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  BVerfG-Beschluß vom 7.11.1991 (1 BvR 1469/86) BStBl. 1992 II S. 44

Lohnsteuerhilfevereine werden durch § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) übermäßig beschränkt, soweit ihnen verboten wird, in gemeindlichen Mitteilungsblättern zu inserieren.

Sachverhalt

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Lohnsteuerhilfevereine bei ihrer Anzeigenwerbung auf Tageszeitungen beschränkt werden dürfen.

I.

Die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ist nur in engen Grenzen zulässig. Den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung regelt das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1301) - StBerG -, das mit veränderter Paragraphenfolge nach dem Dritten Änderungsgesetz vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1509) am 4. November 1975 neu bekanntgemacht wurde (BGBl. I S. 2735).

1. Zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen sind nur die in § 3 StBerG genannten Personen und Gesellschaften befugt. Beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen dürfen nach § 4 Nr. 11 StBerG auch Lohnsteuerhilfevereine leisten. Es handelt sich um Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern (§ 13 Abs. 1 StBerG). Seit der Novelle zum Steuerberatungsgesetz vom 24. Juni 1975 sind ihre Rechte und Pflichten eingehend geregelt. Sie bedürfen der Anerkennung (§ 13 Abs. 3 StBerG) und unterliegen einer Sachkundekontrolle (§ 23 Abs. 3 bis 5 StBerG) sowie einer ständigen Fachaufsicht durch die Oberfinanzdirektionen, in deren Bezirk sie ihren Sitz haben (§ 27 StBerG). Obwohl sie keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolgen und für ihre Leistungen kein besonderes Entgelt berechnen dürfen (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 StBerG), üben sie eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unterliegt (vgl. BGH, BB 1976, S. 621; Gehre, Steuerberatungsgesetz, § 14 Rdnr. 2).

2. Das unaufgeforderte Anbieten der eigenen oder fremder Dienste zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ist nach § 8 Abs. 1 StBerG untersagt.

a) Für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte bestimmt § 57 Abs. 1 StBerG ergänzend, daß sie ihren Beruf "unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben" haben. Was unter "berufswidriger Werbung" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG überträgt aber der Bundessteuerberaterkammer die Aufgabe, "die allgemeine Auffassung über Fragen der Ausübung des Steuerberatungsberufs in Richtlinien festzustellen".

Auf dieser Grundlage hat die Bundessteuerberaterkammer Standesrichtlinien für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte beschlossen, die sich eingehend zur Frage berufswidriger Werbung äußern. Auch die Art der Publikation von Inseraten wird in den Standesrichtlinien beschrieben. Ursprünglich war von Anzeigen "in Tageszeitungen und Fachzeitschriften" die Rede (§ 30 der Berufsgrundsätze der Steuerberater von 1964). Die "Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten" vom 24./25. Januar 1977 gestatten demgegenüber "Anzeigen in der Tagespresse" (Nr. 34 Abs. 1 RichtlStB 1977). Dazu zählen nach einhelliger Auffassung auch regionale Amts-, Wochen- und Anzeigenblätter, die nicht täglich erscheinen (vgl. OLG Hamm, DB 1987, S. 431; Gehre, a. a. O., § 57 Rdnr. 86; Kolbeck/Peter/Rawald, Steuerberatungsgesetz, § 57 Rdnr. 142; Späth, in: Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 57 Rdnr. B 825.10).

b) Auch Lohnsteuerhilfevereine dürfen für ihre Dienste nicht werben (§ 8 Abs. 1, § 26 Abs. 1 StBerG). Jedoch wird dieses Verbot mit Rücksicht auf das besondere Informationsbedürfnis der von ihnen angesprochenen Bevölkerungskreise in § 8 Abs. 2 StBerG wie folgt abgemildert:

Die in § 4 Nrn. 3, 7 und 11 bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen dürfen im Rahmen des sachlich Gebotenen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinweisen. Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Art und Inhalt der zulässigen Hinweise näher zu bestimmen.

Die Verordnungsermächtigung geht auf einen Antrag des federführenden Finanzausschusses zurück, der zur Begründung folgendes ausführte (BTDrucks 7/3526, S. 4, letzter Absatz):

Die neu aufgenommene Regelung, nach der der Umfang der zulässigen Werbung vom Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung zu bestimmen ist, soll Auslegungsstreitigkeiten vorbeugen. Bei der vorzunehmenden Abgrenzung ist an eine Regelung zu denken, die etwa den Bestimmungen der Standesrichtlinien der steuerberatenden Berufe entspricht.

Aufgrund des § 8 Abs. 2 Satz 2 StBerG erließ der Bundesminister der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates am 25. November 1976 die Verordnung über Art und Inhalt der zulässigen Hinweise auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen (BGBl. I S. 3245) - WerbeVOStBerG -. Deren § 3 Abs. 1 lautet:

Anzeigen, in denen auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen hingewiesen wird, dürfen nur zum Abdruck in Tageszeitungen aufgegeben werden. Sie sind erlaubt

1. und 2....

3. im Zusammenhang mit der Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs.

c) Das Werbeverbot ist bußgeldbewehrt. Wer entgegen § 8 StBerG unaufgefordert seine Dienste oder die Dienste Dritter zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen anbietet, handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10.000 DM geahndet werden.

II.

Der Beschwerdeführer betreibt unter der Bezeichnung Obmann die Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins. Er ist weisungsgebunden, zu monatlicher Abrechnung verpflichtet und mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresschluß kündbar. Für seine Tätigkeit erhält er eine Vergütung in Höhe von zwei Dritteln der Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträge. Im Dezember 1984 veranlaßte er, daß in dem monatlich erscheinenden Mitteilungsblatt der Gemeinde L. vom Januar 1985 an fortlaufend eine Anzeige erschien, die auf das Dienstleistungsangebot, die Adresse und die Geschäftszeiten der von ihm betreuten Beratungsstelle hinwies.

Mit Bußgeldbescheid vom 7. August 1985 verhängte das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 4.000 DM, weil er als verantwortlicher Beratungsstellenleiter mit der Veröffentlichung der genannten Anzeige entgegen § 8 StBerG unaufgefordert seine Dienste zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen angeboten habe. Der Beschwerdeführer legte dagegen Einspruch ein.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu einer Geldbuße in Höhe von nur noch 500 DM. Wie das Finanzamt ging es davon aus, daß der Beschwerdeführer fortgesetzt und vorsätzlich in den Monaten Januar bis Juni 1985 unzulässige Werbung betrieben habe, indem er im Mitteilungsblatt einer Gemeinde inserierte. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Werbeverbot bestünden nicht. Insbesondere seien Lohnsteuerhilfevereine nicht gegenüber Steuerberatern benachteiligt; auch diese dürften nur in Tageszeitungen inserieren. Die Rechtsbeschwerde wurde vom Oberlandesgericht verworfen. Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers seien nicht ersichtlich.

III.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Der Bußgeldbescheid und die nachfolgenden Gerichtsentscheidungen verstießen gegen diese Grundrechte, weil sie sich auf verfassungswidrige Normen stützten.

Das Werbeverbot für Lohnsteuerhilfevereine sei ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung. Dieser Eingriff treffe nicht nur die Lohnsteuerhilfevereine selbst, sondern auch die Leiter der Beratungsstellen, deren Einkommen durch die Beschränkung der Werbemöglichkeiten verringert werde. Im Unterschied zu Steuerberatern seien Lohnsteuerhilfevereine auf eine Information der Öffentlichkeit über ihre Existenz und die Art ihrer Dienste angewiesen. Die Einschränkung dieser Möglichkeit durch eine Rechtsverordnung könne sich nicht auf eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage stützen, weil § 8 Abs. 2 Satz 2 StBerG gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstoße. Der Gesetzgeber habe zwar den Inhalt der in Frage kommenden Rechtsverordnung geregelt, nicht aber deren Grenzen und vor allem nicht den Zweck, der mit dieser Regelung verfolgt werden solle. Diese Unklarheit sei der Grund dafür, daß der Verordnungsgeber in § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG nur Inserate in Tageszeitungen zugelassen habe, obwohl das dem Zweck des § 8 Abs. 2 StBerG widerspreche.

Der Zweck des Werbeverbots für Lohnsteuerhilfevereine bestehe darin, die Chancengleichheit mit den freiberuflich tätigen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten herzustellen. Diesen sei es jedoch gestattet, in der Tages- und Fachpresse einschließlich Amts- und Anzeigenblättern zu inserieren. Soweit Lohnsteuerhilfevereine weitergehenden Beschränkungen unterworfen würden, fehle dafür jeder vernünftige Grund. Eine solche Beschränkung sei den Lohnsteuerhilfevereinen auch nicht zuzumuten, weil sie darauf angewiesen seien, ihren speziellen Kundenkreis gerade über kostenlos verteilte Anzeigen- und Mitteilungsblätter zu erreichen.

IV.

1. Der Bundesminister der Finanzen hat zunächst mitgeteilt, daß er beabsichtige, eine Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG vorzunehmen. Inserate in Amts- oder Anzeigenblättern sollten künftig nicht anders behandelt werden als Anzeigen in Tageszeitungen. Eine Nachfrage im Juni 1991 hat ergeben, daß diese Novellierungspläne zur Zeit nicht weiterverfolgt werden.

2. Die Bundessteuerberaterkammer hat mitgeteilt, es entspreche einheitlicher und gefestigter Standesauffassung, daß der Begriff "Tagespresse" in Nr. 34 der Standesrichtlinien weit ausgelegt werden müsse und auch regionale Amts-, Wochen- und Anzeigenblätter erfasse, die nicht täglich erscheinen. Eine entsprechende Klarstellung der Standesrichtlinien werde nicht als erforderlich angesehen. Hingegen erscheine für Lohnsteuerhilfevereine die Werbung in Tageszeitungen völlig ausreichend. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung könne in der unterschiedlichen Regelung nicht gesehen werden, weil Lohnsteuerhilfevereinen ohnehin ein erweiterter Werbespielraum eingeräumt worden sei. Die beanstandeten Inserate seien aus Anlaß des Lohnsteuerjahresausgleichs aufgegeben worden, während Steuerberater aus diesem Anlaß überhaupt nicht hätten inserieren dürfen.

3. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine e. V. hat sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers angeschlossen. Im Gegensatz dazu hält der Bund Deutscher Lohnsteuerzahlerverbände e. V. die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers für unbegründet.

Entscheidungsgründe

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Bußgeldbescheid des Finanzamts richtet. Insoweit fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Der Beschwerdeführer hat gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Das weitere Verfahren richtete sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung über den Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 71 Abs. 1 OWiG). Danach hatten die Gerichte die Tat selbständig zu beurteilen, ohne auf den Bußgeldbescheid Bezug zu nehmen. Dessen belastende Wirkung entfiel bereits mit dem zulässigen Einspruch, so daß der Beschwerdeführer nur noch durch die gerichtlichen Entscheidungen beschwert wird.

C.

Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufgrund von § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG von einem zu weitgehenden Werbeverbot für Lohnsteuerhilfevereine ausgegangen. Die genannte Vorschrift verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie den Abdruck von Inseraten in gemeindlichen Mitteilungsblättern verbietet.

I.

Zur Berufsfreiheit, die durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleistet ist, gehört die Möglichkeit des Bürgers, für seine beruflichen Leistungen zu werben. Die berufliche Werbung wird daher vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfaßt (vgl. BVerfGE 76, 196 [207 f.]; 82, 18 [26 f.]; st. Rspr.). Dies gilt nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für juristische Personen, die sich beruflich betätigen. Danach machen Lohnsteuerhilfevereine von ihrer Berufsfreiheit Gebrauch, wenn sie auf ihr spezielles Dienstleistungsangebot hinweisen. Der Beschwerdeführer ist zwar nur Angestellter eines Lohnsteuerhilfevereins, er ist aber an dem geschäftlichen Erfolg der von ihm geleiteten Niederlassung beteiligt, weil sich sein Verdienst nach dem erzielten Beitragsaufkommen richtet. Eine Werbebeschränkung greift daher auch in seine Berufsfreiheit ein.

II.

Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Dieses formale Erfordernis ist erfüllt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers beruht die Werbeverordnung des Bundesministers der Finanzen vom 25. November 1976 auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.

a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Der Gesetzgeber hat die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, daß deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Es genügt aber, daß sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1 [20 f.]; st. Rspr.).

Die umstrittene Werbeverordnung stützt sich auf § 8 Abs. 2 Satz 2 StBerG. Danach soll der Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung diejenigen Hinweise nach Art und Inhalt näher bestimmen, die im vorangehenden Satz gekennzeichnet und ausdrücklich zugelassen werden. Es geht um genau bezeichnete Körperschaften und Vereinigungen, bei denen der Hinweis auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen sachlich geboten erscheint. Der Zweck dieser Ermächtigung ergibt sich aus dem rechtlichen Zusammenhang und aus der Begründung, die der federführende Finanzausschuß gegeben hat (BTDrucks 7/3526, S. 4, letzter Absatz). Das Programm und der mögliche Inhalt der Verordnung lassen sich daraus hinreichend erschließen.

Die Werbeverordnung hat den Zweck, durch möglichst klare und für die Fachaufsicht leicht handhabbare Tatbestände folgende gegensätzliche Interessen auszugleichen: Auf der einen Seite stehen die freiberuflich tätigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die mit Rücksicht auf die Eigenart ihres Berufsbildes Werbeverboten unterliegen, so daß im Interesse der Chancengleichheit auch deren gewerbliche Konkurrenten auf dem Dienstleistungsmarkt gewissen Beschränkungen unterworfen werden müssen (vgl. BVerfGE 59, 302 [327]). Eine solche Angleichung muß aber andererseits die Eigenart der Konkurrenzsituation erfassen, kann sich also nicht auf eine schematische Gleichstellung beschränken. Lohnsteuerhilfevereine unterscheiden sich von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten dadurch, daß die Art ihrer Befugnisse und Dienstleistungen gerade im Kreise ihrer potentiellen Mitglieder weitgehend unbekannt ist (vgl. BGH, LM § 1 UWG, Nr. 207, unter II 1 der Gründe). Daraus folgt für den Verordnungsgeber die Aufgabe, notwendige Existenzhinweise zu ermöglichen, inhaltlich aber so zu begrenzen, daß sie den Bedürfnissen der Lohnsteuerhilfevereine gerecht werden, ohne zu einem Wettbewerbsnachteil der freiberuflich tätigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten zu führen.

b) Diese hinreichend bestimmte Grenze der Ermächtigungsgrundlage hat der Bundesminister der Finanzen bei Erlaß der Werbeverordnung vom 25. November 1976 nicht überschritten. Er hat sich an den Wortlaut der damals geltenden Berufsgrundsätze für Steuerberater angelehnt, wie es ihm in der Gesetzesbegründung nahegelegt worden war. Die Standesrichtlinien vermitteln, auch wenn sie keine Rechtsnormqualität besitzen (so schon BVerfGE 60, 215 [230]) für Steuerberater und weitergehend BVerfGE 76, 171 [187] für Rechtsanwälte), einen realitätsnahen Eindruck von der allgemeinen Werbepraxis; sie waren deshalb geeignet, als grobe Orientierungshilfe zu dienen. Soweit in § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG von Tageszeitungen die Rede ist, geht diese Begriffsbildung auf die Berufsgrundsätze der Steuerberater von 1964 zurück, die damals noch als maßgebend angesehen wurden.

III.

1. § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG verstößt jedoch deshalb gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil er die Berufsfreiheit der Lohnsteuerhilfevereine und ihrer Mitarbeiter übermäßig beschränkt, soweit er nur Inserate in Tageszeitungen zuläßt.

a) Es handelt sich um eine Regelung der Berufsausübung. Eine solche muß vernünftigen Gründen des Gemeinwohls dienen und dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Zweck der Werbeverordnung ist es, solche Formen der Mitgliederwerbung auszuschließen, die nicht durch den besonderen Informationsbedarf der Lohnsteuerhilfevereine sachlich geboten sind oder die in der Konkurrenz mit freiberuflich tätigen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu einem unangemessenen Wettbewerbsvorteil führen würden. Ein solcher normativer Interessenausgleich dient Belangen der Allgemeinheit, solange im Interesse eines klaren Berufsbildes der freiberuflich tätigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nicht unaufgefordert angeboten werden darf (vgl. BVerfGE 59, 302 [327]).

b) Für den genannten Zweck mag die umstrittene Regelung insofern geeignet sein, als sie eine klare Grenzziehung erlaubt und Wettbewerbsvorteile der Lohnsteuerhilfevereine ausschließt, ohne die sachlich gebotene Information über das spezielle Dienstleistungsangebot unmöglich zu machen. Es fehlt aber an der Erforderlichkeit der Werbebeschränkung, weil das gleiche Ziel auch mit Mitteln erreichbar wäre, die in die Berufsfreiheit der Lohnsteuerhilfevereine weniger stark eingreifen.

Schon bei Inkrafttreten der Werbeverordnung im Jahre 1976 waren Zweifel angebracht, ob durch Inserate der Lohnsteuerhilfevereine in regionalen Mitteilungs- und Anzeigenblättern wirklich Wettbewerbsverzerrungen entstehen konnten. Es geht dabei um Werbeträger, die für die typischen Mitglieder der Lohnsteuerhilfevereine größere praktische Bedeutung haben als für die meisten Mandanten der Steuerberater. Diesen standen dafür zusätzlich Fachzeitschriften als Werbeträger zur Verfügung. Im übrigen war Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten durch kein formelles oder materielles Gesetz verwehrt, ihre Werbetätigkeit auf regionale Mitteilungs- und Anzeigenblätter auszudehnen. All das kann jedoch dahingestellt bleiben.

Im Januar 1977 hat die Bundessteuerberaterkammer die Standesrichtlinien neu gefaßt. Seither inserieren auch freiberuflich tätige Steuerberater und Steuerbevollmächtigte unbeanstandet in Amts- und Anzeigenblättern, obwohl diese nicht täglich erscheinen. Damit ist der einzige Grund weggefallen, der ein entsprechendes Werbeverbot für Lohnsteuerhilfevereine allenfalls gerechtfertigt hätte. § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG gewährleistet nicht mehr die Chancengleichheit, sondern führt im Gegenteil zu einem Wettbewerbsnachteil der Lohnsteuerhilfevereine. Er hätte daher in angemessener Frist der neuen Lage angepaßt werden müssen. Geht man von einer äußerst großzügig bemessenen Anpassungsfrist von drei Jahren aus, so wurde die umstrittene Werbebeschränkung spätestens Anfang 1980 verfassungswidrig.

Demgegenüber verweisen das Amtsgericht und die Bundessteuerberaterkammer darauf, daß Lohnsteuerhilfevereine jährlich im Zusammenhang mit der Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs auf den Gegenstand und den Umfang ihrer Beratungsbefugnis hinweisen dürften und damit gegenüber Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten bevorzugt seien. Dieses Argument verfehlt Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 WerbeVOStBerG. Die Zulassung der jährlichen Existenzhinweise soll Lohnsteuerhilfevereine nicht begünstigen, sondern lediglich einen Wettbewerbsnachteil ausgleichen, der sich aus der Eigenart ihres Dienstleistungsangebots ergibt (vgl. BGH, a. a. O.). Es handelt sich um einen sachlich gebotenen Ausgleich, der eine Einschränkung der zulässigen Werbeträger nicht rechtfertigen kann.

2. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG das Verbot enthält, in gemeindlichen Mitteilungsblättern zu inserieren, verstößt er gegen Art. 12 Abs. 1 GG und ist nichtig. Nur durch den ersatzlosen Wegfall dieses Verbots ergibt sich eine verfassungsmäßige Rechtslage. Danach durften die Gerichte die Regelung nicht anwenden. Da dies dennoch geschehen ist, verletzen die angegriffenen Gerichtsentscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.