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  BFH-Urteil vom 27.3.1991 (I R 43/90) BStBl. 1992 II S. 37

1. Ein Zuschuß, den ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft in Geld leistet, ist grundsätzlich geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

2. Der Gesellschaftsteuer unterliegen solche Vorgänge, die der rechtliche Ausdruck der Ansammlung von Kapital sind, soweit sie zur Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beitragen. Eine entsprechende Eignung kommt Zuschüssen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft in Geld leistet, auch dann zu, wenn das Gesellschaftsvermögen stark negativ ist und es trotz des Zuschusses auch bleibt.

KVStG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1990, 489)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG, an der die A-AG zu 75 v. H. und die B-AG zu 25 v. H. beteiligt waren. Die Gesellschafter hatten sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen, die ihrerseits mit der Klägerin einen Organschaftsvertrag mit Gewinnabführungsverpflichtung abschloß. Aufgrund des Vertrages übernahmen die A-AG und die B-AG die von der Klägerin ab 1980 erwirtschafteten Verluste.

Im Jahre 1983 gewährte die A-AG außerhalb der bestehenden Verlustübernahmeverpflichtung einen Zuschuß in Höhe von 30 Mio. DM. Der Zuschuß wurde dazu verwendet, eine Darlehensverbindlichkeit der Klägerin gegenüber der A-AG zu tilgen. Die A-AG aktivierte den Zuschuß auf dem Beteiligungskonto und bildete sofort in gleicher Höhe eine Teilwertabschreibung.

Zum 31. Dezember 1983 stellte die B-AG ihre Aktien mit Rücksicht auf die schlechte Ertragslage der Klägerin entschädigungslos zur Verfügung. Die Aktien wurden gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 1 des Aktiengesetzes (AktG) eingezogen. Das Grundkapital der Klägerin wurde um 1/4 auf 234 Mio. DM herabgesetzt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in dem Zuschuß der A-AG eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Durch Bescheid vom 1. Juni 1984 setzte er Gesellschaftsteuer in Höhe von 300.000 DM fest. Gegen den Bescheid legte die Klägerin zunächst Einspruch und später Klage ein. Sie vertrat mit Rücksicht auf ihre schlechte Ertragslage die Auffassung, der Zuschuß sei ungeeignet gewesen, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 489 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 1. Juni 1984 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1987 aufzuheben.

Das FA hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 unterliegen Zuschüsse eines Gesellschafters an seine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Ergänzend dazu bestimmen die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft, was unter einem Gesellschafter und was unter einem Gesellschaftsrecht i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 zu verstehen ist.

Zu diesen Vorschriften hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin im Jahre 1983 eine AG mit Geschäftsleitung im Inland war. Deshalb war sie inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 KVStG 1972. Die von ihr ausgegebenen Aktien galten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 als Gesellschaftsrechte an der Klägerin. Die Aktien standen im Jahre 1983 der A-AG und der B-AG zivilrechtlich zu. Sie waren deshalb i. S. des § 6 Abs. 2 KVStG 1972 die Gesellschafter der Klägerin. Die A-AG leistete im Jahre 1983 einen Zuschuß in Höhe von 30 Mio. DM an die Klägerin. Für die Leistung dieses Zuschusses bestand weder eine gesellschaftsvertragliche noch eine gesetzliche Verpflichtung der A-AG. Sie war deshalb freiwillig i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972.

2. Der Zuschuß war auch i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 12. April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714; vom 8. Oktober 1975 II R 94/70, BFHE 117, 109, BStBl II 1976, 24; vom 31. Januar 1979 II R 46/77, BFHE 127, 227, BStBl II 1979, 382; vom 8. August 1979 II R 99/78, BFHE 129, 71, BStBl II 1980, 50; vom 11. Juli 1984 II R 87/82, BFHE 141, 569, BStBl II 1984, 840; vom 25. November 1987 I R 385/83, BFHE 152, 154, BStBl II 1988, 450; vom 12. Dezember 1990 I R 22/89, BFHE 163, 492, BStBl II 1991, 468) entschieden, daß einem Zuschuß, den ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft in Geld leistet, grundsätzlich die Eignung zukommt, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Zuschußleistung erheblich überschuldet ist. An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Sie geht auf folgende Überlegungen zurück:

a) Seinem Wortlaut nach setzt § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 nur die Eignung der Leistung voraus, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Danach kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall eine Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte eintritt oder nicht. Die entsprechende Eignung der Leistung ist abstrakt zu beurteilen. So ist z. B. die unentgeltliche Überlassung von Gegenständen durch den Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft regelmäßig geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972). Nutzt die Gesellschaft den überlassenen Gegenstand nicht und tritt deshalb auch die an sich mögliche Werterhöhung der Gesellschaftsrechte wegen nicht ersparter Aufwendungen nicht ein, so ist dies für die Tatbestandsverwirklichung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 ohne Bedeutung.

b) Der Gesellschaftsteuer unterliegen solche Vorgänge, die der rechtliche Ausdruck einer Ansammlung von Kapital sind, soweit sie zur Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beitragen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 15. Juli 1982 Rs. 270/81, EuGHE 1982, 2771 Rdnr. 16; vom 2. Februar 1988 Rs. 36/86, EuGHE 1988, 409 Rdnrn. 13 und 14; vom 28. März 1990 Rs. C-38/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1990, 342). Eine entsprechende Eignung kommt Zuschüssen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft in Geld leistet, auch dann zu, wenn das Gesellschaftsvermögen stark negativ ist und es trotz des Zuschusses auch bleibt. Der Zuschuß in Geld ist auch dann geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Er stärkt die Fähigkeit der Gesellschaft, wieder lebensfähig zu werden. Dies gilt auch dann, wenn es zusätzlicher Leistungen zur Erreichung eines finanziellen Gleichgewichtes bedarf.

c) Aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) folgt nichts anderes. Die Urteile vom 19. November 1929 II A 599/29 (RStBl 1929, 674) und vom 7. Januar 1930 II A 613/29 (RStBl 1930, 557) betreffen nur die zeitweise Aufgabe der Geltendmachung einer Forderung durch den Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft. Sie sind deshalb im Streitfall nicht einschlägig. Die Urteile vom 25. November 1930 II A 591/30 (RStBl 1931, 64) und vom 23. Juni 1931 II A 192/31 (RStBl 1931, 546) betreffen dagegen Leistungen eines Gesellschafters an seine in Liquidation getretene Gesellschaft. Die Klägerin war im Jahre 1983 nicht in Liquidation getreten. Es muß deshalb angenommen werden, daß der Zuschuß der A-AG auch dem Zweck diente, die Klägerin wieder lebensfähig werden zu lassen. Jedenfalls kann die genannte Rechtsprechung schon deshalb nicht auf den Streitfall übertragen werden, weil es an einem Gesellschafterbeschluß über die Liquidation der Klägerin fehlt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob an der genannten Rechtsprechung des RFH festzuhalten ist.

d) Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsbegründung auf den Wert der Gesellschaftsrechte als die Beteiligung am "Reinvermögen" der Gesellschaft ab, der nicht unter null DM sinken kann. Dies ist jedoch ein unzutreffender Ansatz. Abzustellen ist auf das Gesellschaftsvermögen. Dieses wird vom EuGH (in - HFR - 1990, 342) als "alle Wirtschaftsgüter" umschrieben, "die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses". Dieses Gesellschaftsvermögen vermindert sich, wenn die Gesellschaft mit Verlust abschließt. Es entspricht dem Wert der Gesellschaft, der auch negativ sein kann. Der Wert der Gesellschaft ist zugleich die Summe des Wertes aller Gesellschaftsrechte.

e) Die Klägerin kritisiert zu Unrecht an der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß sie keine Aussage darüber enthalte, nach welcher Bewertungsvorschrift die Werterhöhung zu ermitteln sei. Da es nur auf die abstrakte Eignung der Leistung ankommt, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, bedarf es keiner Feststellung darüber, ob der Wert der Gesellschaftsrechte überhaupt und ggfs. um welchen Betrag er erhöht wurde. Im Streitfall ist allein entscheidend, ob der geleistete Zuschuß rechtlicher Ausdruck einer Ansammlung von Eigenkapital ist. Dies ist schon deshalb zu bejahen, weil der Zuschuß rechtlich gesehen in das Eigenkapital der Klägerin geleistet wurde und dasselbe erhöht.

f) Zu Unrecht meint die Klägerin, es sei die Folge der Rechtsauffassung des erkennenden Senats, daß dem § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 jeder Sinngehalt genommen werde. Zwar wohnt jeder Geldzuwendung eines Gesellschafters an seine Gesellschaft von Natur aus die Eignung inne, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, weshalb sich bei Geldzuwendungen die gesonderte Prüfung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 erübrigt. Zuschüsse i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 müssen aber nicht notwendigerweise in Geld bestehen. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 hat deshalb für Zuschüsse, die nicht in Geld bestehen, seinen Sinn. Insoweit zeigt nicht zuletzt das BFH-Urteil vom 2. August 1989 I R 53/85 (BFHE 158, 452, BStBl II 1990, 222), daß nicht jede sonstige Gesellschafterleistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

g) Die Richtigkeit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats wird auch durch die Regelung in § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972 bestätigt. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn die Auffassung der Klägerin zutreffen würde. Insoweit verweist der Senat auf sein Urteil vom 18. Oktober 1989 I R 25/85 (BFHE 158, 471, BStBl II 1990, 225). Da die Gesellschaftsteuer eine Rechtsverkehrsteuer ist, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Gesellschafter mit seinem Zuschuß beabsichtigte, die Gesellschaft wirtschaftlich wiederzubeleben oder nicht.

3. Die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung stimmt auch mit dem Inhalt der Richtlinie 69/335/EWG vom 17. Juli 1969 (Amtsblatt L 249 vom 3. Oktober 1969 S. 25) überein. Dies ergibt sich aus der unter II. 2. b) zitierten EuGH-Rechtsprechung.

4. Bei Zuschüssen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 wird die Gesellschaftsteuer vom Wert der Leistung berechnet (§ 8 Nr. 2 KVStG 1972). Da der Zuschuß in Geld bestand, ist der Wert der Leistung mit dem Nominalbetrag des hingegebenen Geldes zu bewerten (§ 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes). Dieser betrug nach den von der Klägerin nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) tatsächlichen Feststellungen des FG 30 Mio. DM.

5. Das FG hat zu Recht die Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972 verneint. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß schon der Gewinnabführungsvertrag sowohl eine Überschuldung der Klägerin als auch den (teilweisen) Verlust ihres Grundkapitals verhinderte. Der Zuschuß war deshalb i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972 nicht erforderlich, um eine Überschuldung bzw. einen Verlust am Grundkapital abzudecken.

6. Die Vorentscheidung entspricht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt kein Bundesrecht. Deshalb war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.