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  BFH-Urteil vom 11.4.1991 (V R 86/85) BStBl. 1991 II S. 729

Die (Nichtigkeits-)Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO ist nur dann zulässig, wenn der Kläger schlüssig behauptet, durch den angeblich nichtigen Verwaltungsakt in seinen Rechten gefährdet zu sein; das Feststellungsinteresse muß daher ein eigenes abgabenrechtliches - nicht lediglich privatrechtliches - Interesse sein.

FGO § 41 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

A.

Im vorliegenden Revisionsverfahren ist über die Zulässigkeit einer Feststellungsklage zu entscheiden.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hat zum Unternehmensgegenstand die Werbung für Erzeugnisse der A-Industrie. Sie wurde durch Gesellschaftsvertrag vom .. vom Bundesverband der A-Industrie e.V. und vom Fachverband .. e.V. gegründet.

Der Gründung war folgendes vorausgegangen:

Mit Vertrag vom .. gründeten Unternehmen der A-Industrie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit der Bezeichnung "IZ". Zweck der Gesellschaft war die Beratung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für die Verwendung von A-Erzeugnissen unter Einschluß von Marktforschungs- und Marketingaufgaben.

In der Folgezeit führte die IZ für seine Gesellschafter eine Gemeinschaftswerbung durch. Die Gesellschaft verteilte die angefallenen Kosten auf die einzelnen Gesellschafter entsprechend dem jeweiligen "Produktionswert", d.h. nach dem prozentualen Anteil des einzelnen Gesellschafters an der Gesamtproduktion aller Gesellschafter, bezogen jeweils auf ein Jahr und auf bestimmte Warenarten. Über die so ermittelten Kostenanteile stellte die Gesellschaft ihren Gesellschaftern Rechnungen aus, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen war.

Für die Jahre 1969 bis 1971 setzte das FA, den Umsatzsteuererklärungen der IZ folgend, die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der in Rechnung gestellten Kostenumlagen und der angefallenen Vorsteuer fest. Im Laufe des Jahres 1973 äußerte das FA Bedenken im Hinblick auf die Steuerbarkeit der von den Gesellschaftern erhobenen Kostenumlagen mit der Begründung, es lägen keine Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973, sondern nicht steuerbare Gesellschaftsbeiträge vor. Um diese Bedenken auszuräumen, wurde die Klägerin gegründet.

Am .. schlossen die Klägerin und die IZ einen Vertrag mit folgendem Inhalt: "In Ausführung dieses Gesellschafterbeschlusses (gefaßt in der Gründungsversammlung am ..) wird hiermit festgelegt, daß die GmbH das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen der GbR übernimmt sowie in die Verbindlichkeiten der GbR eintritt. Außerdem tritt die GmbH in sämtliche Rechte und Pflichten aus Vertragsabschlüssen der GbR ein, darunter die Anstellungsverträge, die Versicherungsverträge usw. Hinsichtlich der schwebenden Auseinandersetzungen mit der Steuerverwaltung wird die GmbH beauftragt, die Interessen der GbR und deren Gesellschafter wahrzunehmen und ggf. eine Klage vor dem Finanzgericht zu führen und notfalls bis zum Bundesfinanzhof zu gehen."

Am 22. Dezember 1976 erließ das FA für die Jahre 1972 bis 1974 (Streitjahre) Umsatzsteuerbescheide, in denen es ohne Abzug der geltend gemachten Vorsteuer die von der IZ in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967/1973 als Steuerschuld festsetzte, und zwar mit der Begründung, die IZ habe keine steuerbaren Leistungen erbracht, sei daher kein Unternehmer und somit nicht zum gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer berechtigt gewesen. Die Bescheide waren gerichtet an "IZ GbR". In der Einspruchsentscheidung, mit der der gegen die vorgenannten Bescheide eingelegte Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, war als Einspruchsführer die "Fa. IZ GbR" bezeichnet.

Mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für die Streitjahre erklärungsgemäß festzusetzen, reichten die damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beim Finanzgericht (FG) eine Klageschrift ein, in der als klagende Partei die ".... GmbH", die Klägerin, aufgeführt ist. Nachdem das FG darauf hingewiesen hatte, daß die Bezeichnungen der Beteiligten durch das FA einerseits und durch den Prozeßbevollmächtigten andererseits nicht identisch seien, stellte die Klägerin den Antrag, für den Fall, daß die Anfechtungsklage unzulässig sei, hilfsweise die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide festzustellen.

Das FG hielt den Hauptantrag als Anfechtungsklage für unzulässig. Den Hilfsantrag hielt es für zulässig mit der Begründung, die Klägerin habe ein wirtschaftliches Interesse daran, daß die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide festgestellt werde, da sie aufgrund der Vereinbarungen mit der IZ für dessen Umsatzsteuerschulden aufzukommen habe. Das FG gab der Feststellungsklage in der Sache statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die Bescheide seien nichtig, weil sie den Steuerschuldner nicht auswiesen. Die Bezeichnung der IZ als Steuerschuldner sei unvollständig. Ein Vertreter für die Gesellschaft sei nicht angegeben, und die Gesellschafter der GbR seien nicht benannt.

Das FA hat Revision eingelegt. Es rügt sinngemäß Verletzung der Rechtsgrundsätze über die Bestimmtheit von Verwaltungsakten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit darin die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide 1972, 1973 und 1974 festgestellt wird, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

Die Revision des FA ist begründet. Entsprechend dem Revisionsantrag war die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als darin festgestellt wird, daß die Umsatzsteuerbescheide 1972, 1973 und 1974 vom 22. Dezember 1976 nichtig sind. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der vorgenannten Umsatzsteuerbescheide war als unzulässig abzuweisen.

1. Der Senat braucht über das FG-Urteil nur noch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags zu befinden. Er ist insoweit an den Revisionsantrag des FA gebunden (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und in seiner Befugnis, das angefochtene Urteil materiell-rechtlich umfassend zu prüfen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO), beschränkt. Revisionsantrag und -begründung richten sich allein gegen die Entscheidung über den Feststellungsantrag.

Das angefochtene Feststellungsurteil beruht auf unzutreffender Rechtsanwendung, weil das FG zu Unrecht angenommen hat, die Klägerin sei befugt gewesen, die Nichtigkeit der an die IZ gerichteten Umsatzsteuerbescheide im finanzgerichtlichen Verfahren feststellen zu lassen. Dieser Mangel ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen, da er eine Sachurteilsvoraussetzung betrifft.

2. Klagende Beteiligte war im gesamten finanzgerichtlichen Verfahren, wie die Vorinstanz bezüglich der Anfechtungsklage zutreffend festgestellt hat, nicht die IZ, sondern die Klägerin unter ihrer damaligen Firma ".... GmbH".

Nach § 65 FGO muß in der Klage auch der Kläger bezeichnet werden. Dabei muß die Bezeichnung so bestimmt sein, daß jeder Zweifel an der Person des Klägers ausgeschlossen ist (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 65 Anm. 26). Wie sich aus der Klageschrift, der mit Schriftsatz vom 12. Juni 1978 beim FG eingereichten Vollmacht für die damaligen Prozeßbevollmächtigten sowie den sonstigen Schriftsätzen der Klägerin ergibt, hat die Klägerin das Rechtsbehelfsverfahren bewußt im eigenen Namen geführt und nicht lediglich versehentlich eine falsche Parteibezeichnung gewählt. Dies gilt auch für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag. In Anbetracht der eindeutigen Äußerungen ist für eine anderslautende Auslegung bzw. Umdeutung der Parteibezeichnung kein Raum (vgl. BFH-Beschluß vom 23. November 1978 I R 56/76, BFHE 126, 366, BStBl II 1979, 173).

3. Die Klägerin war nicht befugt, Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide zu erheben, weil sie kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 41 Abs. 1 FGO). Sie kann nicht geltend machen, durch die nichtigen Umsatzsteuerbescheide in ihren Rechten gegenüber dem FA betroffen zu sein.

Bei dem Feststellungsinteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO muß es sich um ein eigenes abgabenrechtliches Interesse handeln (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 41 Anm. 30; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 41 FGO Tz. 4).

Wie der BFH bereits in einem (nichtveröffentlichten) Urteil vom 29. Oktober 1974 I R 191/73 ausgeführt hat, ist auch bei der Prüfung des berechtigten Interesses an der Erhebung einer (Nichtigkeits-)Feststellungsklage zu beachten, daß die Klage nur bei einem eigenen Interesse des Klägers statthaft ist. Der Kläger muß schlüssig behaupten, durch den angeblich nichtigen Verwaltungsakt des FA in seinen Rechten gefährdet zu sein (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschlüsse vom 9. Dezember 1981 7 B 46.81 u.a., Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 2205 und vom 30. Juli 1990 7 B 71.90, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 43 VwGO Nr. 109, Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 VwGO).

Das Feststellungsbegehren muß ein abgabenrechtliches Verhältnis (vgl. § 33 der Abgabenordnung - AO 1977 -) des Klägers zum FA betreffen. Ist das Interesse an der Feststellung allein auf die privatrechtlichen Beziehungen des Klägers zu seinen Vertragspartnern und/oder ausschließlich auf deren abgabenrechtliche Verhältnisse gerichtet, so ist die Klage unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1988 X R 42/81, BFH/NV 1989, 54). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses (§ 41 Abs. 1, 1. Alternative FGO) oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (2. Alternative der Vorschrift) betrifft.

a) Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin bezieht sich nicht auf das eigene abgabenrechtliche Verhältnis zum beklagten FA, sondern auf das Rechtsverhältnis eines Dritten, hier der IZ.

Die IZ war als Unternehmer in der Rechtsform der GbR Steuerschuldner geworden (§ 13 Abs. 2 UStG 1967/1973). Auch nachdem die GbR infolge der Vermögensübertragung an die Klägerin als werbende Gesellschaft aufgelöst worden war (vgl. §§ 723 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), blieb sie als Abwicklungsgesellschaft (§§ 730 f. BGB) weiter Steuerschuldnerin. Weil die Gesellschaft im Hinblick auf das noch bestehende Steuerschuldverhältnis als noch nicht voll beendet anzusehen war, konnte das FA gegen sie noch die streitigen Umsatzsteuerbescheide erlassen (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 X R 28/80, BFHE 150, 293, BStBl II 1988, 316).

b) Die im Vertrag vom 16. Januar 1975 getroffenen Vereinbarungen - Vermögens- und Schuldübernahme, Auftrag zur Interessenwahrnehmung - konnten die Klägerin nicht in die Lage versetzen, die Rechte der IZ gerichtlich geltend zu machen.

Der Steuerpflichtige kann über seine Rechtsstellung im Steuerfestsetzungsverfahren nicht privatrechtlich verfügen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565, unter IV. 2., m.w.N.). Aus diesem Grunde ist auch eine gewillkürte Prozeßstandschaft, bei der der Kläger als Sachwalter die Rechte eines Dritten im eigenen Namen geltend machen könnte, nicht zulässig (vgl. BFH-Beschluß vom 31. März 1981 VIII B 53/80, BFHE 133, 331, BStBl II 1981, 696, unter 4. b), und zur Feststellungsklage Urteil in BFH/NV 1989, 54). Der Auftrag, "die Interessen der GbR und deren Gesellschafter wahrzunehmen", gab der Klägerin insofern nur die Befugnis, Klage im fremden Namen, nämlich im Namen der IZ, zu erheben.

c) Die Klägerin war im übrigen auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der IZ geworden.

Im Falle der Gesamtrechtsnachfolge geht das Steuerschuldverhältnis des Rechtsvorgängers kraft Gesetzes auf den Rechtsnachfolger über (§ 8 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 45 Abs. 1 AO 1977). Gesamtrechtsnachfolge tritt allerdings nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ein. Bei rechtsgeschäftlicher Vermögensübertragung (§ 419 BGB, §§ 22, 25 des Handelsgesetzbuches - HGB -), wie sie zwischen der IZ und der Klägerin vorgenommen worden ist, handelt es sich um eine Einzelrechtsnachfolge. Das Steuerschuldverhältnis geht in einem solchen Fall nicht auf den Übernehmer über (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1970 I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl II 1971, 26).

d) Eine Befugnis, Nichtigkeitsfeststellungsklage zu erheben, folgt für die Klägerin auch nicht aus dem Umstand, daß sie möglicherweise als Betriebsübernehmerin gemäß § 75 AO 1977 für die gegen die IZ festgesetzte Umsatzsteuer in Haftung genommen werden könnte. Insoweit fehlt ihr das "Interesse an der baldigen Feststellung" (§ 41 Abs. 1 FGO).

Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, kann nur durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 AO 1977). Dabei hat die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ob sie von dieser Befugnis Gebrauch machen will (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1988 VII R 78/85, BFHE 155, 17, BStBl II 1989, 118, unter 2. a).

Die Klägerin könnte sich nur gegen einen tatsächlich erlassenen Haftungsbescheid wehren. Eine vorbeugende Feststellungsklage wegen einer nur möglichen (und zudem ermessensabhängigen) Haftungsinanspruchnahme ist nicht zulässig. Dem Bürger ist es grundsätzlich zuzumuten, Meinungsverschiedenheiten über Rechtsfragen der Besteuerung gegen die ergehenden Verwaltungsakte auszutragen (BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 47/79, BFHE 133, 308, BStBl II 1981, 581, unter 4.). Voraussetzungen, unter denen eine vorbeugende Feststellungsklage zulässig wäre (hierzu BFH in BFHE 133, 308, BStBl II 1981, 581, unter 4.), sind im Streitfall nicht ersichtlich.

4. Das Feststellungsurteil der Vorinstanz war aufzuheben und die Feststellungsklage abzuweisen. Zwar ist der Revisionsantrag des FA ausdrücklich nur auf die Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG gerichtet; er kann aber dahingehend ausgelegt werden, daß das FA sein Begehren auf Abweisung der Klage in der Vorinstanz auch im Revisionsverfahren weiterverfolgt.