| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 15.11.1991 (III R 30/88) BStBl. 1992 II S. 179

1. Bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit einem Kfz fortbewegen können, sind (in den Grenzen der Angemessenheit) alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen (Bestätigung des Urteils vom 1. August 1975 VI R 158/72, BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825).

2. Soweit danach Kfz-Kosten für eine Urlaubsreise als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, gilt dies auch für einen dabei erlittenen Unfallschaden, für den der Steuerpflichtige keinen Ersatz vom Schädiger erlangen kann.

EStG §§ 33, 33 b; LStR 1984 Abschn. 70 Abs. 11 Satz 8; LStR 1990 Abschn. 100 Abs. 7 Satz 11.

Vorinstanz: FG des Saarlandes (EFG 1988, 419)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist schwerbehindert. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 100 %. In ihrem Schwerbehindertenausweis ist das Merkmal "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) vermerkt.

Während eines Auslandsaufenthalts in Südfrankreich im Streitjahr 1985 wurde ihr PKW, der auf einem Parkplatz abgestellt war, von einem anderen Verkehrsteilnehmer beschädigt. Von ihm war bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ein Ersatz des Schadens nicht zu erlangen. An Reparaturkosten mußte die Klägerin insgesamt einen Betrag von 3.563 DM aufwenden.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1985 machte die Klägerin u. a. diese Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte das, auch im Einspruchsbescheid, ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 419 veröffentlichten Urteil davon aus, daß bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, die nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind. Das gelte nicht nur für die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch für die Kosten von Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Der Auffassung des FA, außergewöhnliche Kosten seien hiervon auszunehmen, vermöge sich der Senat nicht anzuschließen. Eine solche Unterscheidung nehme die Rechtsprechung nicht vor; eine Unterbrechung der durch die Behinderung in Gang gesetzten Kausalkette sei insoweit auch nicht zu erkennen. Die Problematik sei mit derjenigen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, 108) zu vergleichen, wo bei Vorliegen einer Berufsfahrt bestimmte unfallauslösende Gefahren nicht als aufhebender Faktor für die berufliche Veranlassung angesehen worden seien.

Im übrigen gehe auch die Argumentation, § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) diene nur der steuerlichen Minderung des krankheitsbedingten Mehraufwands, komme also bei typischen Kosten der Lebensführung nicht zur Anwendung, fehl. Denn mit dieser Begründung ließen sich Kfz-Kosten gehbehinderter Personen generell von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausschließen. Die ganz herrschende Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung gehe jedoch dahin, gehbehinderte Steuerpflichtige, die auf die Benutzung des PKW angewiesen seien, steuerlich entsprechend zu begünstigen.

Schließlich sei für den Senat unerheblich, daß die Klägerin möglicherweise später einmal von dem Schädiger Ersatz ihrer Aufwendungen erlangen könne. Ein solcher Schadensausgleich wäre erst im Jahr des Zuflusses steuerlich zu berücksichtigen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 33, 33 b EStG.

Es meint, Zweck des § 33 EStG sei es, die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums eingreifen zu lassen. Aus dieser Zweckbestimmung folge, übliche Aufwendungen der Lebensführung aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen. § 33 EStG könne deshalb nur angewendet werden, wenn das auslösende Ereignis als außergewöhnlich anzusehen sei. Eine Urlaubsreise werde aber von einer großen Anzahl von Steuerpflichtigen jährlich mit dem eigenen PKW durchgeführt. Deshalb seien Reparaturkosten eines Fahrzeugs, die dem Steuerpflichtigen anläßlich einer Privatreise durch einen nicht verschuldeten Unfall entstanden seien, nichts Ungewöhnliches. So sei es auch hier, wo die Beschädigung auf einer privaten Urlaubs- bzw. Erholungsreise eingetreten sei.

Die Anweisung in Abschn. 70 Abs. 11 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1984 stehe dieser Auffassung nicht entgegen. Daß bei einer Gehbehinderung der hier vorliegenden Art grundsätzlich alle Kfz-Kosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien, bedeute nicht, daß dies unterschiedslos für alle Kosten gelte. Vielmehr diene die Verwaltungsanweisung der Vereinfachung; sie wolle nur typische Kosten der allgemeinen Lebensführung begünstigen, die als solche leicht und einwandfrei auszuscheiden seien. Wo eine weitergehende Überprüfung zu einem erheblichen Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen führe, nehme der Richtliniengeber entsprechend seiner Zielsetzung Ungenauigkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen in Kauf. Hier jedoch seien die Reparaturkosten ohne weiteres als solche Aufwendungen zu erkennen, denen es an der erforderlichen Zwangsläufigkeit ermangele.

Zu Unrecht stelle das FG auf den final-kausalen Zusammenhang ab. Hierbei handle es sich um einen Gesichtspunkt, der für die Abziehbarkeit von Werbungskosten/Betriebsausgaben von Bedeutung sei. Dort genüge ein mittelbarer Förderungszusammenhang, während für den Bereich der außergewöhnlichen Belastung die Anspruchskriterien enger gefaßt seien.

Ferner könne man auch nicht aus dem Begriff der Krankheitskosten zu einem anderen Ergebnis gelangen. Denn diese seien nur außergewöhnlich und zwangsläufig, wenn sie unmittelbar zur Heilung aufgewandt würden. Hier jedoch handele es sich um Folgekosten der Behinderung, deren steuerliche Berücksichtigung auch von der Verwaltungsauffassung nicht gedeckt sei.

Schließlich lasse die Entscheidung des FG auch eine Überprüfung der Angemessenheit vermissen, da ohne nähere Angaben sämtliche Aufwendungen zum Abzug zugelassen worden seien. Auch bei Gehbehinderten mit dem Merkzeichen "aG" seien nur "nahezu" sämtliche private Kfz-Kosten berücksichtigungsfähig. Die auch bei großzügiger Beurteilung nicht anzuerkennenden Aufwendungen seien griffweise zu schätzen. Das FG hätte in jedem Fall Feststellungen dazu treffen müssen, ob und inwieweit nicht abzugsfähige Privatfahrten vorgelegen hätten. Die Einbeziehung auch der Unfallkosten in die Bemessungsgrundlage hätte dann aber ihren Niederschlag in der Schätzung der auszuscheidenden Ausgaben finden müssen. Denn schließlich stelle das Unfallrisiko ein allgemeines und kein behindertenspezifisches Risiko dar.

Im übrigen habe das FG verkannt, daß § 11 EStG im Rahmen des § 33 EStG nicht anwendbar sei. Entscheidend sei deshalb die endgültige Belastung, so daß nicht dahinstehen könne, ob in einem späteren Jahr Ersatz erlangt worden sei.

Die Klägerin macht insbesondere geltend, daß die Unfallkosten in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden müßten; eine Minderung um die zumutbare Belastung sei nicht gerechtfertigt. Der Ansatz der zumutbaren Belastung in der für sie, die Klägerin, geltenden Klasse führe ohnehin zu unbilligen Ergebnissen. Im Streitfall komme hinzu, daß der Schädiger nicht versichert gewesen sei, was von der zuständigen Kfz-Zulassungsstelle hätte verhindert werden müssen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG).

Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

2. Durch den Ansatz einer - nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Kinderzahl - gestaffelten zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) soll dem Steuerpflichtigen entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit zugemutet werden, einen Teil der Belastung selbst zu tragen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1965 VI 235/65 U, BFHE 85, 83, BStBl III 1966, 242; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 33 Anm. 7). Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem geltenden Regelsatz für das Existenzminimum liegt (Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Oktober 1987 1 BvR 672/87, Der Betrieb - DB - 1988, 368).

3. Es entspricht seit langem der höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß schwer Körperbehinderte, die in ihrer Geh- und Stehfähigkeit erheblich beschränkt sind, Kfz-Aufwendungen für Privatfahrten neben den Pauschbeträgen für Körperbehinderte als außergewöhnliche Belastung geltend machen können (BFH-Urteile vom 23. November 1961 IV 344/58 U, BFHE 74, 321, BStBl III 1962, 123; vom 1. August 1975 VI R 158/72, BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825). Bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Fahrzeugs fortbewegen können, sind grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Das betrifft nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Aufwendungen für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (Urteil in BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825; LStR 1984 Abschn. 70 Abs. 11 Satz 8; LStR 1990 Abschn. 100 Abs. 7 Satz 11). Die hiernach nicht berücksichtigungsfähigen Kfz-Kosten sind griffweise zu schätzen (BFH-Urteile in BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825; vom 16. Februar 1970 VI R 325/67, BFHE 98, 353, BStBl II 1970, 380, und VI R 317/67, BFHE 98, 251, BStBl II 1970, 452). Dabei ist allerdings nicht nur auf die Höhe der Fahrleistung unter Berücksichtigung von Art und Charakter der durchgeführten Fahrten, sondern z. B. auch auf die vom Steuerpflichtigen benutzte Wagenklasse abzustellen.

4. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so können auch die hier streitigen Unfallkosten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen sein. Denn nach Auffassung des Senats haftet Unfallkosten das Merkmal der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit an, wenn auch die entsprechenden Fahrtaufwendungen eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Insoweit ist vergleichsweise darauf hinzuweisen, daß nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Kosten eines Verkehrsunfalls, der sich auf einer beruflich veranlaßten Fahrt ereignet hat, ebenfalls beruflich veranlaßt sind (Urteil vom 26. August 1988 VI R 92/85, BFHE 155, 61, BStBl II 1989, 144, mit weiteren Nachweisen). Der Senat sieht hierin die Bestätigung eines allgemeinen Grundsatzes, daß Kosten eines Verkehrsunfalls im Zweifel das rechtliche Schicksal der Fahrt, auf der sich der Unfall ereignet hat, teilen. Zwar kommt es im Bereich der außergewöhnlichen Belastung - anders als bei der Abgrenzung betrieblicher von privaten Aufwendungen - nicht ausschließlich auf den Veranlassungszusammenhang an, sondern auf die Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit des schadenauslösenden Ereignisses. Auslösendes Ereignis ist hier jedoch die Benutzung des Kfz durch den Schwerbehinderten, die von der Rechtsprechung als außergewöhnlich und zwangsläufig angesehen wird, soweit dabei der Rahmen des Angemessenen nicht überschritten wird.

Anders ist es dagegen, wenn die Unfallfahrt - im Hinblick etwa auf bereits im Veranlagungszeitraum durchgeführte ausgedehnte Urlaubsreisen - als unangemessen angesehen werden muß. Dann können auch die Unfallkosten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, weil bereits die entsprechenden Fahrtaufwendungen den Rahmen des Angemessenen übersteigen. Denn der Unfall als solcher - also losgelöst von den speziellen Bedürfnissen eines Gehbehinderten, der zur Fortbewegung auf sein Fahrzeug angewiesen ist - führt nicht zur Berücksichtigung der Unfallkosten als außergewöhnliche Belastung (BFH-Urteile vom 28. Februar 1964 VI 180/63 S, BFHE 79, 602, BStBl III 1964, 453; vom 17. Oktober 1973 VI R 84/70, BFHE 111, 63, BStBl II 1974, 104). Die gegenteilige Auffassung von Paus (Finanz-Rundschau - FR - 1988, 621, 624) berücksichtigt nicht ausreichend, daß die Bestimmung der gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen unter Rückgriff auf das auslösende Ereignis nach dem Gesichtspunkt der Außergewöhnlichkeit durchzuführen ist (Borggräfe in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 33 EStG Rdnr. 11; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 33 Anm. 4 f.; anderer Ansicht Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33 EStG Anm. 33). Bei dieser Wertung aber ist einem Verkehrsunfall als solchem die Außergewöhnlichkeit abzusprechen. Denn wenn auch den einzelnen Verkehrsteilnehmer ein Unfall verhältnismäßig selten trifft, so wird der Unfall doch durch die Teilnahme am modernen Massenverkehr und den damit typischerweise verbundenen Gefahren verursacht, die ihm letztlich das Merkmal der Außergewöhnlichkeit nehmen. Die Teilnahme am Verkehr mit einem Kfz ist - bei einem nicht gehbehinderten Steuerpflichtigen - aber Folge einer entsprechenden freien Entscheidung.

5. Der Senat ist auch nicht der Auffassung, daß die Unfallkosten ggf. mit den vom FG als außergewöhnliche Belastung anerkannten sonstigen Kfz-Kosten, die das FA in seiner Revisionsbegründung mit 2.995 DM angegeben hat, in vollem Umfang zu saldieren sind. Eine evtl. Saldierung kommt vielmehr nur mit solchen Kfz-Kosten in Betracht, die den Rahmen des Angemessenen überschreiten und - wie oben unter 3. dargelegt - im Schätzungswege zu ermitteln sind.

An der grundsätzlichen Berücksichtigung von Kfz-Kosten bei stark gehbehinderten Personen durch die Rechtsprechung ist allerdings Kritik geübt worden, insbesondere von Paus (a. a. O.), der die Voraussetzungen der Außergewöhnlichkeit im Hinblick darauf vermißt, daß Steuerpflichtige - von gewissen niedrigen Einkunftsstufen abgesehen - heute üblicherweise einen Großteil ihrer Wege und insbesondere ihre Urlaubsreisen mit dem Kfz zu erledigen pflegen. Der Senat ist der Auffassung, daß bei stark gehbehinderten Personen in diesem Zusammenhang nicht allein auf die Benutzung des Kfz als auslösendes Moment für die dadurch entstehenden Kosten abgestellt werden darf, sondern daß auf die dahinterliegende Ursache, die Gehbehinderung, zurückgegriffen werden muß. Behinderte Personen wie die Klägerin gehören zu einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Menschen, die auf Grund ihrer Gehbehinderung über die Benutzung eines Kfz nicht frei entscheiden und auch bei bestem Angebot öffentlicher Verkehrsmittel nicht auf diese ausweichen können. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung und der einschlägigen Richtlinienregelung (LStR 1984 Abschn. 70 Abs. 11 Satz 8; LStR 1990 Abschn. 100 Abs. 7 Satz 11) abzuweichen. Da die Richtlinienregelung die bisherige Rechtsprechung zutreffend wiedergibt, kann der Senat auch offenlassen, ob die Auffassung der Richtlinien schon als solche von den FG zu beachten wäre; eine derartige Bindung hat der BFH hauptsächlich bei Verwaltungsregelungen zur Tatbestandsermittlung angenommen, um die es hier - anders als z. B. in dem vom FA zitierten BFH-Urteil vom 8. August 1986 VI R 11/84 (BFHE 147, 428, BStBl II 1987, 78) - nicht ausschließlich geht. Immerhin ist aber zu bedenken, daß eine für einen bestimmten Personenkreis günstige Anweisung in den Richtlinien der ganz überwiegenden Mehrzahl der betroffenen Steuerpflichtigen zugute kommt, so daß es nicht gerechtfertigt wäre, ohne schwerwiegende Gründe bei einzelnen Steuerpflichtigen, die die FG angerufen haben, davon abzuweichen.

6. Zu Recht rügt das FA allerdings, daß das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Klägerin in einem späteren Veranlagungszeitraum Ersatz ihres Schadens erlangt hat. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 21. August 1974 VI R 236/71 (BFHE 113, 367, BStBl II 1975, 14) kommt es für § 33 EStG auf die tatsächliche und endgültige Belastung des Steuerpflichtigen an (Belastungsprinzip). Dieses Urteil ist insoweit durch das BFH-Urteil vom 30. Juli 1982 VI R 67/79 (BFHE 136, 396, BStBl II 1982, 744), wie der BFH dort ausdrücklich klargestellt hat, nicht überholt (vgl. auch Borggräfe in Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 33 EStG Rdnrn. 21 bis 22; Schmidt/Drenseck, a. a. O., Anm. 4 e). Erstattungen, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geleistet worden sind, muß sich der Steuerpflichtige deshalb im Jahr der Verausgabung anrechnen lassen.

7. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie der Rechtsauffassung des Senats nicht voll entspricht. Die Sache ist nicht spruchreif, so daß sie gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen ist.

Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung festzustellen haben, ob die Klägerin in späteren Veranlagungszeiträumen Schadensersatz wegen des streitigen Unfalls erlangt hat. Ferner wird das FG die Kosten derjenigen Privatfahrten (einschließlich Urlaubsreisen) der Klägerin zu schätzen haben, die den Rahmen des Angemessenen übersteigen. Schließlich wird es beachten müssen, daß die Kfz-Aufwendungen der Klägerin einschließlich der hier streitigen Unfallkosten zwar neben dem Pauschbetrag für Körperbehinderte, jedoch nicht ohne Berücksichtigung der zumutbaren Belastung anzusetzen sind (vgl. Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 33 Anm. 8 "Fahrtkosten Behinderter").