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  BFH-Urteil vom 25.7.1991 (XI R 36/89) BStBl. 1992 II S. 26

Schlußvorschriften in § 52 EStG über die erstmalige Anwendung neuer Bestimmungen gelten auch dann weiter, wenn sie in späteren Gesetzesfassungen nicht mehr enthalten sind.

EStG § 52.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1988, 27)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger machte bei der Einkommensteuerveranlagung 1979 einen Verlust von 30.118 DM geltend, den er 1974 aus seiner Beteiligung an der D-KG erlitten hatte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den Verlust nicht an, weil er nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sei, wie dies § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für 1974 geltenden Fassung verlange.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Zwar sei die Regelung, daß Verluste erstmals von 1975 an nicht mehr auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sein müßten, schon in § 52 (Abs. 16) EStG 1977 nicht mehr enthalten. Diese Streichung habe aber nicht die ihr von den Klägern beigelegte Bedeutung, daß bei allen Veranlagungen ab 1977 - anders als für 1975 und 1976 - alle Verluste aus dem Jahre 1974 nunmehr auch ohne ordnungsmäßige Buchführung abziehbar seien (vgl. im einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 27).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung sachlichen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 1979 vom 1. April 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1982 in der Weise zu ändern, daß der erklärte Verlust als Sonderausgabe abgezogen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

§ 10 d EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuer-Reformgesetz - EStRG -) vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) in der Bekanntmachung als Einkommensteuergesetz 1975 vom 5. September 1974 (BGBl I 1974, 2165, BStBl I 1974, 733) erlaubt, auch nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte Verluste abzuziehen. Gemäß § 52 Abs. 16 EStG 1975 (Art. 1 Nr. 68 EStRG) ist § 10 d EStG in dieser Fassung bei Gewerbetreibenden erstmals auf Verluste anzuwenden, die - im Unterschied zu dem von den Klägern geltend gemachten Verlust - in dem nach dem 31. Dezember 1974 endenden Wirtschaftsjahr entstehen.

Diese Anwendungsregelung gilt nach wie vor. Sie ist weder durch das Gesetz zur Änderung des EStG vom 20. April 1976 (BGBl I 1976, 1054, BStBl I 1976, 282), insbesondere durch dessen Art. 1 Nr. 7 Buchst. a, noch durch das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, des Bundeskindergeldgesetzes, des EStG und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1977) vom 16. August 1977 (BGBl I 1977, 1586, BStBl I 1977, 442), insbesondere durch dessen Art. 3 Nr. 13 Buchst. e, aufgehoben worden.

Entgegen der Auffassung der Kläger gelten Rechtsanwendungsvorschriften weiter, auch wenn sie aus dem Text des § 52 EStG herausgelöst werden (vgl. Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuergesetz, § 52 Rdnr. 3; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Erläuterungen zu § 52 EStG; vgl. auch Schneider, Gesetzgebung, 1982, Rdnr. 549). Die Rechtsanwendungsvorschriften beruhen in erster Linie auf dem jeweiligen Änderungsgesetz, hier z. B. auf dem zitierten EStRG vom 5. August 1974. Wegen der Vielzahl der Änderungen verzichtet der Gesetzgeber darauf, alle Änderungsvorschriften in dem Katalog des § 52 EStG zu belassen. Die Entfernung aus dem Katalog des § 52 EStG bedeutet nicht, daß die entsprechende gesetzliche Anwendungsregelung aufgehoben ist. Diese Gesetzgebungstechnik, die der Übersichtlichkeit dienen soll, mag - wie der Streitfall zeigt - im Einzelfall die Ermittlung des geltenden Rechts erschweren. Gleichwohl ist die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens nicht zu bezweifeln; die - formale - Regelung der Anwendungsvorschriften liegt im freien Ermessen des Gesetzgebers.

Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf die Regel "lex posterior derogat legi priori" (dazu vgl. Schneider, a. a. O., Rdnrn. 553, 554) berufen. Die neue Anwendungsregel verdrängt die alte nur äußerlich im Katalog des § 52 EStG, nicht aber in bezug auf ihre sachliche Geltung; denn die neu aufgenommene und die entfernte Regelung sind nicht gegenstandsgleich und betreffen ganz verschiedene Gesetzesänderungen.