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BFH-Urteil vom 4.6.1991 (IX R 12/89) BStBl. 1991 II S. 759

Er ist ernstlich zweifelhaft, ob nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 abziehbare Vorsteuerbeträge, die das FA einem Bauherrn irrtümlich erstattet hat, zu dessen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehören.

EStG § 7, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 9b, § 11 Abs. 1; UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9, § 15 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42, § 361 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1989, 110)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahre 1983 ein Hotelgrundstück, das sie um- und ausbaute. Anschließend vermietete sie den wesentlichen Teil des Gebäudes unter Einschaltung einer Zwischenmieterin an eine nichtunternehmerisch tätige Stiftung. Sie verzichtete in den Streitjahren 1983 und 1984 gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf die Steuerbefreiung für ihre Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 und machte die ihr anläßlich des Um- und Ausbaues in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 abziehbare Vorsteuerbeträge geltend. Das zunächst zuständige Finanzamt erstattete ihr aufgrund dessen in den Streitjahren Vorsteuerüberschüsse.

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, das Zwischenmietverhältnis stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) dar und sei deshalb umsatzsteuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die auf den Umbau entfallenden Vorsteuerbeträge seien daher nicht abziehbar. Die erstatteten Vorsteuerüberschüsse müsse die Klägerin zurückzahlen. Über die Richtigkeit dieser umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung besteht unter den Beteiligten kein Streit.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) behandelte in seinen Feststellungsbescheiden für die Streitjahre die der Klägerin für den Um- und Ausbau in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Teil der Herstellungskosten des Gebäudes, jedoch die ihr erstatteten Vorsteuerüberschüsse als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.

Mit ihrem Einspruch wendete sich die Klägerin gegen den Ansatz der Vorsteuerüberschüsse als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Das FA hat über ihren Rechtsbehelf noch nicht entschieden. Ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide lehnte es ab. Ihre Beschwerde blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies ihre Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 110 veröffentlichten Urteil ab.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 9b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) das FA zu verpflichten, die Vollziehung der Feststellungsbescheide 1983 und 1984 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit unter vorläufiger Berücksichtigung und Verteilung folgender Werbungskostenüberschüsse auszusetzen:

Veran-               Werbungs-                hiervon           Anteil           Anteil                    

lagungs-                 kosten-          ausgleichs-                M                 R        M-GmbH

zeitraum         überschüsse                   fähig                                                          

  

                                   DM                     DM              DM              DM                    

  

1983                      219.514               112.308         28.308         84.000                    -

1984                      434.794               225.577      + 52.673                  -          278.250

  

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 361 Abs. 2 AO 1977 kann die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Zweifel hat die Vorinstanz zu Unrecht verneint.

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Feststellungsbescheide für die Streitjahre ist ernstlich zweifelhaft, ob die vom FA irrtümlich erstatteten Vorsteuerüberschüsse als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.

1. Gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 EStG gehört der Vorsteuerbetrag nach § 15 UStG 1980, soweit er bei der Umsatzsteuer abgezogen werden kann, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts, auf dessen Anschaffung oder Herstellung er entfällt. Die bei der Errichtung oder dem Ausbau eines zu vermietenden Gebäudes zusätzlich zum Werklohn in Rechnung gestellte Umsatzsteuer scheidet nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 29. Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755; vom 13. November 1986 IV R 211/83, BFHE 148, 306, BStBl II 1987, 374) somit aus den Herstellungskosten aus. Sie wird zu Werbungskosten, sofern der Bauherr wirksam auf die Umsatzsteuerbefreiung seiner Vermietungsumsätze nach § 9 i.V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 verzichtet hat und die Umsatzsteuer damit zu abziehbaren Vorsteuerbeträgen i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 geworden ist.

§ 9b Abs. 1 EStG greift hingegen nicht ein, wenn die anläßlich des Leistungsbezugs angefallenen Vorsteuerbeträge mangels einer wirksamen Option nach § 9 UStG 1980 nicht zu abziehbaren Vorsteuerbeträgen i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 geworden sind. Es bleibt dann bei der Grundregel, daß bei der Gebäudeerrichtung oder seinem Ausbau in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Bauaufwand zu den Herstellungskosten zählt (BFH-Urteil in BFHE 148, 306, BStBl II 1987, 374; Beschluß vom 27. September 1990 IX B 268/89, BFH/NV 1991, 297).

2. Für die rechtliche Beurteilung der Vorsteuerbeträge der Klägerin in den Streitjahren ist mit den Beteiligten davon auszugehen, daß die Option der Klägerin zur Umsatzsteuerpflicht fehlgeschlagen ist. Denn die Beteiligten werten übereinstimmend das Zwischenmietverhältnis, das die Klägerin in ihre Rechtsbeziehungen mit der nichtunternehmerisch tätigen Stiftung eingeschaltet hat, als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 AO 1977. Daraus haben die Beteiligten - mangels Anwendbarkeit des § 9b Abs. 1 Satz 1 EStG - den zutreffenden Schluß gezogen, daß die der Klägerin anläßlich des Um- und Ausbaues in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als nicht abziehbare Vorsteuerbeträge entsprechend der oben dargestellten Grundregel zu den Herstellungskosten gehört.

Bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel, ob das FA - und ihm folgend das FG - demgegenüber die der Klägerin irrtümlich erstatteten Vorsteuerbeträge zu deren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung mit der Begründung rechnen durfte, diese Vorsteuerbeträge seien ihr aufgrund ihrer Vermietungstätigkeit zugeflossen. Dagegen spricht, daß die Klägerin die Vorsteuerbeträge nicht als Entgelt für eine Nutzungsüberlassung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhielt, sondern daß das FA diese Beträge deshalb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 erstattet hat, weil die Bauhandwerker sie gesondert in Rechnung gestellt hatten. Ist diese Umsatzsteuer mangels der Anwendbarkeit des § 9b EStG gemäß der oben entwickelten Grundregel zu den Herstellungskosten für den Umbau zu rechnen, so dürfte daraus zu folgern sein, daß die vom FA irrtümlich erstatteten Vorsteuerbeträge ebenfalls in den Bereich der Herstellungskosten fallen. Anschaffungs- oder Herstellungskosten aber werden bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V. m. § 7 EStG, verteilt auf die Nutzungsdauer des betreffenden Wirtschaftsgutes, als Werbungskosten berücksichtigt. Die vorstehenden Vorschriften gehen den Regeln über die Vereinnahmung und Verausgabung nach § 11 EStG vor (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 11 Anm. 2).

Bemessungsgrundlage für die AfA sind die Herstellungskosten auch dann, wenn der Werklohn für das fertiggestellte Wirtschaftsgut ganz oder teilweise noch nicht bezahlt ist (BFH-Urteil vom 10. April 1973 VIII R 157/72, BFHE 109, 263, BStBl II 1973, 595). Dies spricht dafür, daß die die Umsatzsteuer umfassenden Herstellungskosten der Klägerin nicht dadurch beeinflußt wurden, daß sie die Umsatzsteuer zunächst den Bauhandwerkern als Teil des Werklohns zahlte, sodann vom FA als abziehbare Vorsteuerbeträge irrtümlich erstattet erhielt und schließlich später an dieses wieder zurückzahlen mußte. Diese Vorgänge lassen sich als ein Teil der Begleichung der Herstellungskosten beurteilen, der weder zu Einnahmen noch zu Werbungskosten führt (vgl. Unvericht, Finanz-Rundschau 1989, 614).

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen war, war das angefochtene Urteil aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der erkennende Senat kann das FA nicht zu der begehrten Aussetzung der Vollziehung verpflichten. Denn es fehlen tatsächliche Feststellungen des FG dazu, inwieweit die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse bei ihren Gesellschaftern abziehbar bzw. ausgleichsfähig sind und inwieweit dem § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 15a EStG entgegensteht. Die Sache geht an das FG zurück, damit es tatsächliche Feststellungen hierzu nachholt.