| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 23.5.1991 (V R 103/86) BStBl. 1991 II S. 782

1. Ein Berliner Unternehmer führt keine nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG begünstigte, unmittelbar mit dem Betrieb Berliner Film- und Fernsehateliers verbundene Leistung für die Herstellung von Bild- und Tonträgern aus, wenn seine Leistung auf die Überlassung eines von ihm geschaffenen Filmwerks gerichtet ist.

2. Ein Berliner Unternehmer überläßt einen von ihm für einen westdeutschen Auftraggeber hergestellten Film nicht zur Auswertung im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG i.S. von § 1 Abs. 5 BerlinFG, wenn dieser den Film anschließend einem Berliner Filmverleiher überläßt.

UStG 1973 § 3 Abs. 1, 8; BerlinFG 1978 § 1 Abs. 5.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von der C-GmbH mit Sitz in R, mit Studio in Berlin (West) den Auftrag, Dokumentarfilme herzustellen. Nach dem Vertrag über die Herstellung des Dokumentarfilms "A" mit einer Laufzeit von 90 Minuten, den der Geschäftsführer B für beide Vertragspartner unterschrieben hatte, sollte die Klägerin sämtliche technischen Kosten der Produktion wie Umkopierung, Überspielungen, Mischungen, Sprachaufnahmen, Tricks, optische Bearbeitung, Schnitt nach dem ihr vorgegebenen Drehbuch übernehmen. Die C-GmbH stellte der Klägerin aus ihren Archiven Filmdokumente (im Umfang einer Spieldauer von rd. 220 Minuten) und ein Drehbuch zur Verfügung, in dem genau angegeben war, in welcher Reihenfolge und mit welcher Höchst- und Mindestdauer diese Filmausschnitte verwendet werden sollten. Die Klägerin sollte - soweit möglich - den den Filmausschnitten beigefügten Originalton und für musikalische Untermalungen Musik des Dritten Reiches verwenden, die von einem von der Klägerin verpflichteten kleineren Orchester neu eingespielt werden sollte. Die Klägerin wählte auch die Sprecher für die den Film erläuternden, von der C-GmbH gestalteten Texte aus.

Die Klägerin begehrte für die Überlassung der in Berlin (West) für die C-GmbH auf diese Weise hergestellten Dokumentarfilme Kürzung der Umsatzsteuer gemäß § 1 Abs. 5 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 6 v.H. des berechneten Entgelts. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Kürzung zunächst nach einer Umsatzsteuersonderprüfung gegen die Klägerin in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheiden für 1979 und 1980 gewährt hatte, versagte er die Berücksichtigung der Kürzungsansprüche in Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1979 und 1980 vom 27. Januar 1983 (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -), die ihr nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei der V-Filmverleih GmbH (im folgenden V-GmbH) bekanntgegeben worden waren. Anläßlich der bezeichneten Prüfung bei der V-GmbH war festgestellt worden, daß die C-GmbH mit der V-GmbH über die von der Klägerin hergestellten Filme sog. "Anleiheverträge" geschlossen und die Verleihrechte auf die V-GmbH in Berlin (West) übertragen hatte. Die V-GmbH vergab die Vorführungsrechte an Filmtheater in Westdeutschland und in Berlin (West) und an Fernsehanstalten. Dafür beanspruchte die V-GmbH Umsatzsteuerkürzung nach § 1 Abs. 5 BerlinFG.

Das FA vertrat aufgrund dieser Umstände in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden die Auffassung, die Umsatzsteuerkürzung nach dem BerlinFG werde unzulässig doppelt beansprucht. Die Klägerin sei nicht nach § 1 Abs. 5 BerlinFG begünstigt, weil die C-GmbH in R die Filme nicht selbst im übrigen Bundesgebiet ausgewertet, sondern die Auswertung der V-GmbH in Berlin (West) übertragen habe. Nur die V-GmbH sei zur Kürzung der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 5 BerlinFG berechtigt, soweit sie die Filme westdeutschen Unternehmern zu Auswertung im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG überlassen habe.

Im Einspruchsverfahren hatte die Klägerin entgegnet, eine Doppelpräferenzierung liege nicht vor, weil im Streitfall nicht dieselbe Leistung, sondern mehrere selbständige Leistungen begünstigt werden sollten. Sie, die Klägerin, habe der C-GmbH keine Auswertungsrechte nach § 1 Abs. 5 BerlinFG übertragen, weil sie bei der hier vorliegenden Auftragsproduktion keine Urheberrechte erworben habe. Diese habe die C-GmbH als Auftraggeber erlangt. Sie, die Klägerin, habe nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG begünstigte Leistungen eines Filmatelierbetriebes erbracht.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte zur Begründung u.a. aus, die Klägerin habe keine nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG begünstigten Atelierleistungen ausgeführt, weil sie das in Auftrag gegebene Filmwerk selbst hergestellt habe. Sie habe selbst Urheberrechte durch die Auswahl der Länge der Filmausschnitte, der Musiker, der Sprecher und durch die Übertragung von Leistungsschutzrechten der mitwirkenden Künstler erlangt und an die C-GmbH überlassen. Dadurch habe sie nicht nur Atelierleistungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG ausgeführt, die sich auf die Fertigstellung von vorhandenen Bild- oder Tonträgern beziehen müßten. Die weiteren für die Begünstigung nach § 1 Abs. 5 BerlinFG bezeichneten Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben, weil die C-GmbH die ihr überlassenen Filme in Berlin (West) und nicht im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG ausgewertet habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin ungenügende Sachverhaltsaufklärung und greift die Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG in der Vorentscheidung an. Sie, die Klägerin, habe keinen Film hergestellt, weil die C-GmbH als Auftraggeber Inhaber der Auswertungsrechte an den der Klägerin übergebenen und verwendeten Filmausschnitten gewesen und geblieben sei. Anders als bei der Herstellung eines Spielfilms beschränke sich die Herstellung eines Dokumentarfilms aus überlassenen Filmausschnitten auf technische Leistungen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer unter entsprechender Änderung der Umsatzsteueränderungsbescheide 1979 und 1980 vom 27. Januar 1983 für 1979 um .... DM und für 1980 um .... DM zu vermindern, hilfsweise die bezeichneten Umsatzsteuerbescheide und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die gerügten Verfahrensmängel hält der Senat nicht für durchgreifend, er sieht gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) von der Angabe von Gründen ab.

2. Revisionsrechtlich nicht angreifbar hat das FG entschieden, daß die Klägerin nicht berechtigt ist, die von ihr geschuldete Umsatzsteuer um einen bestimmten Vomhundertsatz nach den Vorschriften des BerlinFG zu kürzen. Das FG hat zutreffend erkannt, daß ein Berliner Unternehmer, der ein Filmwerk schafft und das Recht zur Auswertung einem westdeutschen Unternehmer überläßt, der es einem Berliner Filmverleiher zur Auswertung überträgt, keinen der in Betracht kommenden Kürzungsansprüche (§ 1 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG) erfüllt. Diese Ansprüche schließen einander aus.

Hat der Berliner Unternehmer einem westdeutschen Unternehmer einen in Berlin (West) hergestellten Film zur Auswertung im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG durch sonstige Leistung überlassen (§ 1 Abs. 5 BerlinFG), kommt ein Kürzungsanspruch für die Lieferung eines Films nach § 1 Abs. 1 BerlinFG nicht mehr in Betracht. Erfüllt der Berliner Unternehmer die bezeichneten Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 BerlinFG, ist eine Kürzung nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG nicht mehr gegeben, weil die Überlassung eines Films zur Auswertung an den Leistungsempfänger die etwa selbst oder mit Hilfe von Subunternehmern erbrachten technischen Leistungen zur Herstellung des Filmwerks einschließt (vgl. dazu auch Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, Kommentar, K § 1 Rdnr. 81, letzter Absatz; Mallon, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Berlin Fach 7, S. 497 - 499, 505 -; Hünnekens, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1979, 117, 118).

a) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Kürzung der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG nicht, weil sich ihre Tätigkeit nicht auf die in dieser Vorschrift bezeichneten, unmittelbar mit dem Betrieb Berliner Film- und Fernsehateliers verbundenen (technischen) Leistungen für die Herstellung von Bild- und Tonträgern bezieht, soweit diese zur Auswertung im übrigen Geltungsbereich des Gesetzes bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 BerlinFG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1978, BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3 für das Streitjahr 1979 bzw. in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 26. November 1979, BGBl I 1979, 1953, BStBl I 1979, 654 für das Streitjahr 1980). Vielmehr war die Leistung der Klägerin auf die Überlassung eines von ihr geschaffenen Filmwerks gerichtet.

Die in § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG bezeichneten, mit dem Betrieb Berliner Film- und Fernsehateliers verbundenen Leistungen für die Herstellung von Bild- und Tonträgern schließen die technischen Leistungen ein, die der Hersteller benötigt, um ein Filmwerk zu schaffen (z.B. Vermietung von Ateliers, von Geräten zur Herstellung von Film- und Tonaufnahmen, Ausführung von Schnitt-, Kopier- und Umspielarbeiten; vgl. dazu Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 9. April 1985, BStBl I 1985, 146, 150 Tz. 28). Die Klägerin hat ihrem Auftraggeber über diese technischen Leistungen hinaus jedoch vertragsgemäß das Recht auf Auswertung des von ihr geschaffenen Filmwerks übertragen.

Die Klägerin ist durch ihre Leistungen Filmhersteller geworden und hat dadurch das ausschließliche Recht erlangt, die Bild- oder Tonträger, auf denen das Filmwerk aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten oder zur öffentlichen Vorführung zu benutzen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes - UrhG -) oder diese Rechte zu übertragen (§ 94 Abs. 2 UrhG).

Sie ist Filmhersteller (§ 94 Abs. 1 Satz 1 UrhG) geworden, weil sie ein Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) geschaffen hat. Sie hat durch organisatorische und wirtschaftliche Tätigkeit ein Gesamtkunstwerk eigener Art geschaffen. Dies ist durch die Verbindung eigener schöpferischer Leistungen und ebensolcher Leistungen der mitwirkenden Personen durch Verschmelzung der bei der Herstellung benutzten Werke (Sprach-, Musikwerke, Werke der ausübenden Künstler) entstanden. Daß die Klägerin auf diese Weise einen Dokumentarfilm geschaffen und dabei gestelltes Filmmaterial und bereitgestellte Texte verwendet hat, schließt die Herstellung eines Filmwerks nicht aus.

Die Tatsachenfeststellungen des FG tragen diese Beurteilung. Danach hat die Klägerin ihren Auftrag zwar aus gestelltem Filmmaterial und ihr vorgegebenen Texten und Musikstücken nach bestimmten Weisungen des Auftraggebers ausführen müssen. Gleichwohl blieb der Klägerin noch genügend Raum für die Entstehung eines eigenen schutzfähigen Rechts. Dafür reicht - wovon das FG rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - aus, daß die Klägerin die Filme mit im eigenen Namen verpflichteten Sprechern und Musikern hergestellt und die dabei entstandenen Leistungsschutzrechte (§ 92 UrhG) erworben hat. Die Klägerin hat darüber hinaus schon durch die Auswahl aus dem ihr überlassenen Filmmaterial und durch die ihr überlassene Entscheidung, eine der ihr vorgegebenen Filmszenen länger oder kürzer in dem herzustellenden Dokumentarfilm zu berücksichtigen, eigene Leistungsschutzrechte, teilweise durch die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter (Regisseur; § 89 Abs. 1 UrhG) erworben. Nach den vom FG in Bezug genommenen Vorgaben hatte die Klägerin z.B. für die Herstellung des Dokumentarfilms "A" mit einer vereinbarten Länge von 90 Minuten Filmmaterial auszuwählen, das auf ihr übergebenen Filmrollen mit einer Spieldauer von rd. 220 Minuten enthalten war. Außerdem hatte sie die Auswahl, ob ein von dem Auftraggeber vorgegebener Filmausschnitt eine Länge von z.B. drei oder fünf Minuten haben sollte (vgl. zu den von einem Filmproduzenten geschaffenen Leistungsschutzrechten Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 7. Aufl. 1988, § 94 UrhG Anm. 6; Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, 1987, Vor §§ 88 ff., Rdnr. 33, 35).

Die Klägerin konnte dem Auftraggeber die Auswertung des hergestellten Dokumentarfilms nur durch Übertragung von eigenen Rechten (§ 94 UrhG) überlassen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1987 X R 21/80, BFH/NV 1989, 608, 609 zur Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung bei der Herstellung eines Films; BFH-Beschluß vom 1. August 1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335, 338 zur echten Auftragsproduktion; BFH-Urteile vom 14. Juni 1984 V R 11/78, BFH/NV 1985, 58 - Informations- und Werbefilm; vom 19. Februar 1976 V R 92/74, BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 zur Filmherstellung in Auftragsproduktion).

Mit der Ausführung der technischen Leistungen, die zur Entstehung und Überlassung des Films notwendig waren, hatte die Klägerin dem Auftraggeber die Ausübung der entstandenen Nutzungsrechte noch nicht eingeräumt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Mai 1986 I ZR 22/84, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1986, 1251). Dazu bedurfte es einer besonderen Leistung durch Übertragung des Auswertungsrechts. Neben dieser Rechtsübertragung verlieren die vorangegangenen technischen Leistungen ihren wirtschaftlichen Gehalt und dürfen umsatzsteuerrechtlich nicht mehr selbständig beurteilt werden. Dabei bleibt es auch, wenn der Kürzungsanspruch für die Überlassung des Films nach § 1 Abs. 5 BerlinFG aus anderen Gründen nicht erfüllt ist. Unerheblich ist für den von der Klägerin geltend gemachten Kürzungsanspruch nach § 1 Abs. 6 Nr. 6 BerlinFG im Streitfall, ob die Leistungen der Klägerin zur Auswertung im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG "bestimmt sind".

b) Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Kürzung ihrer Umsatzsteuerschuld nach § 1 Abs. 5 BerlinFG.

Sie hat den von ihr hergestellten Film dem westdeutschen Unternehmer nicht - wie in § 1 Abs. 5 BerlinFG vorausgesetzt - zur Auswertung im übrigen Geltungsbereich des BerlinFG überlassen. Eine Auswertung im übrigen Geltungsbereich des Gesetzes ist gegeben, wenn der zur Auswertung berechtigte westdeutsche Unternehmer den Film in diesem Gebiet vorführt, sendet oder die Auswertungsrechte an andere westdeutsche Unternehmer weiterüberträgt ("verleiht"). Diese Voraussetzung für den Kürzungsanspruch wird dagegen nicht erfüllt, wenn der Auftraggeber den Film anschließend einem Berliner Filmverleiher zur Auswertung überläßt (vgl. auch BMF-Schreiben vom 9. April 1985, BStBl I 1985, 146, 149 Tz. 17).

3. Kürzungsansprüche nach § 1 Abs. 1 BerlinFG sind nicht gegeben, weil die Klägerin keinen Film geliefert, sondern Auswertungsrechte durch sonstige Leistung übertragen hat.