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  BFH-Urteil vom 12.4.1991 (III R 85/89) BStBl. 1991 II S. 518

Eine sittliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt zwischen Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft volljähriger Personen kommt nur in Betracht, wenn die Bedürftigkeit eines Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen (Fortführung der BFH-Urteile vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, und vom 18. April 1990 III R 102/87, BFHE 160, 519, BStBl II 1990, 886).

EStG § 33 Abs. 2, § 33a Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1989, 511)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist unverheiratet; er lebte im Streitjahr 1984 mit seinem arbeitslosen Lebensgefährten in einem gemeinsamen Haushalt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1984 begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Aufwendungen für den Unterhalt seines Lebensgefährten in Höhe von 3.600 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies mit dem angefochtenen Einkommensteuer- und dem Einspruchsbescheid ab.

Die dagegen gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ 3.150 DM zum Abzug zu und führte zur Begründung seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 511 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Der Kläger habe sich den Unterhaltsleistungen an seinen Lebensgefährten aus sittlichen Gründen nicht entziehen können. Es sei von einer sittlichen Verpflichtung auszugehen; denn die Allgemeinheit würde es in hohem Maße verurteilen, wenn der Kläger sich geweigert hätte, den Freund aufzunehmen, als dieser arbeitslos geworden sei. Ein derartiges Verhalten wäre von der Öffentlichkeit als Nichterfüllung einer selbstverständlichen Handlung angesehen und als moralisch anstößig empfunden worden (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1987 III R 141/86, BFHE 150, 424, BStBl II 1987, 779). Die Erwägungen des BFH in seiner Entscheidung zur eheähnlichen Gemeinschaft (Urteil vom 18. Juli 1980 VI R 193/78, BFHE 131, 348, BStBl II 1980, 693) träfen im Streitfall nicht zu, denn beide Partner hätten den Haushalt arbeitsteilig geführt. Die Zuwendungen seien jedoch insoweit nicht zwangsläufig, als der Partner darauf verzichtet habe, Arbeitslosengeld zu beantragen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats erwachsen Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seinen Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht allein schon aufgrund des - auch auf Dauer angelegten- Zusammenlebens und wegen der gemeinsamen Haushalts - und Wirtschaftsführung zwangsläufig i.S. von § 33a Abs. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG (Urteile vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, und vom 18. April 1990 III R 102/87, BFHE 160, 519, BStBl II 1990, 886). Danach kommt eine sittliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt zwischen Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht generell, sondern nur für den Fall in Betracht, daß die Bedürftigkeit eines Partners gemeinschaftsbedingt ist oder besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen. Zur Begründung im einzelnen verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294).

2. Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften volljähriger Personen übertragbar. Ungeachtet etwa vorhandener sozialethischer Vorbehalte gegen derartige Verbindungen in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ist anerkannt, daß das Zusammenleben homosexueller Menschen der verantwortlichen Lebensführung in einer eheähnlichen Gemeinschaft entsprechen kann und damit ähnliche Beistandspflichten erzeugt, die sich auch zur Annahme sittlicher Gründe i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG verdichten können. Wie bei einer eheähnlichen Gemeinschaft ist dies jedoch nur für den Fall in Betracht zu ziehen, daß die Bedürftigkeit eines Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen. Weder hat das FG im Streitfall derartige besondere Verhältnisse festgestellt noch hat der Kläger solche Umstände geltend gemacht.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; die Klage war daher abzuweisen.