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  BFH-Urteil vom 19.6.1991 (IX R 1/87) BStBl. 1992 II S. 73

Wird das - schadhafte - Flachdach eines Wohngebäudes durch ein Satteldach in der Weise ersetzt, daß durch diese Baumaßnahme erstmals ein für Wohnzwecke ausbaufähiges Dachgeschoß entsteht, liegt Herstellungsaufwand vor.

EStG 1981 § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 b Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1987, 111)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Sie bewohnen in dem 1964 errichteten Zweifamilienhaus der Klägerin, das aus zwei unterschiedlich hohen Baukörpern besteht, die größere der beiden Wohnungen. Die andere Wohnung nutzen die Eltern der Klägerin aufgrund eines lebenslänglichen Wohnungsrechts.

Im Streitjahr (1982) ließen die Kläger anstelle des bisherigen Flachdaches, welches sich wegen der um ca. 80 cm unterschiedlichen Höhe der beiden Gebäudetrakte in zwei verschiedenen Ebenen befand, ein Satteldach errichten. Dadurch erhöhte sich der Giebel über dem Hauptteil des Gebäudes um 4 m. Der neu entstandene Raum unter dem ca. 15 m langen Hauptdach weist auf einer durchgehenden Breite von fast 6 m eine lichte Höhe von mindestens 2,50 m auf, während die lichte Höhe unter dem Nebendach nur maximal 1,50 m beträgt. Die Kläger ließen in die beiden Hauptgiebel und die Dachschrägen Fenster einbauen und das Dach mit Wärmedämmplatten verkleiden. Der Dachraum könnte unter Berücksichtigung der baurechtlichen Anforderungen zu Wohnzwecken ausgebaut werden.

Die baulichen Maßnahmen verursachten Ausgaben in Höhe von 74.397 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte diese Ausgaben außer einem den Erhaltungsaufwendungen zugerechneten Betrag von 749 DM als jährlich zu 2,5 v. H. abschreibbare Herstellungskosten.

Gegen den Einkommensteuerbescheid erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Zur Begründung trugen sie vor, das Satteldach sei von ihnen errichtet worden, um Undichtigkeiten des bisherigen Flachdaches zu beseitigen. Ein Ausbau des Daches zu Wohnzwecken sei von ihnen nicht beabsichtigt, da ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehe und die Kosten eines Umbaues die Aufwendungen für das neugeschaffene Giebeldach noch überstiegen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 111 veröffentlichten Urteil die strittigen Bauaufwendungen als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand an. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus, der Ersatz des bisherigen reparaturanfälligen Flachdaches durch ein Satteldach bedeute keine entscheidende Substanzvermehrung oder Wesensveränderung, da lediglich die bestimmungsgemäße Nutzung als Zweifamilienhaus mit dem bereits vorhandenen Wohnraum gesichert worden sei. Wegen des final zu verstehenden Herstellungskostenbegriffes sei von der durch äußere Umstände nicht widerlegbaren Absicht der Kläger auszugehen, den Dachraum nicht zu Wohnzwecken ausbauen zu wollen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 7 b Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, 82 b Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht die Kosten für den Dachumbau als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen beurteilt hat.

1. Zu dem sofort als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigenden Erhaltungsaufwand gehören in der Regel die Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung eines Gebäudes. Dagegen liegen Herstellungskosten vor, wenn durch Baumaßnahmen das Gebäude wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen - über seinen bisherigen Zustand hinaus deutlich verbessert wird (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. das Senatsurteil vom 5. November 1985 IX R 42/81, BFH/NV 1986, 157, m. w. N.).

Ob Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen, ist nach tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Dies gilt auch in bezug auf den Umbau eines Daches. Der erkennende Senat hat Herstellungsaufwand angenommen bei dem Ersatz des Satteldaches eines bisher 21/2-geschossigen Wohngebäudes durch ein Flachdach, wenn durch die Erhöhung der Außenwände ein drittes Obergeschoß entsteht und dort gleichzeitig die Raumaufteilung geändert wird (Urteil in BFH/NV 1986, 157). In seinem Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 273/81 (BFHE 143, 238, BStBl II 1985, 394) hat der VIII. Senat des BFH entschieden, daß Kosten, die im Zusammenhang mit der Erneuerung des Daches einer Fabrikhalle anfallen, selbst dann als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, wenn die Fabrikhalle durch die Baumaßnahme erheblich vergrößert wird; zur Begründung hat der VIII. Senat ausgeführt, daß die neue Dachkonstruktion im wesentlichen die gleiche Funktion wie das alte Dach habe und keine verbesserte Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes bewirke, da sich insbesondere die nutzbare Fläche der Halle durch die Baumaßnahme nicht vermehrt habe. Der erkennende Senat kann unerörtert lassen, ob er der gesamten Begründung dieser Entscheidung und ihrem Ergebnis folgen könnte. Herstellungskosten liegen jedenfalls dann vor, wenn das Flachdach eines Wohngebäudes durch ein Satteldach in der Weise ersetzt wird, daß durch diese Baumaßnahme erstmals ein für Wohnzwecke ausbaufähiges Dachgeschoß entsteht. Das Gebäude wird - entgegen der Ansicht des FG - durch einen solchen Dachumbau erheblich in seiner Substanz vermehrt und in seinem Wesen verändert.

Zwar ist mit dem FG davon auszugehen, daß allein die durch die neue Dachform bedingte Verbesserung von Wärmedämmung, Lärmisolation und Belüftung grundsätzlich nicht von so wesentlicher Bedeutung ist, die Annahme von Herstellungsaufwand zu rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1979 VIII R 83/77, BFHE 127, 383, BStBl II 1979, 435). Durch die Rechtsprechung des BFH wird ein gesteigertes Bedürfnis der Substanzerhaltung anerkannt, um dem Grundstückseigentümer damit eine wirtschaftlich zweckmäßige Entscheidung zu ermöglichen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24). Dies gilt jedoch grundsätzlich nur bei Verbesserungen des erneuerten Teiles, nicht jedoch dann, wenn - wie hier - ein neuer Dachraum geschaffen wird und das Gebäude selbst durch die Erweiterung der Bausubstanz eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit erhält und eine erhebliche Wert- und Wesensveränderung erfährt.

Die Errichtung eines ausbaufähigen Dachraumes bewirkt eine Wertsteigerung des Gesamtgebäudes, die erheblich im Sinn der Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand ist. Einem Haus mit ausbaufähigem Dachgeschoß wird wegen dieser Eigenschaft und der damit verbundenen erweiterten Nutzungsfähigkeit gegenüber einem in Flachdachbauweise errichteten Gebäude ein höherer Wert zugemessen (vgl. zur Wertermittlung: Rössler/Langner/Simon/Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 6. Aufl., S. 245 ff.).

Demgegenüber fällt der Anlaß des Dachumbaus nicht ins Gewicht, nämlich ob - wie die Kläger vortragen - eine erfolgversprechende und künftige Schäden ausschließende Renovierung des bisherigen Flachdaches nicht möglich war und eine dauerhafte Beseitigung der immer wieder auftretenden Undichtigkeiten die Errichtung eines neuen Satteldaches erforderte. Es kommt entgegen der Auffassung des FG auch nicht darauf an, daß für den Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken noch weitere Baumaßnahmen erforderlich werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese - wie im Streitfall - keinen besonderen Aufwand erfordern.

2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall kann das FG-Urteil keinen Bestand haben. Zwar liegt die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen von Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Diese dem FG obliegende Sachverhaltswürdigung ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar. Der Nachprüfung entzogen sind Feststellungen, zu denen das FG kommen konnte, wenn es auch nicht zu ihnen kommen mußte (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFH/NV 1986, 157). Das FG konnte aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, jedoch nicht zu der Würdigung der Kosten als Erhaltungsaufwendungen kommen.

Da durch das von den Klägern errichtete Satteldach ein Dachraum mit Fenstern entstanden ist, der die objektive Möglichkeit eröffnete, ihn zu einer nutzbaren Wohnung auszubauen, sind die entsprechenden Aufwendungen der Kläger als Herstellungsaufwand anzusehen, der nur über die Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 b Abs. 1 Satz 2 EStG 1981 steuermindernd zu berücksichtigen ist.

3. Sind mithin die streitigen Kosten für den Dachumbau als Herstellungsaufwand zu beurteilen, so gilt dies auch für den Dachteil, der wegen seiner geringen lichten Höhe nicht ausbaufähig ist. Es mag dahinstehen, ob diese Aufwendungen für sich Herstellungskosten wären. Sie sind jedenfalls Teil einer einheitlichen Baumaßnahme und sind damit steuerrechtlich in gleicher Weise wie der Dachumbau zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juni 1975 VIII R 114/71, BFHE 116, 469, BStBl II 1975, 878, und vom 19. August 1986 IX R 80/82, BFH/NV 1987, 147).

4. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen war, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.