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  BFH-Urteil vom 2.10.1991 (II R 1/89) BStBl. 1992 II S. 228

Der Ausgleich gemäß § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 ist auch dann vorzunehmen, wenn dem Betriebsvermögen Geld entnommen worden ist, um damit bereits bestehende persönliche (Steuer-) Schulden des Steuerpflichtigen zu tilgen (Änderung der Rechtsprechung).

BewG 1965 § 106 Abs. 3, § 107 Nr. 2 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob ein Ausgleich gemäß § 107 Nr. 2 Buchst. a des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 vorzunehmen ist, wenn aus dem Betriebsvermögen entnommenes Geld zur Bezahlung nicht betrieblicher Steuerschulden des Betriebsinhabers verwendet worden ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG). Sie erstellt ihre Jahresabschlüsse regelmäßig abweichend vom Kalenderjahr auf den 30. Juni eines Jahres; dieser wird gemäß § 106 Abs. 3 BewG 1965 für das Betriebsvermögen der KG als Bewertungsstichtag zugrunde gelegt. In der Vermögensteuererklärung 1983 setzte der Kläger für die von der KG zu seinen Gunsten in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1982 getilgten Einkommensteuerschulden einen Betrag von 1.896.529 DM gemäß § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 ab. Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionsbeklagte, lehnte dies ab und setzte die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1983 auf 61.665 DM fest; im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde die Steuer aus anderen Gründen auf 58.945 DM ermäßigt. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 1970 III R 103/67 (BFHE 99, 316, BStBl II 1970, 637) als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965. Er beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Vermögensteuer unter Abänderung des Vermögensteuerbescheids nach einem um 1.896.529 DM niedrigeren Vermögen festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Herabsetzung der Vermögensteuer.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Zwar hat das FG seiner Entscheidung die Ergebnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 6. Mai 1943 III 121/42, RStBl 1943, 606; BFH-Urteile vom 8. Januar 1965 III 105/62 U, BFHE 81, 524, BStBl III 1965, 190, und in BFHE 99, 316, BStBl II 1970, 637), wonach die Vorschrift des § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 (bzw. des gleichlautenden § 64 Ziff. 2 Buchst. a des Bewertungsgesetzes in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung - BewG -) nur angewendet werden könne, wenn das aus dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftsgut oder ein Ersatz dafür im Feststellungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden sei, und daß dies nicht der Fall sei, wenn das aus dem Betriebsvermögen entnommene Geld bis zu diesem Zeitpunkt zur Bezahlung nicht betrieblicher Schulden verwendet worden ist. Der zuletzt genannten Einschränkung folgt der erkennende Senat nicht mehr; er schließt sich der bereits vom RFH im Urteil vom 27. Juni 1940 III 61,62/39 (RStBl 1940, 824) zu § 64 Ziff. 2 Buchst. a BewG vertretenen Auffassung an, daß § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 anzuwenden ist, wenn dem Betriebsvermögen Geld entnommen wird, um damit bereits bestehende persönliche (Steuer-)Schulden des Steuerpflichtigen zu tilgen.

Nach § 106 Abs. 3 BewG 1965 kann, wie es im Streitfall geschehen ist, zugelassen werden, daß für den Bestand und die Bewertung des Vermögens gewerblicher Betriebe, die regelmäßig jährliche Abschlüsse auf einen anderen Tag als den Schluß des Kalenderjahres machen, die Verhältnisse an diesem Tag zugrunde gelegt werden; maßgebend ist dabei der Schluß des Wirtschaftsjahres, das dem Feststellungszeitpunkt für die Einheitsbewertung vorangeht. Änderungen des Bestands des Betriebsvermögens werden, vorbehaltlich der in § 106 Abs. 5 Nr. 1 BewG 1965 aufgeführten Ausnahmen bei Betriebsgrundstücken und Mineralgewinnungsrechten, grundsätzlich nicht berücksichtigt (vgl. insbesondere § 106 Abs. 5 Nr. 2 Satz 3 BewG 1965). Jedoch sieht § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 vor, wiederum vorbehaltlich einer Sonderregelung für Betriebsgrundstücke und Mineralgewinnungsrechte (§ 107 Nr. 1 BewG und der Regelungen in § 107 Nr. 2 Buchst. c bis e BewG 1965), daß Wirtschaftsgüter, die in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt aus dem gewerblichen Betrieb ausgeschieden sind und dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt worden sind, so behandelt werden, als ob sie im Feststellungszeitpunkt noch zum gewerblichen Betrieb gehörten. Dies wird, weil der Bestand des Betriebsvermögens gemäß § 106 Abs. 3 BewG 1965 unverändert bleibt, dadurch erreicht, daß das entnommene Wirtschaftsgut vom übrigen Vermögen abgesetzt wird.

Die Korrektur am Bestand des übrigen Vermögens setzt allerdings voraus, daß das - der Vermögensteuer unterliegende - Wirtschaftsgut im Feststellungszeitpunkt (noch) im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH in BFHE 99, 316, BStBl II 1970, 637; s. auch BFH-Urteil vom 28. April 1972 III R 87/71, BFHE 105, 402, BStBl II 1972, 520). Dies erschließt sich nicht nur aus der Überschrift und dem Einleitungssatz des § 107 BewG 1965 (vgl. BFH-Urteil in BFHE 105, 402, BStBl II 1972, 520). Der Senat entnimmt dieses Tatbestandsmerkmal insbesondere dem 2. Halbsatz des § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965, wonach das dem übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen zugeführte Wirtschaftsgut im Feststellungszeitpunkt so zu behandeln ist, als ob es noch zum gewerblichen Betrieb gehörte; dies bedingt, daß das Wirtschaftsgut zu diesem Zeitpunkt im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden war. Dabei haben es der RFH (Urteil in RStBl 1943, 606) und ihm folgend der III. Senat des BFH (Urteile in BFHE 81, 524, BStBl III 1965, 190, und in BFHE 99, 316, BStBl II 1970, 637) hierfür ausreichen lassen, daß am Feststellungszeitpunkt im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen noch ein Ersatz für das dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftsgut vorhanden war. Wie der III. Senat des BFH im Urteil in BFHE 81, 524, BStBl III 1965, 190 ausgeführt hat, ergab sich aus § 64 Ziff. 2 Buchst. c BewG, daß der Gesetzgeber auch auf die Fälle der Anschaffung eines Wirtschaftsguts mit entnommenen Betriebsmitteln die Vorschriften des § 64 Ziff. 2 Buchst. a und b BewG angewandt wissen wollte. Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung für die § 64 Ziff. 2 Buchst. a bis c BewG entsprechenden Vorschriften des § 107 Nr. 2 Buchst. a bis c BewG 1965 an.

Anders als nach der Auffassung des III. Senats des BFH (a. a. O.) und des RFH im Urteil in RStBl 1943, 606 ist der Ausgleich nach § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 jedoch auch dann zuzulassen, wenn der aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Geldbetrag zur Tilgung von bei der Ermittlung des Gesamtvermögens berücksichtigungsfähigen (vgl. § 118 BewG) Schulden des Steuerpflichtigen verwendet worden ist. Dies entspricht dem Zweck des § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965, die doppelte Erfassung von Wirtschaftsgütern bei der Vermögensteuer zu vermeiden. Wie im Fall des Ersatzes der aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Geldmittel durch andere (positive) Wirtschaftsgüter tritt bei der Schuldentilgung mit betrieblichen Mitteln eine konkretisierbare Mehrung des übrigen Vermögens des Steuerpflichtigen (durch Minderung eines negativen Wirtschaftsgutes) ein. Im Urteil in RStBl 1940, 824 hat der RFH ähnliche Überlegungen angestellt und ausgeführt, daß die dem Betriebsvermögen entnommenen und zur Bezahlung persönlicher Schulden des Steuerpflichtigen verwendeten Geldbeträge im Feststellungszeitpunkt zwar im übrigen Vermögen nicht mehr vorhanden gewesen seien; sie seien aber daraus nicht ersatzlos ausgeschieden. Vielmehr sei für sie ein Gegenwert dadurch geschaffen, daß Schulden, die auf dem übrigen Vermögen lasteten und gemäß § 74 Abs. 1 Ziff. 1 BewG (nunmehr § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965) hätten abgezogen werden können, getilgt worden sind.

Den Bedenken, die gegen diese Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG deshalb bestehen, weil sich die Verwendung der dem Betrieb entnommenen Geldmittel zur Bezahlung der Schulden kaum nachweisen ließen (s. insbesondere die Ausführungen im Urteil in BFHE 99, 316, BStBl II 1970, 637), ist dadurch Rechnung zu tragen, daß der Ausgleich nach § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 nur dann in Betracht kommt, wenn eine bereits vorhandene Schuld getilgt wird, und daß es dem Steuerpflichtigen obliegt, die Verwendung der dem Betriebsvermögen entnommenen Geldmittel für die Bezahlung der Schulden - verfolgbar - nachzuweisen. Im Streitfall ist die letztgenannte Bedingung schon deshalb eingehalten, weil die KG die Zahlungen zugunsten des Klägers an das FA vorgenommen hat.

Die Sache ist spruchreif. Die Vermögensteuer 1983 wird unter Abänderung des Vermögensteuerbescheides vom 18. September 1984 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. März 1985 unter Berücksichtigung der Zahlung auf die Steuerschulden des Klägers in Höhe von 1.896.529 DM aus einem steuerpflichtigen Vermögen von 9.892.000 DM auf 49.460 DM herabgesetzt.