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  BFH-Urteil vom 24.4.1991 (I R 10/89) BStBl. 1991 II S. 771

Werden gepachtete Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bei Bauausführungen i.S. des § 12 Nr. 8 AO 1977 eingesetzt, so sind sie für die Anwendung des § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG dem Gemeindebezirk der Bauausführung und nicht dem Gemeindebezirk der Hauptbetriebsstätte zuzuordnen.

GewStG § 8 Nr. 7 Satz 3; AO 1977 § 12 Nr. 8.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1989, 132)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb ein Straßen- und Tiefbauunternehmen. Alleinige Anteilseigner der Klägerin waren der Straßen- und Tiefbauunternehmer X und dessen Ehefrau. X war zugleich Alleingeschäftsführer der Klägerin. Mit Vertrag vom 17. Dezember 1979 verpachtete X als Einzelunternehmer der Klägerin sein in mehreren Anlagen dieses Vertrags einzeln aufgeführtes bewegliches und unbewegliches Anlagevermögen, bestehend aus

a) Grundstücken mit Bauten,

b) Betriebs-, Lager- und Büroeinrichtungen sowie Werkzeuge und Vorrichtungen sowie Kleingeräte und sonstige Geräte, gemäß Anlage 2 enthaltend 34 Positionen,

c) Fuhrpark, gemäß Anlage 3 neun Kraftfahrzeuge und Anhänger,

d) Maschinen und maschinelle Anlagen, gemäß Anlage 4 sieben Großgeräte und zwei LKW.

Der Vertrag enthielt eine Klausel über einen Nutzungsvorbehalt des Verpächters hinsichtlich der Kraftfahrzeuge, soweit sie nicht für den Betrieb der Pächterin benötigt wurden. Der Pachtzins für das Streitjahr (1981) betrug nach Abzug des auf die Benutzung von Grundbesitz entfallenden Betrages 361.224 DM.

Aufgrund einer Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der Klägerin die Hälfte dieser Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzu. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 132 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 8 Nr. 7 GewStG.

Sie beantragt, das Urteil des FG Köln vom 31. August 1988 aufzuheben und unter Änderung des Gewerbesteuermeßbescheids für 1981 vom 6. Februar 1985 und der Einspruchsentscheidung den Gewerbesteuermeßbetrag dahin festzusetzen, daß eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 7 GewStG unterbleibt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 7 GewStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) entfällt nach Satz 2 dieser Vorschrift, soweit die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind, es sei denn, daß ein Betrieb oder ein Teilbetrieb vermietet oder verpachtet wird und der Jahresbetrag der Miet- oder Pachtzinsen 250.000 DM übersteigt. Maßgebend ist jeweils der Jahresbetrag, den der Mieter oder Pächter für die Benutzung der zu den Betriebsstätten eines Gemeindebezirks gehörigen fremden Wirtschaftsgüter an einen Vermieter oder Verpächter zu zahlen hat (§ 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG).

2. Zutreffend ist das FG von einer Vermietung oder Verpachtung eines Betriebs im ganzen ausgegangen, weil die Klägerin die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Bauunternehmens ihres Gesellschafter-Geschäftsführers X pachtete (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1976 VIII R 87/72, BFHE 120, 263, BStBl II 1977, 45). Indes hält die Auffassung des FG, trotz Einsatzes der gepachteten Wirtschaftsgüter bei Bauausführungen i.S. des § 12 Nr. 8 der Abgabenordnung (AO 1977) werde die Zugehörigkeit dieser Wirtschaftsgüter zur Hauptbetriebsstätte (Ort der Geschäftsleitung) des Unternehmens nicht aufgehoben, einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Betriebsstätte i.S. des § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG ist auch eine Bauausführung i.S. des § 12 Nr. 8 AO 1977. Es entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen, von der spezielleren Vorschrift des § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG für die Auslegung des Begriffs "Betriebsstätte" auf die allgemeine abgabenrechtliche Definition des § 12 AO 1977 zurückzugreifen (ebenso Abschn. 24 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1990). Ein Wirtschaftsgut "gehört" dann i.S. des § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG zu einer Betriebsstätte, wenn es dort "benutzt" oder eingesetzt wird. Dieses Verständnis des Begriffes "zu den Betriebsstätten eines Gemeindebezirks gehörig" folgt aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang der Regelung innerhalb des § 8 Nr. 7 GewStG, der die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für die "Benutzung" bestimmter Wirtschaftsgüter regelt. Dies entspricht der korrespondierenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GewStG, wo ebenfalls von der "Benutzung in den Betriebsstätten eines Gemeindebezirks" die Rede ist. Unter mehreren Betriebsstätten muß dabei diejenige ermittelt werden, für die das Wirtschaftsgut jeweils den größten wirtschaftlichen Nutzen hat; der Betriebsstätte des Orts der Geschäftsleitung kommt insoweit keine bestimmende, sondern eine Auffangfunktion zu (BFH-Urteil vom 23. September 1964 I 225/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 64). § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG stellt nach seinem Wortlaut auf die "Betriebsstätten eines Gemeindebezirks" ab. Daraus folgt ebenfalls, daß Wirtschaftsgüter nicht von vornherein der Betriebsstätte des Orts der Geschäftsleitung zuzuordnen sind.

Der grundsätzliche Gleichrang aller Betriebsstätten i.S. des § 12 AO 1977 für die gewerbesteuerliche Lastenverteilung wird durch die Regelung des § 28 GewStG bestätigt, die neben § 4 GewStG ebenfalls der Aufteilung der Gewerbesteuer unter die betroffenen Gemeinden entsprechend den verursachten Lasten dient und dabei an die in der jeweiligen Gemeinde unterhaltenen Betriebsstätten anknüpft. § 28 Abs. 2 GewStG nimmt ausdrücklich bestimmte Betriebsstätten aus, die bei der Zerlegung nicht zu berücksichtigen sind, und geht somit von der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Betriebsstätten bezüglich der dadurch verursachten gemeindlichen Lasten aus.

b) Mit der die Ausnahme des Satzes 2 Halbsatz 1 aufhebenden Regelung des § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 2 und 3 GewStG für gewisse Betriebs- oder Teilbetriebsverpachtungen wollte der Gesetzgeber - beschränkt auf gewichtige Fälle - den Kommunen einen Ausgleich für die durch die Gewerbebetriebe verursachten Gemeindelasten verschaffen, in deren Gebiet die verpachteten Betriebe oder Teilbetriebe liegen (Begründung des Regierungsentwurfs zum Steueränderungsgesetz 1961, BRDrucks 17/1961 zu Art. 5 Ziff. 12; ebenso BFH in HFR 1965, 64). Der beabsichtigte zwischengemeindliche Finanzausgleich ist indes gesetzgeberisches Motiv geblieben und vermag schon deshalb eine einengende Auslegung des § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG im Sinne der Vorinstanz nicht zu decken (vgl. BFH in HFR 1965, 64 und BFH-Urteil vom 29. November 1972 I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148). Überdies läßt sich der Gedanke des Lastenausgleichs in gleicher Weise für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zur Betriebsstätte der wirtschaftlichen Nutzung anführen. Die Lasten für die Gemeinde können ebensogut am Einsatzort der jeweiligen Wirtschaftsgüter entstehen. § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG schließt seinem Wortlaut nach die Bauausführungen des § 12 Nr. 8 AO 1977 mit ein und unterstellt deshalb im Wege der gesetzlichen Fiktion, daß diese ebenfalls Lasten für die betroffene Gemeinde mit sich bringen.

3. Indes verbleibt es bei der Hinzurechnung der streitigen Pachtzinsen zum Gewerbeertrag des Pächters, wenn und soweit sie beim Verpächter nicht zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind (vgl. § 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG). Grundsätzlich unterliegt der Pachtzins aus der Verpachtung eines Betriebs im ganzen, wie ihn das FG im Streitfall festgestellt hat, beim Verpächter nicht der Gewerbesteuer (BFH-Beschluß vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Der Verpächter erzielt jedoch dann gewerbesteuerpflichtige Einnahmen, wenn der Tatbestand der Betriebsaufspaltung erfüllt ist (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 15 Anm. 149, und Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 1988, § 2 Rdnrn. 148 und 217). Um eine solche anzunehmen, fehlt es im Streitfall an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen zur personellen Verflechtung. Eine solche ist insbesondere gegeben, wenn der Verpächter mehrheitlich an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Es reicht hingegen nicht aus, daß der Verpächter und seine Ehefrau an der pachtenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Die neuere BFH-Rechtsprechung verlangt in diesen Fällen zusätzliche Beweisanzeichen für gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen der Ehegatten (Schmidt, a.a.O., § 15 Anm. 145a, m.w.N., und Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Rdnr. 129).

Sollte das FG die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht feststellen können, so wären die streitigen Pachtzinsen ohne weiteres dem Gewerbegewinn der Klägerin hinzuzurechnen. Andernfalls wird das FG zu ermitteln haben, in welchem zeitlichen und wertmäßigen Umfang Pachtgegenstände auf Betriebsstätten außerhalb des Gemeindebezirks R, insbesondere zu Bauausführungen i.S. des § 12 Nr. 8 AO 1977 verwendet worden sind, um über die Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter gemäß § 8 Nr. 7 Satz 3 GewStG und darüber zu entscheiden, ob die Grenze des Jahresbetrags der Miet- oder Pachtzinsen von 250.000 DM überstiegen ist.

4. Da die Entscheidung des FG der vorgenannten Rechtsauffassung nicht entspricht, war sie aufzuheben. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen zur Gewerbesteuerpflicht des Verpächters und zur Zuordnung der gepachteten Wirtschaftsgüter zu den auswärtigen Betriebsstätten der Klägerin konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 2 Nr. 2 FGO), damit das FG die notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.