| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 27.2.1991 (XI R 8/87) BStBl. 1991 II S. 703

Eine bereits bei Abschluß oder während des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Abfindung, die für den Verlust späterer Pensionsansprüche infolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Wahl des Arbeitgebers in einem Betrag ausgezahlt wird, ist keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (Abweichung vom BFH-Urteil vom 13. August 1975 VI R 164/71, BFHE 117, 40, BStBl II 1976, 38).

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der am ... 1921 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1971 Geschäftsführer der S-GmbH (GmbH) in K. Am 27. Juni 1972 sagte die GmbH dem Kläger eine Altersrente von monatlich 650 DM und seiner Frau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine Witwenrente in Höhe von monatlich 390 DM für den Fall zu, daß er nach Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem Dienstverhältnis ausschied. Weiter war vereinbart:

"Scheiden Sie vor Erreichen des 60. Lebensjahres aus unseren Diensten aus, so erlöschen alle Ansprüche auf die oben bezeichneten Leistungen. Sie erhalten dann jedoch eine Abfindung in Höhe des nach den Grundsätzen des § 6a EStG ermittelten Gegenwartswertes der Versorgungszusage am Bilanzstichtag vor Ihrem Ausscheiden aus unseren Diensten - nach unserem Ermessen als Kapital oder Rente."

Zur Erfüllung der Versorgungszusage hatte die GmbH mit Wirkung vom 1. März 1971 auf das Leben des Klägers in der Form eines Rückdeckungsvertrages eine Kapitalversicherung über 90.000 DM bei der A-Lebensversicherungs-AG abgeschlossen.

Zum 31. Mai 1980 kündigte die GmbH das Arbeitsverhältnis und stellte den Kläger laut Vereinbarung vom 29. Juni 1979 ab 1. Juli 1979 von seiner Arbeit frei bei Zahlung eines monatlichen Bruttogehaltes von 6.500 DM bis zum 31. Dezember 1979 und von 4.400 DM vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Mai 1980. Außerdem zahlte die GmbH zum 10. Dezember 1979 eine Abfindung von 24.000 DM und trat zum 1. März 1980 alle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versteuerte den dem Kläger 1980 aus der Lebensversicherung zugeflossenen und nach dem Rückkaufwert bemessenen Betrag in Höhe von 79.522 DM gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Einspruch und Klage, die auf Anwendung der §§ 24, 34 Abs. 1 EStG gerichtet waren, blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung rechtlichen Gehörs und Verletzung der §§ 24 Nr. 1 Buchst. a, b und 34 Abs. 1, Abs. 2 EStG.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) vom 17. März 1986 5 K 240/85 und des Einkommensteuerbescheides 1980 vom 15. März 1985 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1985 die Einkommensteuer 1980 anderweitig so festzusetzen, daß unter Berücksichtigung der Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 1, § 24 Nr. 1 EStG für 79.522 DM die Steuer mit 14.646 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet; die Versicherungsleistung ist keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 EStG.

1. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6; vom 20. November 1987 VI R 91/84, BFH/NV 1988, 564); dementsprechend muß die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1970 VI R 273/67, BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138; vom 25. März 1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472, BStBl II 1975, 634; in BFH/NV 1988, 564).

Im Streitfall hat die GmbH ihre Verpflichtung aus der Versorgungszusage vom 27. Juni 1972 erfüllt. Danach hatte der Kläger im Falle seines Ausscheidens vor Erreichen des 60. Lebensjahres Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, die die GmbH als Kapital oder Rente leisten konnte. Dieser Anspruch beruhte demnach nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage.

Die Erfüllung des Abfindungsanspruchs durch Abtretung aller Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag bedeutet lediglich eine Änderung der Zahlungsmodalität. Die Rechtsgrundlage als solche bleibt unberührt.

Die Entscheidung weicht ab von dem BFH-Urteil vom 13. August 1975 VI R 164/71 (BFHE 117, 40, BStBl II 1976, 38). Diesem Urteil lag der - vergleichbare - Fall zugrunde, daß bereits im Arbeitsvertrag für den Fall der Kündigung eine Pensionsabfindung in Höhe des jeweiligen Rückstellungsbetrages vereinbart worden war. Der VI. Senat führte dazu aus, daß der Kläger mit der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigt worden sei und daß es nicht entscheidend darauf ankommen könne, daß die Ansprüche des Klägers bereits bei Abschluß des Arbeitsvertrages festgelegt worden seien.

Von dieser Beurteilung, die auf das Merkmal der neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage nicht eingeht, ist der VI. Senat in späteren Entscheidungen - stillschweigend - wieder abgerückt (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176, und in BFH/NV 1988, 564). Im übrigen ist der XI. Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für 1991 (Teil A, sachliche Zuständigkeit der Senate, XI. Senat, 1c) für Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich zuständig (dazu vgl. BFH-Beschluß vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68).

2. Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG ebenfalls nicht vor. Die Zahlung des Kapitalbetrags ist keine Gegenleistung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1987 VI R 230/83, BFHE 149, 182, BStBl II 1987, 386).

3. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß § 119 Nr. 3 FGO greift nicht durch; für das FG bestand bei seiner Rechtsauffassung keine Veranlassung, die Gründe für die Auflösung des Dienstverhältnisses weiter aufzuklären.