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  BFH-Urteil vom 2.10.1991 (X R 89/89) BStBl. 1992 II S. 220

Zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 genügt grundsätzlich der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage. Das gilt auch, wenn ein Mittelbetrieb geprüft werden soll und der Prüfungszeitraum so bemessen ist, daß zwischen ihm und dem Ende des letzten Prüfungszeitraums nur ein ungeprüftes Jahr liegt.

AO 1977 §§ 121, 193 ff.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1990, 149)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit 1975 eine Warenhandlung, die nach den in § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - vom 27. April 1978 (BStBl I 1978, 195) vorgesehenen Größenklassen als Mittelbetrieb eingestuft und 1982 für die Jahre 1978 bis 1980 einer Außenprüfung unterzogen worden war.

Die beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) für die Veranlagung der Klägerin zuständige Dienststelle meldete im Januar 1984 den Betrieb der Klägerin für den Prüfungsgeschäftsplan an mit der Begründung, die Angaben für Verabredungsgeschenke, Beraterinnenprovision und Gastgeberingeschenke erschienen nicht glaubwürdig, sie seien vermutlich geschätzt. Am 8. Oktober 1986 ordnete das FA eine nur mit dem Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) begründete Betriebsprüfung an, die Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und die Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1982 bis 1984 sowie die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf die Stichtage 1. Januar 1982 bis 1. Januar 1985 betreffen sollte.

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde machte die Klägerin geltend, die Prüfungsanordnung sei rechtswidrig, weil sie im unklaren lasse, ob eine Betriebsprüfung oder eine Außenprüfung angeordnet werde. Außerdem fehle es an einer ausreichenden Begründung: Es handle sich - wie auch aus der Anmeldung zum Prüfungsplan hervorgehe - nicht um eine Routine-, sondern um eine Anlaßprüfung. Darum genüge die Berufung auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als Begründung nicht. Ferner sei der Abstand zur Vorprüfung zu gering; nach der Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster (OFD) vom 3. Oktober 1986 sei für Mittelbetriebe ein Prüfungsturnus von acht Jahren anzustreben. Schließlich hätte geprüft werden müssen, ob die erforderliche Aufklärung nicht auch durch Einzelermittlungen erreichbar sei.

Die OFD hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, die Bezeichnung "Betriebsprüfung" sei unschädlich. Auch bedürfe eine auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützte Prüfungsanordnung keiner weiteren Begründung. Darin, daß zwischen dem vorgesehenen Prüfungszeitraum und demjenigen der vorausgegangenen Prüfung nur ein Jahr liege, könne ebenfalls kein Ermessensfehler gesehen werden. Weder aus § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO(St) noch aus der OFD-Verfügung vom 3. Oktober 1986 ergebe sich ein Rechtsanspruch auf prüfungsfreie Jahre. Schließlich sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Den Finanzämtern sei es unbenommen, eine Außenprüfung auch ohne vorherige Einzelermittlungen anzuordnen.

Die Klage ist vom Finanzgericht (FG) mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 149 wiedergegebenen Begründung abgewiesen worden.

Zur Begründung der (vom FG zugelassenen) Revision wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und macht außerdem geltend, das FG-Urteil stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die angefochtene Prüfungsanordnung und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die OFD und der Bundesminister der Finanzen (BMF), die dem Verfahren beigetreten sind, haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Prüfungsanordnung vom 8. Oktober 1986 (in Gestalt der Beschwerdeentscheidung) ist rechtmäßig. Sie ist im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften erlassen und auch ausreichend begründet worden.

1. Die Bezeichnung "Betriebsprüfung" macht die angefochtene Prüfungsanordnung weder unbestimmt noch sonst rechtsfehlerhaft: Ihr Gesamtinhalt läßt keinerlei Zweifel daran, was der Klägerin gegenüber geregelt werden sollte (vgl. im übrigen zu den Begriffen Außenprüfung/Betriebsprüfung: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., Vor § 193 AO 1977 Tz. 9).

2. Das FA war zum Erlaß der angefochtenen Prüfungsanordnung berechtigt.

a) Bei Steuerpflichtigen, die - wie die Klägerin - einen gewerblichen Betrieb unterhalten, ist gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 - anders als bei den unter § 193 Abs. 2 AO 1977 fallenden Steuerpflichtigen - eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Einschränkungen ergeben sich weder aus den §§ 193 ff. AO 1977 noch aus anderen abgabenrechtlichen Vorschriften (BFH-Urteile vom 13. März 1987 III R 236/83, BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664; vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273, 274; vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721).

b) Auch der Gesetzeszweck, für den in § 193 Abs. 1 AO 1977 bestimmten Personenkreis eine möglichst lückenlose Aufklärung des abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhalts zu erreichen (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 161 zu § 174 AO 1974), läßt zusätzliche (einschränkende) Voraussetzungen nicht erkennen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesetzeszusammenhang. Danach erweist sich die Außenprüfung als ein besonderes Mittel zur Erfüllung der den Finanzbehörden in § 85 AO 1977 gestellten Aufgabe (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., Vor § 193 AO 1977 Tz. 6), die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Außenprüfung dient vornehmlich dem Ziel, Steuergerechtigkeit durch gerechte Vollziehung der Steuergesetze zu verwirklichen.

Zur Erreichung dieses Ziels hat der Außenprüfer die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgeblich sind, zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen (§ 199 Abs. 1 AO 1977). Dieser Sachaufklärungspflicht entsprechen eine Duldungspflicht sowie besondere Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 200 AO 1977). Aufgabenstellung und Pflichtenlage erlauben prinzipiell keinen Entscheidungsspielraum der Verwaltung.

c) Bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind, hält der Gesetzgeber - typisierend - die Außenprüfung für d a s geeignete Mittel der Sachverhaltsermittlung. Betriebe dieser Art unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung. Sie sind verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden (vgl. auch amtliche Begründung, BTDrucks VI/1982, S. 160 und 161). Ein solches gesetzgeberisches Konzept erlaubt im "Modell" keine Ausnahme (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 193 AO 1977, Rz. 199).

Wenn sich § 193 Abs. 1 AO 1977 bei der Rechtsfolgebestimmung gleichwohl auf die Aussage beschränkt, in den dort genannten Fällen sei eine Außenprüfung "zulässig" (vgl. auch die Gesetzesüberschrift), so ist den Finanzbehörden damit zwar ein (Auswahl-)Ermessen eingeräumt (BFH in BFHE 154, 425, 426, BStBl II 1989, 4, 5; BFH-Urteil vom 16. November 1989 IV R 29/89, BFHE 159, 28, 30, BStBl II 1990, 272; BFH in BFH/NV 1990, 273, 274; Schick, a. a. O., Rz. 195 ff.; Tipke/Kruse, a. a. O., § 193 AO 1977, Rz. 8, jew. m. w. N.). Doch ist dieses Ermessen ein in mehrfacher Hinsicht eingeschränktes: Gesetzeszusammenhang und Gesetzeszweck stehen - wie dargelegt - der Annahme entgegen, hier sei die Verwaltung im Sinne des "klassischen" Ermessensbegriffs (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 10. Aufl., 1973, S. 87; H. U. Erichsen in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1988, S. 209) zu wählendem Verhalten im Rahmen einer Wertverwirklichung ermächtigt. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BTDrucks, a. a. O.) bestätigt vielmehr, daß mit der Ermessenseinräumung nur dem Umstand Rechnung getragen werden soll, daß die Ausstattung der Finanzverwaltung mit Sachmitteln und vor allem mit Personal zur umfassenden Erfüllung des Gesetzesauftrags nicht ausreicht. Nur wegen der faktischen Unmöglichkeit, alle unter § 193 Abs. 1 AO 1977 fallenden Steuerpflichtigen vollständig und gleichermaßen zu prüfen, ist die Entscheidung darüber, wer von diesem Adressatenkreis wann geprüft wird, in das Auswahlermessen der Finanzbehörde gestellt. Wörtlich heißt es zur Begründung dieser Regelung (BTDrucks, a. a. O., S. 161): "Da es von der Arbeitsbelastung der Verwaltung her unmöglich ist, alle Steuerpflichtigen, die der Außenprüfung unterliegen, auch tatsächlich zu prüfen, bleibt nur die Lösung, daß die Verwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Vornahme einer Prüfung entscheidet" (vgl. auch BFH in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272, und in BFH/NV 1990, 273, 274).

d) Die inhaltliche Begrenzung der Ermessensausübung im Regelungsbereich des § 193 Abs. 1 AO 1977 zeigt sich auch darin, daß bei der Entscheidung, welcher Betrieb jeweils in den jährlichen Prüfungsplan einer Finanzbehörde aufgenommen wird, die für Ermessensentscheidungen im "klassischen" Sinne charakteristische Abwägung öffentlicher und privater Interessen (vgl. dazu Erichsen, a. a. O.; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 1990, § 40 Rz. 7) typischerweise nicht stattfindet: Die Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer zutreffenden Ermittlung der Steuerlast durch das Instrument der Außenprüfung läßt ebensowenig einen individualrechtlichen (Neben-)Zweck erkennen wie die ausschließlich Belange der Verwaltung berücksichtigende Einräumung des Auswahlermessens. Der Steuerpflichtige hat weder einen Anspruch auf Durchführung einer Außenprüfung (BTDrucks, a. a. O., S. 161 zu § 174) noch auf (zeitweise) Verschonung von ihr.

Kennzeichnend für eine fehlerfreie Ermessensausübung im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO 1977 ist ferner, daß sie sich in reinen Zweckmäßigkeitserwägungen und in Fragen des Verfahrens bei der Auswahl der zu prüfenden Betriebe erschöpft, sich also inhaltlich grundsätzlich auf die Berücksichtigung öffentlicher Interessen beschränkt. Mit Schick (a. a. O., Rz. 199) ist der Senat der Ansicht, daß einzige Ziele solcher Ermessensausübung die generelle Sicherung einer vollständigen, richtigen Besteuerung sowie die zutreffende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Einzelfall sind, und daß außerdem eine Vermutung dafür spricht, daß die Heranziehung eines der in § 193 Abs. 1 AO 1977 genannten Steuerpflichtigen zur Außenprüfung nicht ermessensmißbräuchlich ist.

Insoweit ähnelt die Entscheidungslage den Fällen, in denen das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in ständiger Rechtsprechung die Berücksichtigung privater Interessen bei der Ermessensausübung für grundsätzlich unbeachtlich erklärt hat (so für die sog. Ermessenseinbürgerung: BVerwG-Entscheidungen vom 30. September 1958 I C 20.58, BVerwGE 7, 237; vom 1. Juli 1975 I C 44.70, BVerwGE 49, 44; vom 29. Juli 1985 1 B 78/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 2908; vom 21. Oktober 1986 1 C 44.84, NJW 1987, 856; für die Auswahl unter mehreren zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen: BVerwG-Entscheidungen vom 19. Juni 1974 VIII C 89.73, BVerwGE 45, 197; vom 22. Februar 1985 8 C 25.84, BVerwGE 71, 63, und vom 12. Februar 1988 8 C 22.86, BVerwGE 79, 68).

e) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch höherrangiges Recht, durch die besondere Bedeutung, die dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für das Abgabenrecht zukommt. Weil der mit der Steuererhebung verbundene Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung erfährt, müssen im Steuerrecht von Verfassungs wegen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelungen ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung des einzelnen besonders sorgfältig Rechnung tragen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, 664). Dieser Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit - das BVerwG spricht in ständiger Rechtsprechung zur systematischen Einordnung des Billigkeitserlasses vom "Gebot der Abgabengleichheit" (Urteil vom 3. Mai 1991 8 C 13.89, Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 1991, 170, m. w. N.) - umfaßt die Verpflichtung der Finanzbehörden und Finanzgerichte, bei der Anwendung der Steuergesetze, d. h. in der Rechtswirklichkeit, für Belastungsgleichheit zu sorgen und diese auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges zu gewährleisten (BVerfG, a. a. O., S. 665).

Auch aus diesem Grunde ist bei der Ermessensausübung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 für die Berücksichtigung eines auf Eingriffsverschonung gerichteten Individualinteresses vorbehaltlich des Übermaß- sowie des Willkür- und Schikaneverbots grundsätzlich kein Raum.

f) Aus den inhaltlichen Grenzen, die der Ermessensausübung in § 193 Abs. 1 AO 1977 gezogen sind, folgt ferner, daß der Gesichtspunkt des Zufalls bei der Ausübung des Auswahlermessens ein sachliches Kriterium ist (ebenso Schick, a. a. O., Rz. 288), und daß die Finanzbehörde auch hinsichtlich der zeitlichen Aufeinanderfolge von Außenprüfungen keinen generellen Beschränkungen unterworfen ist: Einen Anspruch auf eine "Prüfungspause" gibt es nicht.

Desgleichen ist die aus Gründen des sinnvollen Arbeitseinsatzes notwendige "Lenkung des Zufalls" im Stadium der Prüfungsvorbereitung durch Prüfungsanregungen der Veranlagungsstellen, durch Datenauswertung aus Betriebskarteien, die Aufnahme in Vormerklisten und dergleichen (vgl. dazu näher: Schröder/Muuss, Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung, Loseblattwerk, Kza. 5020 und Kza. 5030) im allgemeinen ermessensgerecht. Die Verwaltung ist insbesondere nicht gehalten, nach einem generellen Zufallsprinzip zu verfahren. Sie kann vielmehr nach dem Gesichtspunkt der Prüfungsbedürftigkeit eine Vorauswahl treffen.

g) Der BFH hat wiederholt hervorgehoben, das FA sei weder nach dem Gesetz noch nach den Vorschriften, die sich die Verwaltung zur Ausübung ihres Auswahlermessens in der BpO(St) selbst gesetzt hat, im Einzelfall an einen bestimmten Prüfungsturnus oder Prüfungsrhythmus gebunden (vgl. vor allem die BFH-Urteile in BFHE 154, 425, 426, BStBl II 1989, 4, und in BFH/NV 1990, 273, 274). Für die BpO(St) vom 17. Dezember 1987 (BStBl I 1987, 802) gilt grundsätzlich nichts anderes.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. § 4 Abs. 1 BpO(St) 1978 (Abs. 2 BpO(St) 1987) enthält lediglich die Fixierung einer Zielvorstellung der Finanzverwaltung für Großbetriebe. Diese "sollen" möglichst lückenlos geprüft werden. Das Verbot einer lückenlosen Prüfung bei anderen Betrieben läßt sich aus dieser Vorschrift nicht herleiten. Für Klein- und Mittelbetriebe sieht § 4 Abs. 2 BpO(St) 1978 (= § 4 Abs. 3 BpO(St) 1987) nur eine zeitliche Grenzziehung in der Weise vor, daß der Prüfungszeitraum regelmäßig nicht über die letzten drei Besteuerungszeiträume zurückreichen soll, für die vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Steuererklärungen abgegeben wurden (vgl. BFH in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; in BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721; in BFH/NV 1990, 273, 274, sowie BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 45/84, BFH/NV 1990, 455, 456).

Es kommt hinzu, daß der durchschnittliche Prüfungsturnus als rechtliches Kriterium untauglich ist, weil es sich insoweit nur um eine nachträglich ermittelte statistische Durchschnittsgröße handelt (BFH in BFHE 154, 425, 427, BStBl II 1989, 4, 6, m. w. N.).

Eine auf zeitliche Vorhersehbarkeit von Außenprüfungen zielende Selbstbindung der Verwaltung würde auch dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel widersprechen, durch ihre präventive Wirkung zur richtigen Steuererhebung beizutragen (BFH in BFHE 154, 425, 428 f., BStBl II 1989, 4, 6, m. w. N.; vgl. auch BFH in BFH/NV 1990, 273, 274).

Soweit der IV. Senat des BFH im Urteil in BFHE 159, 28, 31, BStBl II 1990, 272, 273 beiläufig erkennen läßt, bei einem Mittelbetrieb kämen Anschlußprüfungen nicht "in Frage", kann der Senat dieser Meinung aus den zuvor genannten Gründen nicht folgen. Einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Erwägung jedoch bedarf es nicht, weil ihr weder im dort entschiedenen noch in dem hier zu entscheidenden Fall entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt.

Ebensowenig ergibt sich aus der Verfügung der OFD vom 3. Oktober 1986, derzufolge für Mittelbetriebe ein Turnus von acht Jahren angestrebt wird, eine konkrete Bindungswirkung für den Streitfall.

h) Die vor allem mit der unzureichenden Personalausstattung begründete unterschiedliche Prüfungshäufigkeit verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (so auch BFH in BFHE 154, 425, 429, BStBl II 1989, 4, 6). Im Gegenteil verpflichtet auch der Grundsatz der Belastungsgleichheit die vollziehende Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG), bei der Durchsetzung der Steuergesetze so zu verfahren, daß die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs der Steuererhebung gewährleistet ist (s. o. 2. e; BVerfG, a. a. O.).

Hieraus folgt für die Anwendung des § 193 Abs. 1 AO 1977 wie auch der BpO(St) 1978 und 1987, daß die Finanzbehörden gehalten sind, ihre Prüfungstätigkeit so effizient wie möglich zu gestalten. Das Interesse des einzelnen an der Verschonung von den hiermit verbundenen Beeinträchtigungen hat auch insoweit hinter dem allgemeinen Interesse zurückzutreten (vgl. Schick, a. a. O., Tz. 199 ff.). Der Generalprävention und dem Überraschungsmoment kommen dabei um so größere Bedeutung zu, je mehr der Finanzverwaltung die Mittel fehlen, die nach § 193 Abs. 1 AO 1977 zur Duldung der Außenprüfung verpflichteten Steuerpflichtigen lückenlos zu prüfen.

Ihre Grenze findet eine solche Handhabung des Auswahlermessens im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Willkür- und Schikaneverbot. In dieser Hinsicht sind im Streitfall keine Anhaltspunkte für einen Ermessensmißbrauch des FA erkennbar geworden.

3. Die angefochtene Prüfungsanordnung ist auch nicht wegen mangelnder Begründung rechtsfehlerhaft. Bei Prüfungsanordnungen, die auf § 193 Abs. 1 AO 1977 beruhen, genügt in der Regel der Hinweis auf diese Vorschrift als Begründung.

a) Gemäß § 121 Abs. 1 AO 1977 ist eine Prüfungsanordnung als schriftlicher Verwaltungsakt (§ 196 AO 1977) schriftlich zu begründen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist. - Einer Begründung bedarf es nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 u. a. nicht, soweit dem Inhaltsadressaten die Auffassung der Finanzbehörde bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist.

Die Pflicht, Verwaltungsakte zu begründen, ist in § 121 AO 1977 generell für alle Arten von Steuerverwaltungsakten schwächer ausgestaltet als in § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und in § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) X: In diesen Vorschriften ist das Begründungserfordernis nicht nur allgemein von der Verständlichkeit der Maßnahme abhängig gemacht, sondern positiv gefordert, daß die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.

Für Ermessensentscheidungen ergibt der Vergleich mit den anderen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvorschriften eine weitere Lockerung der Begründungspflicht. Allein die AO 1977 enthält keine Sonderregelung; § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG dagegen sieht ausdrücklich vor, daß die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist; § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X ordnet für Ermessensentscheidungen ausdrücklich eine entsprechende Begründungspflicht an.

Die Entstehungsgeschichte der AO 1977 bestätigt, daß die unterschiedlichen Anforderungen, die in den verschiedenen Bereichen öffentlicher Verwaltung an die Begründungspflicht gestellt werden, gesetzgeberischer Absicht entsprechen. Der AO-Entwurf 1974 enthielt (in § 127) eine mit § 35 des Entwurfs zum VwVfG übereinstimmende Regelung der Begründungspflicht (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 40). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kam die abweichende Fassung in der AO 1977 mit der Begründung zustande, dies entspreche den praktischen Bedürfnissen der Finanzverwaltung. Die besondere Begründung von Steuerbescheiden sei häufig auch unter Berücksichtigung der Belange des Steuerpflichtigen nicht erforderlich. Bei anderen Verwaltungsakten, z. B. bei Stundungsverfügungen, gebe es ebenfalls häufig Fälle, in denen eine Begründung entbehrlich sei (BTDrucks 7/4292, S. 27 zu § 121).

b) Im Einklang mit diesem Gesetzesverständnis läßt der BFH bei der Anordnung von sog. "Routineprüfungen" den Hinweis auf die gesetzliche Grundlage des § 193 Abs. 1 AO 1977 regelmäßig als Begründung genügen (vgl. die Urteile vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; vom 23. Januar 1985 I R 53/81, BFHE 143, 16, BStBl II 1985, 566; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435; vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439; in BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664; in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; vom 20. Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180; vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, unter II. 2. c; in BFH/NV 1990, 273; anderer Meinung: Groh, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1985, 679, 681). Diese Auffassung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG-Beschluß vom 8. März 1985 1 BvR 93/85, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Abgabenordnung, § 193, Rechtsspruch 10; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1986, 258).

Der Begriff der "Routineprüfung" ist allerdings bislang ebensowenig definiert wie der Komplementärbegriff der "Nichtroutineprüfung". Unklar ist außerdem, wie beide Begriffe voneinander abgegrenzt werden sollen. Mit Hilfe von Fallvergleichen gelangt man allenfalls zu dem faktischen Befund, daß zu den "Routineprüfungen" die "Normalprüfungen" bei Großbetrieben und außerdem, bei anderen Unternehmen, diejenigen Außenprüfungen zu zählen sind, die sich in dem durch § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO(St) 1987 (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO(St) 1978) festgelegten zeitlichen Rahmen halten (vgl. dazu Wilcke, Steuerliche Vierteljahresschrift - StVj - 1990, 341, 348, m. w. N.).

c) Bei der Verwendung des Begriffs "Routineprüfung" ist ferner offen, welche Bedeutung dem für eine bestimmte Betriebsgröße üblichen "Prüfungsrhythmus" oder "Prüfungsturnus" zukommt (vgl. einerseits Wilcke, a. a. O.; BFH-Urteile vom 24. Januar 1985 IV R 232/82, BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568, sowie vom 16. Dezember 1987 I R 238/83, BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233, und andererseits BFH in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, und in BFH/NV 1990, 273) und was unter einer "Anlaßprüfung" zu verstehen ist, deren Anordnung ebenfalls eine weitergehende Begründungspflicht auslösen soll (vgl. z. B. BFH in BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; in BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568, und in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272; zur Kritik Kuhlmann, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1991, 125).

Der Senat hält den Versuch, aus den §§ 3, 4 BpO(St) 1978 (1987) mit Hilfe statistischer Daten, die zudem typischerweise regional unterschiedlich ausfallen können (Zwank, Betriebs-Berater - BB -, 1985, 1119, 1123), rechtliche Kriterien herzuleiten, im Rahmen der allgemeinen Rechtmäßigkeitsprüfung von Prüfungsanordnungen für unsachgemäß (s. o. zu 2 g) und außerdem für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, beim Vollzug abgabenrechtlicher Vorschriften Belastungsgleichheit anzustreben (s. dazu unter 2 e). Entsprechendes gilt für die Konkretisierung der Begründungspflicht. Ein Abweichen von einem "Prüfungsturnus" oder "Prüfungsrhythmus", den es als verläßliche Größe nicht gibt, läßt sich vernünftigerweise anders als mit dem seinerseits nicht weiter erläuterbaren Argument des Zufalls nicht begründen (vgl. insoweit auch Wilcke, a. a. O., S. 349; Schick, a. a. O., Rz. 288; im Ergebnis ebenso BFH in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4).

d) Was den Begriff der "Anlaßprüfung" angeht, ist zunächst klarzustellen, daß eine Prüfung nicht dadurch zur "Anlaßprüfung" wird, daß das Finanzamt, unabhängig von einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung, tatsächlich die Gründe benennt, die es zur Auswahl eines bestimmten Betriebes "veranlaßt" haben. Sinn macht der Begriff der "Anlaßprüfung" nur, wenn er im Gegensatz zur "Routineprüfung" definiert werden und einen rechtlich relevanten Unterschied hierzu kennzeichnen könnte. Das ist nicht ersichtlich (s. o. zu 3 c). Eine besondere, über den Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 hinausreichende Begründungspflicht könnte nur daraus hergeleitet werden, daß eine Begründung im Einzelfall zum Verständnis der Prüfungsanordnung gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wegen besonderer Umstände oder nach der Art der angeordneten Maßnahme erforderlich ist. Das ist für Fälle der streitigen Art zu verneinen.

Soweit mit dem "Anlaß" einer Außenprüfung die Summe der Kriterien gemeint ist, die der Finanzverwaltung im Anwendungsbereich des § 193 Abs. 1 AO 1977 dazu dienen, den "Zufall" bei der Auswahl der zu prüfenden Betriebe zu "lenken" (s. o. unter 2 f), ergibt sich auch hieraus keine weiterreichende Begründungspflicht. Die Wahl des Verfahrens und die Ausübung von Verfahrensermessen überhaupt bedarf grundsätzlich keiner Begründung (Stelkens/Bonk/Leonhardt, a. a. O., § 39 Rz. 18, m. w. N.). Bestimmt das "Prinzip des gelenkten Zufalls" in rechtlich zulässiger Weise den routinemäßigen Geschäftsgang der Betriebsprüfungsstellen, kommt dem Umstand, daß die Veranlagungsdienststelle einen Betrieb als prüfungswürdig meldet, keine rechtliche Bedeutung zu.

e) Da die Klägerin zu dem Personenkreis gehört, der gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich Außenprüfungen unterliegt und mit entsprechenden Maßnahmen rechnen muß, da ferner ein besonderer Prüfungsanlaß nicht erkennbar ist, bedurfte es in der angefochtenen Prüfungsanordnung keiner über den Hinweis auf die gesetzliche Grundlage hinausgehenden Begründung. Weder die internen Gründe für die Auswahl gerade dieses Mittelbetriebes noch die Tatsache, daß zwischen dem letzten und dem nunmehr vorgesehenen Prüfungszeitraum nur ein Jahr "Pause" liegen sollte, machten weitere Erläuterungen erforderlich (im wesentlichen ebenso BFH in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; Wilcke, a. a. O., S. 349; Kuhlmann, a. a. O.).

f) Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur bisherigen BFH-Rechtsprechung: In BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286 wird zwar die Meinung vertreten, Abweichungen vom üblichen Prüfungszeitraum und die Erweiterung desselben müßten besonders begründet werden; offen bleibt dort aber, was unter einem "üblichen Prüfungszeitraum" zu verstehen ist; es war über eine Erweiterung des Prüfungszeitraums zu entscheiden. Auch in BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621, in BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233, und in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272 waren die abweichenden Aussagen zur Begründungspflicht nicht entscheidungserheblich. Die in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4 geäußerte Ansicht, die Anordnung einer Prüfung aus besonderem Anlaß müsse durch die Mitteilung der Ermessenserwägungen begründet werden, war für den Ausgang des Verfahrens unmaßgeblich, weil eine "Routineprüfung" angenommen wurde; für den Fall der "Anschlußprüfung" bei Klein- und Mittelbetrieben wurde die Frage ausdrücklich offengelassen. In dem in BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568 entschiedenen Fall schließlich hatte die Finanzverwaltung selbst eine "Anlaßprüfung" angenommen und eine Begründung hierfür gegeben, die der BFH, vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nicht als ausreichend ansah.