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  BFH-Urteil vom 10.4.1991 (XI R 7, 8/84) BStBl. 1991 II S. 791

1. Die Erbauseinandersetzung zwischen Miterben und die vorweggenommene Erbfolge nach einem Miterben können in einem Vertragswerk zusammengefaßt werden. Die Übernahme von Verbindlichkeiten führt hierbei nur insoweit zu Anschaffungskosten, als sie auf die vorweggenommene Erbfolge entfällt.

2. Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge über ein Grundstück des Privatvermögens stellt die vom bisherigen Eigentümer ausbedungene Einräumung von Nutzungsrechten für sich oder einen Dritten kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar.

EStG § 7 Abs. 4, § 7b; EStDV § 11d.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Eltern des Klägers waren Miteigentümer zur Hälfte von mehreren Grundstücken, von denen eines mit einem Einfamilienhaus bebaut war. Erben des 1973 gestorbenen Vaters waren kraft Gesetzes die Mutter des Klägers zu 1/2, dieser und seine drei Geschwister zu je 1/8. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Dezember 1977 erhielt der Kläger von seiner Mutter und seinen Geschwistern zur Aufhebung der Erbengemeinschaft und im Wege der vorzeitigen Erbteilung den gesamten Grundbesitz übertragen. Der Wert des Grundbesitzes wurde mit 60.000 DM angegeben. Der Kläger verpflichtete sich, seinen Geschwistern jeweils 15.000 DM zu zahlen, und zwar zwei Geschwistern je 10.000 DM bis spätestens 1. April 1978 und je 5.000 DM in fünf gleichen zinsfreien Jahresteilbeträgen, von denen die erste Rate mit je 1.000 DM am 1. April 1979 fällig wurde. Sein Bruder K, dem die Kläger für die Dauer des ledigen Standes ein unentgeltliches ausschließliches Wohnrecht an zwei Räumen des Einfamilienhauses einräumten, sollte im Falle des Erlöschens des Wohnrechts 15.000 DM in drei gleichen zinsfreien Teilbeträgen erhalten, von denen die erste Rate ein Jahr nach Erlöschen des Wohnrechts fällig war. Die Mutter des Klägers verzichtete in dem Vertrag "zugunsten ihrer Kinder auf ihren Herauszahlungsanspruch". Ihr räumten die Kläger ein unentgeltliches ausschließliches Wohnrecht an zwei Zimmern des Hauses sowie das Mitbenutzungsrecht an allen dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner dienenden Räumen, Einrichtungen und Zugängen ein. Die Kläger übernahmen außerdem als Gesamtschuldner die eingetragenen Grundpfandrechte mit den zugrunde liegenden Forderungen; diese betrugen noch 20.000 DM. Die Wohnrechte wurden ins Grundbuch eingetragen.

Die Kläger bewohnten in den Streitjahren das Einfamilienhaus mit Ausnahme der wohnrechtsbelasteten Räume selbst. In ihren Einkommensteuererklärungen machten sie erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 2.400 DM geltend, wobei sie von Anschaffungskosten der Grundstücke von 60.000 DM und des Einfamilienhauses von 48.000 DM ausgingen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Gewährung erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG ab, da der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben habe. Das FA ließ nur anteilige Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG, § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für den mit den Wohnrechten belasteten Teil des Gebäudes zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen getrennt für die Jahre 1980 und 1981 mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Vorliegend handle es sich um eine Erbauseinandersetzung verbunden mit einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung. Beide Rechtsgeschäfte seien als Schenkung unter Auflage und damit als unentgeltliche Vorgänge zu werten.

Dagegen richten sich die Revisionen der Kläger. Sie rügen sinngemäß Verletzung der §§ 9, 6 und 7 EStG.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidungen aufzuheben und in Abänderung der Einkommensteuerbescheide und der Einspruchsentscheidungen für die Streitjahre die Einkommensteuer jeweils auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung statt der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG von 166 DM erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG von 2.400 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 121, 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Streitsachen an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Vorentscheidungen sind aufzuheben, weil das FG zu Unrecht den Erwerb der Grundstücke durch den Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung und der vorweggenommenen Erbfolge als voll unentgeltlich beurteilt hat. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) entschieden, daß Erbfall und Erbauseinandersetzung im Einkommensteuerrecht keine rechtliche Einheit bilden und Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung sowie Aufwendungen für den Erwerb des Erbanteils eines Miterben beim Leistenden grundsätzlich zu Anschaffungskosten führen. Ein entgeltlicher Erwerb ist in dem Umfang gegeben, in dem der Wert des Erlangten den Wert des Erbanteils des übernehmenden Erben übersteigt und dieser hierfür Ausgleichszahlungen leisten muß. Mit Beschluß vom selben Tag GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) hat der Große Senat auch die Rechtsprechung zur vorweggenommenen Erbfolge dahingehend geändert, daß die Übertragung eines Grundstücks gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige, einer Abstandszahlung an den Übertragenden und gegen die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft ist. Dem Übernehmer entstehen in Höhe der zugesagten Leistungen und der übernommenen Verbindlichkeiten Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den genannten Beschlüssen des Großen Senats des BFH.

Dem Kläger sind danach Anschaffungskosten für den Erwerb der Grundstücke entstanden. Zu Anschaffungskosten führen die Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Geschwistern. Dabei kann im Hinblick auf die genannten Beschlüsse des Großen Senats des BFH offenbleiben, inwieweit es sich wegen des Verzichts der Mutter auf ihren Herauszahlungsanspruch bei den vereinbarten Leistungen an die Geschwister um Gleichstellungsgelder handelt. Die Zahlungsverpflichtung gegenüber K ist als aufschiebend bedingte Verbindlichkeit (§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG - 1965) allerdings erst nach Erlöschen des Wohnrechts des K bei den Anschaffungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423 unter 3.). Die Zahlungsverpflichtungen des Klägers gegenüber seinen beiden anderen Geschwistern bilden nicht in voller Höhe Anschaffungskosten der Grundstücke; sie sind vielmehr entsprechend ihrer hinausgeschobenen Fälligkeit gemäß § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3 BewG 1965 abzuzinsen. Ebenso wie beim Veräußerer das vereinbarte Entgelt bei langfristiger zinsloser Stundung in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufzuteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160), ist die zinslose Stundung auf seiten des Erwerbers zu beachten. Als Anschaffungskosten ist nicht das vereinbarte Entgelt, sondern dessen Barwert im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601; Blümich, Einkommensteuergesetz, § 6 Rdnr. 214).

Die Übernahme von Verbindlichkeiten stellt nur im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge Entgelt dar, nicht jedoch im Rahmen der Erbauseinandersetzung (vgl. Beschluß des Großen Senats GrS 2/89 unter C II 2); hier bilden die Verbindlichkeiten einen Rechenposten für die Ermittlung des Werts des Erbanteils, der sich nach dem Saldo des Aktiv- und Passivvermögens des Erblassers bemißt.

Die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten sind nicht nur zu der den Miteigentumsanteilen der Mutter an den Grundstücken entsprechenden Hälfte, sondern zu 3/4 als Entgelt für die Übertragung der Grundstücke zu werten. In diesem Umfang ist ihre Übernahme der vorweggenommenen Erbfolge des Klägers nach seiner Mutter zuzurechnen. Zwar vollzog sich der Übergang der gesamthänderisch gebundenen 1/4-Anteile der Mutter an den Grundstücken auf den Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Rechtsgrund war aber auch insoweit die Vorwegnahme der Erbfolge. Dies ergibt sich daraus, daß die Mutter insgesamt - auch in bezug auf die Erbauseinandersetzung - auf jeglichen Zahlungsanspruch zugunsten ihrer Kinder verzichtete. Demgemäß hat aber auch die Übernahme der auf die Mutter - aufgrund ihrer Miteigentumsanteile und ihrer Erbquote - entfallenden Verbindlichkeiten durch den Kläger ihren Rechtsgrund in der vorweggenommenen Erbfolge.

Die Einräumung der Wohnrechte für die Mutter und K rechnet nicht zum Entgelt für die Übertragung der Grundstücke. Wie sich aus dem Hinweis des Großen Senats im Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 unter C II 1 c dritter Absatz am Ende auf die dort genannten BFH-Entscheidungen ergibt, bleibt es bei der bisherigen einkommensteuerrechtlichen Beurteilung der bei der Grundstücksübertragung vorbehaltenen Nutzungsrechte. Die Bestellung eines Nießbrauchs oder dinglichen Wohnrechts zugunsten des bisherigen Eigentümers stellt keine Gegenleistung des Erwerbers für die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück dar (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378; vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, und vom 6. August 1985 IX R 68/82, BFH/NV 1987, 232). Das gilt nicht nur, wenn der Eigentümer das Nutzungsrecht für sich vorbehält, sondern auch, wenn er es im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge einem Dritten zuwendet; denn auch in diesem Fall erhält der Übernehmer das von vornherein um das Nutzungsrecht geminderte Vermögen. Der Senat kann offenlassen, ob diese Grundsätze auch auf den Vorbehalt von Nutzungsrechten durch einen der Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung übertragen werden können. Vorliegend ist davon auszugehen, daß nicht K, sondern die Mutter als Miteigentümerin zur Hälfte für sich und K die Wohnrechte vorbehielt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97). Dafür spricht außer der Begrenzung des Wohnrechts auf die Dauer des ledigen Standes des K insbesondere, daß er bei Erlöschen des Wohnrechts denselben Betrag erhalten sollte wie seine Geschwister.

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen, die es ermöglichen, die den begehrten erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG zugrunde zu legenden Anschaffungskosten des Einfamilienhauses zu ermitteln. Hierzu sind die Anschaffungskosten auf die einzelnen Grundstücke und die auf das Einfamilienhausgrundstück entfallenden Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen. Die Sache wird zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen an das FG zurückverwiesen.

Der Senat weist im übrigen für die erneute Entscheidung darauf hin, daß der Nutzungswert des Einfamilienhauses dem Kläger nur dann nicht in vollem Umfang gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen und bei ihm nach § 21a EStG zu ermitteln ist, wenn die Mutter des Klägers und/oder K den Tatbestand des § 21 Abs. 2 EStG erfüllten. Dieser setzt die Nutzung einer Wohnung, d.h. eines Raumes oder einer Zusammenfassung von Räumen voraus, welche die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, und vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77). Ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, bedarf der Klärung, denn die Mutter des Klägers und K hatten das ausschließliche Nutzungsrecht nur an einzelnen Räumen, die Mutter ein Mitbenutzungsrecht weiterer Räume. Durch die Gestattung der Mitbenutzung von Räumen wird keine Wohnung zur Nutzung überlassen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, und vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171).