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  BFH-Beschluß vom 31.7.1991 (I S 1/91) BStBl. 1991 II S. 933

Enthält der Geschäftsführervertrag zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter die Klausel, daß Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und eine nur mündlich vereinbarte Aufhebung des Schriftformzwanges unwirksam sein soll, so ist eine nur mündlich vereinbarte Gehaltserhöhung mit der Folge zivilrechtlich unwirksam, daß der erhöhte Betrag steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln ist.

KStG 1977 § 8 Abs. 3 Satz 2, § 27 Abs. 3 Satz 2; BGB § 125 Satz 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die vor dem Finanzgericht (FG) München eine Klage wegen Körperschaftsteuer 1981 bis 1983 gegen den Antragsgegner (Finanzamt - FA -) führte. Durch Urteil vom 25. Oktober 1990 wies das FG die Klage ganz überwiegend als unbegründet ab. Soweit ihr stattgegeben wurde, verfuhr das FG nach Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG). Es gab dem FA auf, bei der Festsetzung der tariflichen Körperschaftsteuer, bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer-Erhöhungs- und Minderungsbeträge gemäß § 27 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und bei der Feststellung des Einkommens sowie der Tarifbelastung die angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen (anderen Ausschüttungen) für 1981 um 439 DM, für 1982 um 895 DM und für 1983 um 2.370 DM zu mindern und die sich daraus ergebenden Änderungen der Gewerbesteuerrückstellungen gegenzurechnen. Das Urteil wurde der Antragstellerin am 15. November 1990 zugestellt. Sie legte am 7. Dezember 1990 beim FG Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen hat.

Das FA erließ am 29. Januar 1991 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1981 bis 1983, die inhaltlich dem FG-Urteil vom 25. Oktober 1990 Rechnung trugen. In den Bescheiden ist die Rechtsbehelfsbelehrung gestrichen. In ihrer Begründung wird auf das FG-Urteil vom 25. Oktober 1990 hingewiesen. Im übrigen verwendete das FA die Original-Bescheid-Vordrucke. Allerdings bezeichnete es die Bescheide in einem Schreiben vom 22. Februar 1991 gegenüber der Antragstellerin als "Berechnungsbescheide" zum FG-Urteil vom 25. Oktober 1990.

Mit Schreiben vom 15. Februar 1991 beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1981 bis 1983 mit Rücksicht auf die von ihr eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Diesen Antrag lehnte das FA durch Schreiben vom 22. Februar 1991 ab. Deshalb beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 6. März 1991 die Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1981 bis 1983 gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen folgender Beträge:

Körperschaftsteuer 1981 895 DM

Körperschaftsteuer 1982 69 DM

Körperschaftsteuer 1983 6.333 DM.

Die Beträge berücksichtigen bereits die aufgrund des FG-Urteils geänderten Steuerfestsetzungen vom 29. Januar 1991.

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Er war deshalb abzulehnen.

1. Der Senat versteht den Antrag der Antragstellerin dahin, daß sie die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1981 bis 1983 vom 29. Januar 1991 begehrt. Dieser Antrag ist zulässig.

a) Entgegen der Auffassung des FA handelt es sich bei den geänderten Steuerfestsetzungen vom 29. Januar 1991 um Steuerbescheide im Sinne des Urteils des erkennenden Senats vom 25. Januar 1989 I R 289/83 (BFHE 156, 353, BStBl II 1989, 620). Dies ergibt sich aus dem Regelungsinhalt der Bescheide. Danach hat das FA die Körperschaftsteuern 1981 bis 1983 anderweitig festgesetzt. Dies schließt die Annahme einer bloßen Betragsberechnung nach Art. 3 § 4 VGFGEntlG aus (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14). Zwar wird in den Bescheiden auf die "Änderung gemäß Urteil des Finanzgerichts vom 25. Oktober 1990" hingewiesen. Deshalb müssen aber die geänderten Steuerfestsetzungen keine bloßen Betragsberechnungen sein. Da das FA keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, ist davon auszugehen, daß es das Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, hinnimmt. Dann aber war das FA zum Erlaß von Änderungsbescheiden verpflichtet (vgl. Erlaß des Finanzministers des Landes Niedersachsen vom 4. März 1991 FG 2029 - 9 - 331, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1991, 320). Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) zwang das FA dazu, die als falsch erkannte Rechtsauffassung zu korrigieren und, soweit dies verfahrensrechtlich möglich war, in geänderte Steuerbescheide umzusetzen. Aus der Tatsache, daß das FA die Rechtsbehelfsbelehrung zu dem Änderungsbescheid strich, folgt nichts anderes. Dies löst nur die Rechtsfolge des § 356 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aus, macht jedoch aus einem Steuerbescheid keine Betragsberechnung.

b) Bezogen auf die Änderungsbescheide vom 29. Januar 1991 sind im Streitfall auch die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 VGFGEntlG erfüllt. Sinngemäß hat das FA mit Schreiben vom 22. Februar 1991 es abgelehnt, die Vollziehung der Bescheide vom 29. Januar 1991 auszusetzen.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide bestehen keine ernstlichen Zweifel.

a) Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Steuerbescheides ganz oder teilweise aussetzen. Insoweit gilt § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechend. Danach soll die Vollziehung u.a. dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66 (BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) sind ernstliche Zweifel in dem o.g. Sinne anzunehmen, wenn bei der Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides im Aussetzungsverfahren in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Ist in der Hauptsache eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, so müssen die ernstlichen Zweifel auf die Erfolgsaussichten dieses Rechtsbehelfs bezogen werden. Hiervon ausgehend sind im Streitfall keine Gründe zu erkennen, die die Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide rechtfertigen könnten.

b) Der Streitfall betrifft ausschließlich die Zivilrechtsfrage, ob eine mündlich vereinbarte Änderung des schriftlichen Geschäftsführervertrages auch dann zivilrechtlich wirksam ist, wenn der schriftliche Vertrag für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibt und eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung für unwirksam erklärt. Diese Rechtsfrage hat das FG in Übereinstimmung mit einem maßgeblichen Teil des Schrifttums (vgl. Förschler, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 125 Rdnr. 77 m.w.N.) zutreffend verneint. Nach § 125 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ein Rechtsgeschäft, das der vertraglich bestimmten Form ermangelt, im Zweifel nichtig. Mit der im Geschäftsführervertrag vom 15. Januar 1981 vereinbarten Formel, daß eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung unwirksam ist, haben die Vertragsschließenden die Rechtsfolge des § 125 Abs. 2 BGB für eine nur mündlich abgeschlossene Vertragsänderung ausdrücklich vereinbart. Da die hier interessierende Gehaltserhöhung für K nur mündlich vereinbart wurde, fällt sie unter die Rechtsfolge des § 125 Satz 2 BGB. Dies bedeutet, daß sie zivilrechtlich unwirksam ist.

c) Der vom FG getroffenen Entscheidung steht die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof - BGH - (vgl. Urteil vom 2. Juni 1976 VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378) hat eine vergleichbare Absprache unter Kaufleuten mit der Folge als rechtswirksam angesehen, daß die nur mündlich vereinbarte Vertragsänderung unwirksam war. Das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Juli 1976 I R 178/75 (BFHE 119, 457, BStBl II 1976, 761) betrifft dagegen nur die aus steuerlichen Gründen zu fordernde Klarheit eines zivilrechtlich zulässigen Insichgeschäftes und nicht - wie im Streitfall - dessen zivilrechtliche Rechtswirksamkeit. Das BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/86 (BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645) betrifft nur den Fall der mündlichen Aufhebung eines schriftlich vereinbarten Formzwanges, nicht aber den eines auch für die Aufhebung der Schriftformklausel vereinbarten Formzwanges. Schließlich enthält das BFH-Urteil vom 24. Juli 1990 VIII R 304/84 (BFH/NV 1991, 90) nur die Aussage, daß eine zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter getroffene Vereinbarung auslegungsfähig ist. Die Auslegungsfähigkeit setzt jedoch Unklarheit darüber voraus, was vereinbart wurde. An einer solchen Unklarheit fehlt es im Streitfall. § 9 des Geschäftsführervertrages ist klar formuliert.

d) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide können auch nicht unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bejaht werden. Abgesehen davon, daß die Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Gesichtspunkt von der Antragstellerin nicht gestützt wurde, kann ein Interesse der Allgemeinheit allenfalls an einer höchstrichterlichen Klarstellung bestehen. Diese Klarstellung ist aber durch die jetzt getroffene Entscheidung vorgenommen worden. Eine weitergehende Klarstellung kann durch eine Entscheidung im Revisionsverfahren nicht erwartet werden.