, BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379) eine Dauerschuld grundsätzlich in Höhe des Mindestbetrags der Schuld angenommen, die während des ganzen Wirtschaftsjahres bestanden hat (vgl. auch Abschn. 47 Abs. 8 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR -). FA und FG haben dies beachtet, da in den geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheiden, die gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, nur noch die auf den Guthabenkonten jeweils vorhandenen Mindestbeträge und die darauf entfallenden Zinsen als Dauerschulden bzw. Dauerschuldzinsen behandelt wurden.

2. Der Auffassung der Revision, die beiden Kundenkonten, nämlich das den eigentlichen Warenverkehr betreffende Konto (Warenkonto) und das besondere Konto, seien als Einheit anzusehen, kann nicht gefolgt werden.

a) In der Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, daß Dauerschulden auch gegenüber einem Gläubiger bestehen können, gegen den kurzfristige Forderungen bestehen und daß die Dauerschuld nicht um den Betrag der kurzfristigen Forderung zu mindern ist.

Grundsätzlich ist nämlich jede Schuldaufnahme im Rahmen des Gewerbebetriebs eine Verstärkung des Betriebskapitals (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 1989 I R 85/85, BFHE 158, 79, BStBl II 1989, 900, m.w.N.). Bei mehreren Rechtsgeschäften ist jedes einzelne für sich zu betrachten (BFH-Urteil vom 31. Juli 1962 I 255/61 U, BFHE 75, 751, BStBl III 1962, 540). Deshalb ist z.B. entschieden worden, daß Dauerschulden auf einem bei einer Bank unterhaltenen Kontokorrentkonto mit Guthaben auf einem anderen Konto bei derselben Bank jedenfalls dann nicht verrechnet werden können, wenn das Guthaben infolge langfristiger Festlegung der Mittel z.Zt. nicht zur Tilgung der Dauerschulden herangezogen werden kann (Urteil in BFHE 75, 751, BStBl III 1962, 540), daß eine langfristige Bankschuld nicht um ein Festgeldguthaben bei derselben Bank gemindert wird (BFH-Urteil vom 10. November 1976 I R 133/75, BFHE 120, 545, BStBl II 1977, 165) und daß Voraussetzung für eine Zusammenfassung zweier Konten auch die regelmäßige Verrechnung des Guthabens auf dem einen Konto mit der Verbindlichkeit auf dem anderen Konto ist (BFH-Urteile vom 6. Juni 1973 I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670, und Urteile in BFHE 120, 545, BStBl II 1977, 165, und BFHE 158, 79, BStBl II 1989, 900). Diese Grundsätze sind nicht auf den Bankenbereich beschränkt, sondern gelten allgemein, und zwar auch dann, wenn sich eine kurzfristige Forderung und eine längerfristige Verbindlichkeit gegenüberstehen (Urteil in BFHE 158, 79, BStBl II 1989, 900).

b) Danach kommt auch im Streitfall eine Verrechnung der beiden Konten nicht in Betracht. Bei dem Kredit auf dem besonderen Konto handelte es sich in Höhe des jeweiligen Mindestbetrags um einen tatsächlich langfristigen Kredit ohne rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Warengeschäften, die jeweils zum Ausweis von Forderungen gegen den Kunden auf dem anderen Konto führten. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG kam es auch nicht zu regelmäßigen Verrechnungen der beiden Konten; eine solche hätte sogar dem Zweck der besonderen Konten für die Kunden widersprochen. Andererseits wurden die Forderungen auf dem Warenkonto nach Feststellungen des FG von den Kunden fortlaufend getilgt und waren auch die Zinsmodalitäten unterschiedlich (Tageszinsen für Forderungen auf den Warenkonten, Monatszinsen für die Verbindlichkeiten auf den besonderen Konten). Die Revision hat zulässige und begründete Verfahrensrügen in bezug auf diese Feststellungen nicht vorgetragen; sie sind deshalb für den BFH als Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat darauf hingewiesen, ohne den laufenden Geschäftsverkehr wäre es zum Aufbau der Guthabenkonten nicht gekommen. Dies mag zutreffen; es rechtfertigt jedoch nicht die angestrebte Saldierung. Die Führung verschiedener Konten rechtfertigt deren Zusammenfassung nämlich nicht schon deshalb, weil die Geschäfte, die auf dem einen Konto und jene Geschäfte, die auf dem anderen Konto dokumentiert werden, in dem Sinne zusammenhingen, daß die eine Gruppe von Geschäften (hier: die Kreditaufnahme auf den besonderen Konten) nicht zustande gekommen wäre, wenn die anderen Geschäfte (hier: Warenlieferungen) nicht abgeschlossen worden wären (Urteile in BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670, und BFHE 120, 545, BStBl II 1977, 165).

Danach war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.