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  BFH-Urteil vom 24.4.1991 (X R 84/88) BStBl. 1991 II S. 713

Auch die leihweise Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen an beherrschte Betriebskapitalgesellschaften kann eine Betriebsaufspaltung begründen.

EStG § 15.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleineigentümerin des Grundstücks H-Straße 30 in X (Größe 9.327 qm). Sie ist außerdem Alleingesellschafterin der H-GmbH und der R-GmbH. Die H-GmbH und die R-GmbH unterhalten auf dem Grundstück Produktionsstätten.

Auf dem Gelände befinden sich Fabrikations- und Bürogebäude, ein Ausstellungsraum, eine Lagerhalle und ein Pförtnerhaus. Drei nach dem Kriege von der H-GmbH errichtete Gebäude sind in deren Bilanzen als Gebäude auf fremdem Grund und Boden ausgewiesen. Die Klägerin überließ das Gelände und die ihr gehörigen Altgebäude unentgeltlich der H-GmbH und der R-GmbH zur Nutzung. Die H-GmbH trug alle mit dem überlassenen Grundstück und den überlassenen Altgebäuden zusammenhängenden Aufwendungen (Grundsteuer, Müllabfuhrkosten und laufende Hausaufwendungen).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm eine Betriebsaufspaltung an. Er ging davon aus, daß die Klägerin in ihrem Besitzunternehmen aus der Überlassung des Grundstücks und der Altgebäude im Streitjahr 1981 - wie in den Vorjahren - einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 2.760 DM erzielt habe (keine Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben lediglich in Form von Gebäude-AfA 2.760 DM). Die GmbH-Anteile wurden als notwendiges Betriebsvermögen angesehen. Das FA erließ gegen die Klägerin einen entsprechenden gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1981. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit folgender Begründung statt: Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung erfülle nicht das Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielung. Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung sei die (entgeltliche) Vermietung oder Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen. Die beiden GmbH hätten zwar höhere Gewinne erzielt, indem sie Miet- und Pachtaufwendungen erspart hätten. Die Klägerin könne infolgedessen höhere Ausschüttungen erwarten. Diese erhalte sie jedoch als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG): Die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung seien erfüllt. Eine sachliche und persönliche Verflechtung sei gegeben. Insbesondere seien wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen worden. Unerheblich sei, ob und in welcher Höhe eine Gegenleistung vereinbart worden sei. Das FG habe übersehen, daß auch die Beteiligungen zum (notwendigen) Betriebsvermögen der Klägerin gehört hätten. Die GmbH hätten im Ausmaß der unentgeltlichen Nutzung höhere Gewinne erzielt, die der Klägerin nach Maßgabe der Gewinnausschüttungen zugute kämen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie weist auf folgendes hin: Es fehle an wesentlichen Betriebsgrundlagen, soweit das Grundstück zu ca. 80 v.H. für Wege und Grünflächen genutzt worden sei. Die Altgebäude seien nicht auf die Bedürfnisse der beiden GmbH zugeschnitten gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Recht hat das FG (stillschweigend) angenommen, daß die Klägerin durch den angegriffenen Bescheid beschwert ist (§ 40 Abs. 2 FGO). Auch die gesonderte Feststellung einer unzutreffenden Einkommensart stellt eine Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO dar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676). Die angegriffene Verlustfeststellung beruht auf der Annahme, daß die Klägerin (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte und der den GmbH zur Nutzung überlassene Grundbesitz und die GmbH-Anteile Betriebsvermögen sind. Davon abgesehen ist eine Beschwer schon rechnerisch daraus herzuleiten, daß der Klägerin ein Verlust zugerechnet worden ist, dessen Ansatz sie nicht begehrt; diese Feststellung kann sich in späteren Jahren, wie dargelegt, zu ihren Ungunsten auswirken (BFH-Urteile vom 7. August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, 331, BStBl II 1980, 181; vom 27. Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, 415, BStBl II 1982, 211).

2. Das FG durfte den angenommenen gewerblichen Verlust in einem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO 1977) feststellen. Der vom FA unterstellte Betrieb (Besitzunternehmen) hatte, wenn auch möglicherweise keine Geschäftsleitung, so doch eine Betriebsstätte am Ort des überlassenen Grundbesitzes im Zuständigkeitsbereich des beklagten FA (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977), während für die Steuern vom Einkommen das Wohnsitz-FA der Klägerin zuständig ist (§ 19 AO 1977).

Unerheblich ist, daß das FA die Einkünfte aus der Überlassung von Wirtschaftsgütern an die H-GmbH und an die R-GmbH zusammengefaßt hat. Eine Betriebsaufspaltung kann auch zwischen einem Besitzunternehmen und mehreren Betriebskapitalgesellschaften bestehen (BFH-Urteil vom 11. November 1982 IV R 117/80, BFHE 137, 357, BStBl II 1983, 299).

3. Entgegen der Auffassung des FG kann auch die unentgeltliche Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen eine Betriebsaufspaltung begründen. Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum (Lersch/Schaaf, Finanz-Rundschau - FR - 1972, 440; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung, Lfg. 2/90 Gr. 4, 1.1.3; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 15 Anm. 143; Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., 1990, S. 17; a.A. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 EStG Anm. 13e).

a) Im allgemeinen sind allerdings die Fälle der Betriebsaufspaltung dadurch gekennzeichnet, daß die wesentlichen Betriebsgrundlagen dem (den) Betriebsunternehmen aufgrund eines entgeltlichen Vertrags (Mietvertrag, Pachtvertrag) überlassen werden. Ist das vereinbarte Entgelt angemessen, wird sich bei dem Besitzunternehmen regelmäßig ein Gewinn einstellen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen (§ 15 Abs. 2 EStG 1983, früher § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -), ist dann ohne weiteres zu bejahen.

Ist ein unangemessen niedriges Entgelt vereinbart, kann sich eine dem Streitfall angenäherte Sachlage ergeben, daß die erzielten Entgelte auf Dauer niedriger als die Aufwendungen sind. In diesem wie im Streitfall lassen sich bei einer auf die Nutzungsvereinbarung beschränkten Betrachtung Nettoerträge nicht mehr erwirtschaften. Es scheint die Gewinnerzielungsabsicht zu fehlen, weil in beiden Fällen auf die Dauer lediglich Verluste zu erwarten sind.

Im Streitfall ist überhaupt kein Nutzungsentgelt gezahlt worden (Leihe, § 598 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Andererseits wurden die laufenden Aufwendungen von einem der Betriebsunternehmen, der H-GmbH, getragen (s. auch § 601 BGB), so daß sich der zu erwartende Verlust auf den Substanzverlust der unentgeltlich überlassenen Altgebäude (AfA) beschränkte.

b) Führt eine unangemessen niedrige Pachtzinsvereinbarung bei einer Betriebsaufspaltung zu Verlusten des Besitzunternehmens, ist nach einer früheren Entscheidung des BFH anzunehmen, daß in Höhe der Verluste verdeckte Einlagen in die Betriebskapitalgesellschaft vorliegen; die Verluste des Besitzunternehmens sollen steuerlich nicht anzuerkennen sein, die Gewinne bei der Kapitalgesellschaft sich entsprechend ermäßigen (BFH-Urteil vom 8. November 1960 I 131/59 S, BFHE 71, 706, BStBl II 1960, 513; unentschieden BFH-Urteile vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, 508, BStBl II 1971, 408; vom 22. November 1983 VIII R 133/82, BFHE 140, 69, 72). Diese Auffassung würde, auf das Leihverhältnis des Streitfalls übertragen, bedeuten, daß sich aus dem AfA-Aufwand von 2.760 DM kein Verlust ergeben könnte; der Betrag wäre vielmehr auf dem Beteiligungskonto zu aktivieren.

Abgesehen davon, daß auch die Erwartung von Gewinnen von 0 DM noch keine Gewinnerzielungsabsicht begründen könnte, ist die Auffassung in BFHE 71, 706, BStBl III 1960, 513 durch den Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) überholt. Der Große Senat hat es in dieser Entscheidung (unter C. 1. 3. b und c) abgelehnt, Nutzungsvorteile, die ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft zukommen läßt, als Leistungsentgelte des Gesellschafters und Einlagen in die Kapitalgesellschaft anzusehen. Diese Aussage läßt keinen Raum für eine Verlustreduzierung nach Art des BFH-Urteils in BFHE 71, 706, BStBl III 1960, 513.

c) Wäre sonach lediglich auf die zwischen der Klägerin und den beiden GmbH getroffenen vertraglichen Abmachungen (Leihverträge) abzustellen, müßte mit dem FG eine Gewinnerzielungsabsicht verneint werden. Das FA rügt jedoch zu Recht, daß das FG die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Klägerin zu den beiden GmbH außer Betracht gelassen hat. Denn aus diesen Beziehungen kann sich eine Gewinnabsicht des Besitzunternehmens ergeben.

Das Steuerrecht hat zu bedenken, daß der Gesellschafter die Verhältnisse zu der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft frei gestalten kann. Er kann zu ihr - auch mit steuerrechtlicher Wirkung - in schuldrechtliche Beziehungen treten oder es dabei belassen, seine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse auszuüben. Kombiniert er beide Möglichkeiten, indem er schuldrechtlich eine Nutzungsüberlassung mit einem unangemessen niedrigen Nutzungsentgelt verbindet oder gar - wie hier - überhaupt kein Entgelt (Leihe) fordert, hat die Kapitalgesellschaft in Höhe der Differenz zwischen vereinbartem und angemessenem Nutzungsentgelt einen höheren Gewinn erzielt, der für Ausschüttungen zur Verfügung steht.

Ausschüttungen und Nutzungsentgelte sind steuerrechtlich weitgehend austauschbar. Uneingeschränkt gilt dies für eine 100 %-ige Beteiligung an Kapitalgesellschaften, wie sie hier die Klägerin an den beiden GmbH hält. Der Gewinn, den eine GmbH infolge der Ersparnis von Nutzungsvergütungen erzielt, unterliegt bei ihr zwar zunächst der Körperschaftsteuer (im Streitfall in Höhe von 56 v.H.), der sich jedoch gemäß § 27 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) bei der Ausschüttung auf 36 v.H. ermäßigt und in dieser Höhe auf die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters angerechnet wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Wird von Unterschieden in der zeitlichen Erfassung abgesehen, tritt sonach dasselbe Ergebnis ein, wie wenn Nutzungsvergütungen bei der Kapitalgesellschaft angefallen und als Betriebsausgaben abgezogen und bei dem Gesellschafter als Einnahmen (Betriebseinnahmen) angesetzt worden wären. Auch gewerbesteuerrechtlich macht es keinen Unterschied, ob Nutzungsvergütungen bei der beherrschten Kapitalgesellschaft als Betriebsausgaben abziehbar sind oder nicht. Der gewerblich tätige Anteilsinhaber erzielt im ersten Fall in Höhe der Nutzungsvergütungen Betriebseinnahmen, die der Gewerbeertragsteuer unterliegen. Im zweiten Fall hat die Kapitalgesellschaft zwar in Höhe der ersparten Nutzungsvergütungen einen Gewinn, der bei ihr Gewerbeertrag ist. Wird dieser Gewinn aber ausgeschüttet, kann der Anteilsinhaber den Ausschüttungsbetrag gemäß § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bei der Ermittlung seines Gewerbeertrags kürzen.

Die angeführten Erwägungen sind auch für die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung maßgeblich.

d) Die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens liegt in dem Streben, Beteiligungserträge zu erzielen. Unerheblich ist, daß wie im Streitfall Ausschüttungen über einen längeren Zeitraum unterlassen werden; die Klägerin hat im Streitjahr und offensichtlich auch in den Vorjahren nicht nur keine Nutzungsentgelte, sondern auch keine Ausschüttungen erhalten. Das Ausschüttungsverhalten einer Kapitalgesellschaft ist indessen von dem Willen ihres beherrschenden Gesellschafters abhängig. Unterbliebene Ausschüttungen können nachgeholt werden. Die Gewinnerzielungsabsicht ist nicht nur an den tatsächlichen, sondern auch an den möglichen Ausschüttungen zu messen und erst dann zu verneinen, wenn der Gesellschafter mit den vereinbarten Nutzungsentgelten und den tatsächlichen und möglichen Ausschüttungen auf die Dauer keine Kostendeckung erwarten kann.

4. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück.

Das FG wird prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vorliegen. Die Betriebsaufspaltung setzt eine enge persönliche und sachliche Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen voraus (BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Die enge persönliche Verflechtung ist zu bejahen, weil die Klägerin sowohl in bezug auf den ihr gehörigen Grundbesitz als auch in bezug auf die beiden GmbH, an denen sie zu 100 v.H. beteiligt war, ihren Willen durchsetzen konnte. Zur engen sachlichen Verflechtung wird das FG noch Stellung nehmen müssen. Es wird dabei das Revisionsvorbringen der Klägerin berücksichtigen. Zur Frage, ob und wann Grundstücke und Gebäude besonders für die Zwecke von Betriebsunternehmen hergerichtet sind, wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 1991 X R 47/87 (BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405) verwiesen.

Sollte eine Betriebsaufspaltung zu bejahen sein, gehören auch die GmbH-Anteile zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (BFH-Urteile vom 23. Juli 1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStBl II 1982, 60; vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).