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  BFH-Urteil vom 7.11.1990 (X R 203/87) BStBl. 1991 II S. 547

Leitet eine als gemeinnützig anerkannte Institution Spenden satzungswidrig ganz überwiegend an politische Parteien weiter ("Spendenwaschanlage"), so entfällt ein (teilweiser) Spendenabzug auch hinsichtlich der satzungsgemäß verwendeten Beträge.

AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 4; EStG § 10b; EStDV § 48 Abs. 3 Nr. 2; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1988, 17)

Sachverhalt

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden. Die Klägerin ist Gesellschafterin einer KG. Die KG wendete der X-Vereinigung im Jahre 1977 einen Betrag in Höhe von 4.000 DM zu. Die X war durch Körperschaftsteuerfreistellungsbescheid des Finanzamts nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit. Sie bestätigte in der Spendenquittung, daß der ihr zugewendete Betrag ausschließlich und unmittelbar zu den in Anlage 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) bezeichneten, besonders förderungswürdigen gemeinnützigen Zwecken verwandt werde. Im April 1979 teilte die für die KG zuständige Dienststelle der für die Veranlagung der Klägerin zuständigen Dienststelle mit, der Anteil der Klägerin an Spenden und Beiträgen i.S. des § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 betrage 1.607 DM (davon 1.334 DM Zuwendungen an die X).

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte aufgrund der im März 1979 abgegebenen Einkommensteuererklärung im endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1977 vom 26. Juni 1979 (der aus nicht im Streit befindlichen Gründen - gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) - durch Einkommensteuerbescheid vom 6. August 1980 geändert wurde) den Anteil der Klägerin an der der X gemachten Zuwendung als Sonderausgaben. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Juni 1984 teilte die Steuerfahndungsstelle B dem veranlagenden FA mit, es habe sich herausgestellt, daß die X satzungswidrig als "Spendenwaschanlage" tätig geworden sei. Sie habe die von ihr vereinnahmten Spenden teilweise unter Einbehaltung einer Provision in Höhe von 10 v.H. an bestimmte Vereinigungen i.S. des § 2 des Parteiengesetzes (PartG) weitergeleitet. Feststellungen darüber, "daß die KG Kenntnis von der Funktion der X als Spendenwaschanlage gehabt habe", hätten nicht getroffen werden können. Die Steuerpflichtigen schieden mangels nachgewiesener eigener Kenntnisse über die Funktion der X als Täter einer Steuerhinterziehung aus.

Im August 1984 teilte die für die KG zuständige Dienststelle der für die Kläger zuständigen Dienststelle mit, der Anteil der Klägerin an von der KG geleisteten Spenden betrage nur 273 DM (1.607 DM ./. 1.334 DM). Das FA erließ daraufhin am 6. September 1984 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 17 wiedergegebenen Gründen für teilweise begründet.

Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Kläger als auch das FA Revision eingelegt.

Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie tragen vor, das FG hätte sich vom Wahrheitsgehalt der Behauptung des FA, daß die Spende zum Teil nicht satzungsgemäß verwendet worden sei, durch geeignete Beweise überzeugen müssen. Aus den Einnahme-Ausgabenrechnungen der X gehe hervor, daß erhebliche Beträge auch für satzungsgemäße Zwecke verwendet worden seien; der Betrag von 4.000 DM habe darin ohne weiteres enthalten sein können. Eine Verletzung materiellen Rechts sehen die Kläger in der Aufteilung des Spendenbetrages in einen abziehbaren und einen nichtabziehbaren Teil. Eine solche Aufteilung sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Spende an die X in voller Höhe als Sonderausgabe zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA hat ebenfalls Revision eingelegt. Es beantragt, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage auch insoweit abzuweisen, als das FG bei der Neufestsetzung der Einkommensteuer 1977 eine weitere Spende von 134 DM steuermindernd berücksichtigt hat.

Das FA rügt Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Verletzung des § 48 Abs. 3 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Es führt aus:

Das FG habe die Aufteilung des Spendenbetrages in einen abziehbaren und in einen nichtabziehbaren Teil auf den (in der Sitzungsniederschrift nicht protokollierten) Vortrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung gestützt, die X sei auch im Rahmen sog. Wirtschaftsgespräche tätig geworden, ohne daß die Kläger nähere Angaben zum Charakter und zum Inhalt der "Wirtschaftsgespräche" gemacht hätten. Das FG habe daraus den Schluß gezogen, die X sei insoweit satzungsgemäß und gemeinnützig tätig gewesen. Das FG hätte den tatsächlichen Gehalt dieser Gespräche ermitteln müssen.

Hinzu komme, daß nach Abschn. i.V. 1 des Vermerks der Staatsanwaltschaft .... vom 10. Dezember 1982, auf den sich auch das FG bezogen habe, die X im Streitjahr 1977 591.585 DM als Ausgaben für Zwecke der A-Partei geleistet habe. Dieser Betrag habe die Summe der "Förderungsbeiträge" (510.000 DM) und Ausgaben für "Wirtschaftsgespräche" (44.520,58 DM) lt. Einnahmen- und Ausgabenrechnung der X übertroffen. Der Gedanke, daß auch die "Wirtschaftsgespräche" satzungswidrigen Zwecken gedient haben könnten, habe sich in Anbetracht des unbestrittenen Charakters der X als "Spendenwaschanstalt" geradezu aufdrängen müssen.

Auf der Grundlage der Sachverhaltsfeststellungen des FG verletze das Urteil § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV. Die X sei nicht gemeinnützig gewesen und habe nicht zu dem in § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV genannten Empfängerkreis gehört. Ihr habe das Merkmal der Ausschließlichkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gefehlt. Die konkrete Einzelspende sei nach den Feststellungen des FG teilweise satzungswidrig verwendet worden. Der Mangel der Gemeinnützigkeit könne nicht durch den guten Glauben der Klägerin überwunden werden. Hinsichtlich der tatsächlichen Verwendung der konkreten Einzelspende durch die X habe jedenfalls kein vertrauensbildendes Verhalten der Finanzverwaltung vorgelegen.

Die Kläger treten der Revision des FA entgegen.

Entscheidungsgründe

Beide Revisionen führen zur Aufhebung der Entscheidung des FG und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I. Revision der Kläger

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin als Gesellschafterin und nicht die KG berechtigt ist, den Spendenabzug i.S. des § 10b EStG geltend zu machen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1990 X R 149/88, BFHE 162, 251, BStBl II 1991, 70).

2. Das FG hat nicht geprüft, ob der angefochtenen Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1977 Festsetzungsverjährung entgegenstand.

a) Die Festsetzungsverjährung für den nach dem 31. Dezember 1976 entstandenen Einkommensteueranspruch 1977 (vgl. § 36 Abs. 1 EStG) bestimmt sich gemäß Art. 97 § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694) nach der AO 1977.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 beträgt die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer in der Regel vier Jahre. Sie beläuft sich dagegen auf zehn Jahre, soweit Einkommensteuer hinterzogen, und auf fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

Die vierjährige Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1979, in dem die Kläger ihre Steuererklärung für 1977 abgaben, und endete möglicherweise mit Ablauf des Jahres 1983, also vor Ergehen des Einkommensteueränderungsbescheides für 1977 vom 6. September 1984.

b) Daß der Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 171 AO 1977 gehemmt worden wäre, ist weder vom FG festgestellt noch sonst ersichtlich.

Der Änderungsbescheid vom 6. August 1980 hat den Lauf der Verjährungsfrist nicht beeinflußt (§ 171 Abs. 10 AO 1977). Auch die bei der X durchgeführte Steuerfahndungsprüfung konnte den Ablauf der Verjährungsfrist nicht hemmen. Nach § 171 Abs. 4 AO 1977 läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, auf die sich eine Außenprüfung erstreckt, nicht ab, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob als Außenprüfung i.S. des § 171 Abs. 4 AO 1977 auch eine Steuerfahndungsprüfung anzusehen ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 171 AO 1977 Tz. 12). Denn Außenprüfungen, die - wie hier - nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei einem Dritten durchgeführt werden, haben keinen Einfluß auf den Ablauf der dem Steuerpflichtigen gegenüber laufenden Verjährungsfristen (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526).

c) Das FG hat sich nicht dazu geäußert, ob die Verjährungsfrist fünf bzw. zehn Jahre betrug. Dies wäre der Fall, wenn die Kläger eine leichtfertige Steuerverkürzung bzw. eine Steuerhinterziehung begangen hätten. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben. Die Mitteilung der Steuerfahndung an die Veranlagungsstelle, die Steuerpflichtigen schieden mangels nachgewiesener Kenntnisse über die Funktion der X als Täter einer Steuerhinterziehung aus, konnte das FG von der Verpflichtung zur eigenen Sachaufklärung und Tatsachenwürdigung nicht entbinden.

Das FG wird bei der Feststellung, ob Einkommensteuer leichtfertig verkürzt oder hinterzogen worden ist, das Urteil des BFH vom 13. Dezember 1989 I R 39/88 (BFHE 159, 188, BStBl II 1990, 340) zu beachten haben.

3. Gelangt das FG zu dem Ergebnis, daß Festsetzungsverjährung eingetreten ist, ist die Klage begründet. In diesem Fall wenden sich die Kläger zu Recht gegen die teilweise Rückgängigmachung des Sonderausgabenabzugs der anteilig auf die Klägerin entfallenden Spende.

Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, wird bei der Prüfung der weiteren Frage, ob die von der X ausgestellte Spendenbescheinigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben einen konkreten Schutz zugunsten der Kläger begründen konnte, das Urteil des BFH vom 9. August 1989 I R 181/85 (BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990) berücksichtigt werden müssen.

Danach hat bei den Klägern zwar nicht die Ausstellung der Spendenquittung durch die X, möglicherweise aber ein dem FA zuzurechnendes Verhalten der Finanzverwaltung eine schützenswerte Vertrauensposition begründen können. So etwa, wenn vorgesetzte Dienststellen (Ministerium, Oberfinanzdirektion) oder weisungsbefugte Personen (Minister, leitende Beamte) Kenntnis von den tatsächlichen Verhältnissen in der Geschäftsführung der X, insbesondere von der Weiterleitung von Spenden und sonstigen Mitteln an politische Parteien erlangt und pflichtwidrig nicht dafür gesorgt haben sollten, daß dieses Wissen über das FA an den Steuerpflichtigen gelangte. Eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz setzt allerdings außerdem voraus, daß sich der Spendende (oder der in seinem Auftrag Handelnde) seinerseits nicht treuwidrig verhalten, d.h. vor allem von der Weiterleitung der Spende an politische Parteien i.S. des § 2 PartG nichts gewußt hat (s. das Urteil des Senats vom 7. November 1990 X R 143/88, BStBl II 1991, 325).

II. Revision des FA

1. War Festsetzungsverjährung eingetreten oder greifen die Grundsätze von Treu und Glauben zugunsten der Kläger ein, wendet sich das FA im Ergebnis erfolglos gegen die Anerkennung von 10 v.H. der anteilig auf die Klägerin entfallenden Spende.

2. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist und auch die Grundsätze von Treu und Glauben nicht eingreifen, gilt folgendes: Entgegen der Auffassung des FG findet eine Aufteilung von Spenden in abziehbare und nichtabziehbare Teile je nach satzungsgemäßer und nichtsatzungsgemäßer anteiliger Verwendung der Spende nicht statt.

Nach § 10b EStG sind Ausgaben zur Förderung u.a. der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke in bestimmter Höhe als Sonderausgaben abziehbar. Der Gesetzgeber hat die Bundesregierung durch § 51 Abs. 1 Nr. 2 c EStG ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen über eine Beschränkung des Abzugs von Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S. des § 10b EStG auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sowie über eine Anerkennung gemeinnütziger Zwecke als besonders förderungswürdig zu erlassen. Davon hat die Bundesregierung durch Erlaß der §§ 48 bis 50 EStDV Gebrauch gemacht. Nach der Rechtsprechung des BFH sind die §§ 48 bis 50 EStDV rechtswirksam (Urteile vom 15. Juni 1973 VI R 35/70, BFHE 110, 112, BStBl II 1973, 850; vom 19. März 1976 VI R 72/73, BFHE 118, 224, BStBl II 1976, 338; vom 18. Dezember 1981 VI R 155/78, nicht veröffentlicht - NV -; vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814).

Gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV sind Zuwendungen für die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Zwecke nur dann abziehbar, wenn der Empfänger der Zuwendungen eine in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse "ist" und bestätigt, daß sie den zugewendeten Betrag "nur" für ihre satzungsgemäßen Zwecke verwendet. Die Bescheinigung allein genügt also ebensowenig wie die förmliche Anerkennung. Erforderlich ist vielmehr, daß der Empfänger der Zuwendung tatsächlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG qualifiziert ist. Das war bei der X schon im Hinblick auf die Art der Geschäftsführung nicht der Fall: Diese war nämlich - wie im Urteil des FG für den erkennenden Senat bindend festgestellt worden ist (§ 118 Abs. 2 FGO) - in Wirklichkeit nicht darauf gerichtet, "ausschließlich" gemeinnützigen Zwecken zu dienen (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 1987 3 StR 373/86, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 1274, 1279). Die (nicht entscheidungserheblichen) Ausführungen im BFH-Urteil vom 25. November 1987 I R 126/85 (BFHE 151, 544, 552, BStBl II 1988, 220, unter i.V. 2) zur Verwendung von gespendeten (Teil-)Beträgen betrafen einen anderen Sachverhalt sowie andere Rechtsfragen und bedürfen daher im Streitfall keiner weiteren Erörterung.

III. Da die Revisionen aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg haben, kommt es auf die von den Beteiligten erhobenen Verfahrensrügen nicht an.