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  BFH-Urteil vom 28.11.1990 (VI R 115/87) BStBl. 1991 II S. 488

Ein Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid ist dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn in seinem Tenor oder in seinen Anlagen der Sachkomplex bezeichnet ist, auf dem die Erhebung der pauschalen Lohnsteuer beruht.

EStG § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; AO 1977 § 157 Abs. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Im Rahmen einer im Jahre 1979 durchgeführten und den Zeitraum Juli 1975 bis Dezember 1977 betreffenden Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) im Prüfungszeitraum Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Höhe von 33.045 DM steuerfrei ausgezahlt hatte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hielt im Anschluß an die Prüfung die Steuerfreiheit der ausgezahlten Zuschläge nicht für gegeben, da ein gesonderter Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit tarifvertraglich weder dem Grunde noch der Höhe nach festgelegt gewesen sei. Das FA erließ nach entsprechendem Antrag der Klägerin gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid, in welchem es die Klägerin als Steuerschuldnerin auf Lohnsteuer in Höhe von 16.192,05 DM, römisch-katholische Kirchenlohnsteuer in Höhe von 755,62 DM bzw. evangelische Kirchenlohnsteuer in Höhe von 377,81 DM in Anspruch nahm. Der Lohnsteuerbetrag in Höhe von 16.192,05 DM ist in dem Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid ebenso wie die entsprechenden Kirchenlohnsteuerbeträge in einer Summe angegeben. Der Bescheid verweist wegen der Berechnungsgrundlagen auf den beigefügten Zusatzprüfungsbericht vom 29. August 1979, dem ebenfalls nicht zu entnehmen ist, wann die umstrittenen Zuschläge jeweils innerhalb des Prüfungszeitraums gezahlt worden sind.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin allein die Verweigerung der Steuerfreiheit der unstreitig gezahlten Zuschläge angreift, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den angegriffenen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid aus formellen Gründen auf und führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Der Bescheid entspreche nicht den inhaltlichen Anforderungen der §§ 119 Abs. 1 und 157 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). In einem Bescheid, in dem Steuern für mehrere Kalenderjahre angefordert würden, müßten die auf die einzelnen Kalenderjahre entfallenden Steuern betragsmäßig gesondert ausgewiesen werden. Zwar reiche es dazu aus, wenn sich aus einem gleichzeitig mit dem Bescheid bekanntgegebenen Prüfungsbericht die Aufteilung klar und eindeutig ergebe. Daran fehle es aber im Streitfall. Zwar verweise der angefochtene Bescheid auf den Prüfungsbericht vom 29. August 1979. Doch seien die geforderten Steuerbeträge in diesem Bericht ebenfalls nicht nach Jahren aufgeteilt. Soweit nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. März 1985 VII R 194/83 (BFH/NV 1986, 317) auf die Aufgliederung nach Besteuerungszeiträumen im Bescheid selbst verzichtet werden könne, wenn der Adressat aus den ihm bekannten näheren Umständen hinreichend Klarheit gewinnen könne, führe dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, weil vorliegend keine Umstände erkennbar seien, die eine Aufteilung der Steuerbeträge zuließen. Eine Bezugnahme in einem Bescheid auf einen Prüfungsbericht reiche nur dann aus, wenn auf einen Blick erkennbar sei, für welche Steuer der Arbeitgeber nach Art und Betrag in Anspruch genommen werde. Seien hingegen weitere Ermittlungen und Berechnungen erforderlich, so werde die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheides durch eine Bezugnahme auf einen Prüfungsbericht nicht hergestellt. Auf eine Aufteilung der Steuerbeträge könne auch nicht verzichtet werden, da die Aufteilung für die Feststellung einer etwa eingetretenen Verjährung notwendig sei. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG entstehe die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe. Übernehme der Arbeitgeber die auf seinen Antrag nach § 40 Abs. 1 EStG pauschal ermittelte Lohnsteuer, werde er Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Diese Übernahme könne sich grundsätzlich nur auf solche Jahre erstrecken, in denen die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer noch nicht verjährt sei. Etwas anderes folge auch nicht daraus, daß die Steuerschuld der Klägerin erst mit der Übernahmeerklärung im Jahre 1979 entstanden sei. Zwar solle sich nach dem Urteil des BFH vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) die pauschale Lohnsteuer nicht auf ein Kalenderjahr, sondern kalenderjahrunabhängig lediglich auf die nachzuversteuernden Bezüge beziehen. Aus § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Jahre 1979 geltenden Fassung ergebe sich aber eindeutig, daß die Berechnung der Steuer jahresabhängig bleibe, weil der durchschnittliche Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse zu ermitteln sei. Der nach § 38a EStG zu ermittelnde Pauschsteuersatz könne daher von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen. Darauf, ob die Höhe der Jahrespauschsteuersätze oder die Frage der Verjährung im Streitfall tatsächlich von Bedeutung sei, komme es nicht an; denn die inhaltliche Bestimmtheit eines Bescheides könne nicht davon abhängen, daß diese Fragen zusätzlich zu prüfen seien.

Mit seiner Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Zur Begründung legt es im einzelnen dar: Nach dem BFH-Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 handele es sich bei der pauschalen Lohnsteuer um eine Unternehmenssteuer eigener Art, die kalenderjahrunabhängig erst mit der Durchführung der Lohnsteuer-Pauschalierung, also in Fällen des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit Erlaß des Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheides entstehe. Der Bescheid datiere vom 5. September 1979, die nachgeforderte Steuer sei damit eine Steuer des Jahres 1979. Daran ändere nichts der Umstand, daß die Berechnung der Steuer jahresabhängig sei. Im übrigen sei der Bescheid durch Bezugnahme auf den Prüfungsbericht hinreichend bestimmt. Denn aus diesem ergebe sich, daß es sich bei der nachgeforderten Steuer um eine von der Klägerin übernommene pauschale Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer auf im Prüfungszeitraum Juli 1975 bis Dezember 1977 gezahlte Mehrarbeitszuschläge handele.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung im wesentlichen aus: Die Vorentscheidung sei schon deshalb zutreffend, weil sich weder aus dem Bescheid noch aus dem Prüfungsbericht ergebe, daß eine pauschale Steuer geltend gemacht worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Entgegen der Auffassung des FG ist der Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid vom 5. September 1979 inhaltlich hinreichend bestimmt. Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG ist der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Der Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid, in der Praxis und in den Vordrucken der Finanzverwaltung häufig auch als Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid bezeichnet, ist, da der Arbeitgeber nicht für eine fremde Schuld haftet, sondern für eine eigene Schuld einzustehen hat, ein Steuerbescheid (z.B. Urteile vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472, und vom 2. Dezember 1983 VI R 47/80, BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362).

Da nichts anderes bestimmt ist, sind Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheide schriftlich zu erteilen. Schriftliche Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Die Steuer ist nach ihrer Art hinreichend bezeichnet, wenn sich aus dem Bescheid eindeutig ergibt, daß eine pauschale Steuer i.S. der Pauschalierungsvorschriften des EStG geltend gemacht wird, wenn eine betragsmäßige Aufteilung auf die pauschale Lohnsteuer und die pauschale Kirchenlohnsteuer erfolgt ist und wenn der Sachkomplex bezeichnet ist, der der pauschalen Lohnsteuer zugrunde liegt. Die pauschale Lohnsteuer i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist eine sachverhaltsbezogene Steuer. Sie beruht in Verbindung mit einem entsprechenden Pauschalierungsantrag auf einem fehlerhaften Steuereinbehalt hinsichtlich bestimmter Lohnzuwendungen (Thomas in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 40 Rn. 79). Diese Steuer ist i.S. des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 dann nach ihrer Art hinreichend bezeichnet, wenn der Sachkomplex angegeben ist, auf dem die Steuer beruht. Denn nur dann ist ersichtlich, wofür die Steuer geschuldet wird. Daß es der Angabe des Sachkomplexes zur hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheides bedarf, wird deutlich, wenn man die Praxis zahlreicher FÄ nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung in die Betrachtung einbezieht. Es kommt - so wohl auch im Streitfall - immer wieder vor, daß die FÄ die unstreitigen Sachkomplexe in einem Prüfungsbericht darstellen und die Lohnsteuer durch einen im Anschluß daran erlassenen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid geltend machen, während ein daneben bestehender streitiger Sachkomplex in einem Zusatz- oder Ergänzungsbericht dargestellt wird und diese Lohnsteuer in einem weiteren Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid festgesetzt wird, welcher - wie vorliegend - Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung wird. Ohne die Bezeichnung der Sachkomplexe wären die Steuergegenstände in den Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheiden nicht konkretisiert; die Bescheide wären keinem konkreten Vorgang zuzuordnen. Derartige Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheide wären mit Einkommensteuerbescheiden zu vergleichen, denen nicht zu entnehmen ist, welches Jahr sie betreffen und die ebenfalls den inhaltlichen Anforderungen des § 157 Abs. 1 AO 1977 nicht entsprechen.

Die vorgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Bescheid ist als "Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid" bezeichnet und enthält den Hinweis, daß die Klägerin die nach Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer getrennt aufgeführten Beträge nach den Pauschalierungsvorschriften des EStG und nach den entsprechenden Vorschriften der Kirchensteuergesetze (KiStG) schuldet. Weiterhin ist dem Bescheid in Verbindung mit dem als Anlage beigefügten Prüfungsbericht (zur Bezugnahme auf Prüfungsberichte s. BFH-Beschluß vom 1. August 1985 VI R 28/79, BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664, 668, rechte Spalte; BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 208/82, BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152, 153, linke Spalte) zu entnehmen, aus welchem Sachkomplex die Klägerin in Anspruch genommen worden ist. Es geht um die Nachforderung von Lohnsteuer aus in der Zeit von Juli 1975 bis Dezember 1977 gezahlten Mehrarbeitszuschlägen, die die Klägerin nach Auffassung des FA zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt haben soll. Durch diese Bezeichnung ist klar, was von der Klägerin verlangt wird. Der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid erfüllt damit die inhaltlichen Anforderungen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977.

Entgegen der Auffassung des FG war der Lohnsteuerbetrag nicht auf die einzelnen Kalenderjahre aufzuteilen, in denen der Lohnsteuerabzug nach Auffassung des FA fehlerhaft erfolgt war. Die pauschale Lohnsteuer ist zwar eine von der Lohnsteuer der Arbeitnehmer abgeleitete Steuer des Arbeitgebers (BFH-Urteil vom 30. November 1989 I R 14/87, BFHE 159, 82, 85, BStBl II 1990, 993), wenn sie auch wegen der Durchschnittsberechnung (vgl. Abschn. 93 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1978; jetzt Abschn. 126 Abs. 3 LStR 1990) nicht mit der Summe der individuellen von den einzelnen Arbeitnehmern geschuldeten Lohnsteuer-Abzugsbeträgen identisch ist. Sie entsteht aber im Zeitpunkt der Pauschalierung und daher insoweit kalenderjahrunabhängig von der ihr zugrunde liegenden individuellen Lohnsteuer der einzelnen Arbeitnehmer. Daran ändert nichts der Umstand, daß bei der Ermittlung der pauschalen Lohnsteuer für jedes Kalenderjahr getrennt ein durchschnittlicher Steuersatz zu berechnen ist, der sich aus einem Vergleich der durchschnittlichen Jahres-Lohnsteuerbelastung der Arbeitnehmer in den einzelnen Lohnsteuer-Klassen ohne und mit den nachzuentrichtenden Bezügen ergibt (Senatsurteil vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726, 728, unter B II der Entscheidungsgründe). Dies ist keine Frage, die die inhaltliche Bestimmtheit des Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheides berührt, sondern eine Frage, die der Begründung des Bescheides zuzuordnen ist (§ 121 AO 1977). Die Art der Berechnung der pauschalen Lohnsteuer macht diese auch nicht etwa zu einer zeitraumbezogenen Steuer. Vielmehr handelt es sich - wie bereits erwähnt - um eine sachverhaltsbezogene Steuer.

Auch für die Feststellung einer etwa eingetretenen Verjährung ist die Aufteilung der pauschalen Steuer auf einzelne Kalenderjahre aus Gründen der inhaltlichen Bestimmtheit des Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheides nicht geboten. Richtig ist zwar, daß die pauschale Lohnsteuer, da sie eine von der Steuer der Arbeitnehmer abgeleitete Steuer ist, nicht entstehen kann, wenn im Zeitpunkt der Pauschalierung die Steuer des Arbeitnehmers bereits durch Verjährung erloschen ist. Eine kalenderjahrmäßige Aufteilung der pauschalen Steuer läßt aber keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Steuer des Arbeitnehmers durch Verjährung erloschen ist oder nicht. Wann die Einkommensteuer des Arbeitnehmers verjährt, hängt, wenn eine Einkommensteuererklärung abgegeben oder ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich gestellt wurde, davon ab, wann der Arbeitnehmer seine Einkommensteuererklärung oder einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beim FA abgegeben hat (vgl. § 170 AO 1977; ferner Senatsurteil vom 9. März 1990 VI R 87/89, BFHE 160, 202, BStBl II 1990, 608, zum Beginn der Festsetzungsfrist im Falle des Antrages auf Lohnsteuer-Jahresausgleich, und Senatsurteil vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526, wonach eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Festsetzungsfrist in bezug auf den Einkommensteueranspruch gegen den Arbeitnehmer nicht hemmt). Diese Umstände lassen sich aus dem Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid nicht entnehmen. Dann erscheint eine kalenderjahrmäßige Aufteilung des Steuerbetrages aus Gründen der inhaltlichen Bestimmtheit (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) auch nicht geboten.

Das FG hat damit den Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid zu Unrecht aus formellen Gründen aufgehoben. Die Sache geht an die Vorinstanz zurück, damit diese über die materiell-rechtlichen Streitfragen entscheidet.