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  BFH-Beschluß vom 15.11.1991 (III E 4/90) BStBl. 1992 II S. 256

In Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit des im Einkommensteuertarif berücksichtigten Grundfreibetrages ist der Streitwert unter Anwendung des in der Proportionalzone des Einkommensteuertarifs geltenden Steuersatzes (22 v. H. für das Streitjahr 1986) zu errechnen. Anders kann es sein, wenn der Kläger nicht nur eine Erhöhung des Grundfreibetrages innerhalb des Einkommensteuertarifs, sondern den Abzug des (erhöhten) Grundfreibetrages von der steuerlichen Bemessungsgrundlage fordert.

EStG § 32 a Abs. 1; GKG §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1.

Sachverhalt

Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) erhob Klagen wegen der Einkommensteuer 1986 und 1987, mit denen er geltend machte, der jeweils im Einkommensteuertarif berücksichtigte Grundfreibetrag sei aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig. Nach Abweisung der Klagen durch das Finanzgericht (FG) legte der Kostenschuldner jeweils Revision ein. Er beantragte in den vom erkennenden Senat verbundenen Revisionsverfahren, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dahingehend abzuändern, daß ein Grundfreibetrag von 10.000 DM berücksichtigt wird. Der erkennende Senat wies die verbundenen Revisionen durch Urteil vom 8. Juni 1990 III R 41/90 als unbegründet zurück.

Mit Kostenrechnung vom 15. November 1990 KostL 1482/90 (III R 41/90), die vorausgegangene Kostenrechnungen berichtigte, setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) die Kosten der verbundenen Revisionsverfahren mit insgesamt 600 DM an. Sie legte dabei einen Streitwert von 5.511 DM zugrunde. Die Kostenstelle ging davon aus, daß sich im Falle des Erfolgs der Revisionen die Erhöhung des Grundfreibetrages um jeweils 5.464 DM (Differenz zwischen vom Kläger beantragter Höhe von 10.000 DM und für die Streitjahre geltender Höhe von 4.536 DM) nicht nur in der Proportionalzone, sondern auch in den Progressionszonen des Einkommensteuertarifs ausgewirkt hätte. Da der Grundfreibetrag Teil des Einkommensteuertarifs sei, führe seine Erhöhung auch zu einer entsprechenden Verschiebung der Proportionalzone und aller Progressionszonen nach oben. Die Kostenstelle errechnete demgemäß aufgrund des jeweils zu versteuernden Einkommens des Kostenschuldners die streitige Steuerersparnis für 1986 in Höhe von 2.407 DM und für 1987 in Höhe von 3.104 DM (zusammen also 5.511 DM).

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Kostenschuldners. Er ist der Auffassung, daß nur Auswirkungen der von ihm begehrten Erhöhung des Grundfreibetrages in der Proportionalzone des Einkommensteuertarifs zu berücksichtigen seien. Die den Streitwert ausmachende Steuerersparnis aufgrund der begehrten Erhöhung des Grundfreibetrages sei daher mit 22 v. H. von 5.464 DM anzusetzen.

Der Kostenschuldner beantragt sinngemäß, die Kosten für das Revisionsverfahren auf der Grundlage eines Streitwerts von 1.202 DM festzusetzen.

Der Kostengläubiger und Erinnerungsgegner (der Vertreter der Staatskasse beim BFH) beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist zum Teil begründet.

1. Mit der Erinnerung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) können auch Einwendungen gegen den vom Kostenbeamten zugrunde gelegten Streitwert geltend gemacht werden (s. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 135 Rdnr. 36; vgl. auch die Beschlüsse des erkennenden Senats vom 9. April 1987 III E 1/87, BFH/NV 1987, 665; vom 5. April 1988 III E 3/87, BFH/NV 1988, 725; vom 9. April 1990 III E 3/89, BFH/NV 1991, 551).

2. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Wert des Streitgegenstandes nach der sich aus dem Antrag des Kostenschuldners für ihn ergebenden Bedeutung nach Ermessen zu bestimmen. Danach hält der von der Kostenstelle des BFH zugrunde gelegte Streitwert in Höhe von 5.511 DM der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bei der in den beiden verbundenen Revisionsverfahren streitigen Erhöhung des Grundfreibetrages jeweils von 4.536 DM auf 10.000 DM ging es um § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Betroffen vom Streitgegenstand war zwangsläufig auch § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG. Denn eine Erhöhung des Grundfreibetrages müßte notwendig zu einer entsprechenden Erhöhung des unteren Grenzbetrages der in § 32 Abs. 1 Satz 2 EStG geregelten Proportionalzone des Einkommensteuertarifs führen. Mehr war nicht im Streit. Der Kostenschuldner hat in den Revisionsverfahren nämlich nicht begehrt, auch den oberen Grenzbetrag der Proportionalzone und entsprechend die in § 32 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 ff. EStG geregelten Progressionszonen des Einkommensteuertarifs zu verschieben. Die Revision hätte im Falle ihres Erfolges daher nur dazu führen können, daß der Betrag von 5.464 DM, um den der Grundfreibetrag erhöht werden sollte, aus der Besteuerung in der Proportionalzone ausgeschieden wäre. Weitere Änderungen in der Besteuerung wären über das Revisionsbegehren hinausgegangen.

b) Selbst wenn man eine derartige isolierte Betrachtung nicht für möglich hält, sondern im Falle der Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages von der Verfassungswidrigkeit des gesamten Einkommensteuertarifs und einer damit verbundenen Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer Neuregelung insgesamt ausgeht, läßt sich daraus nicht der von der Kostenstelle des BFH zugrunde gelegte Streitwert ableiten. Der Kostenschuldner weist zu Recht darauf hin, daß der Inhalt einer in diesem Fall erforderlichen gesetzlichen Neuregelung nicht absehbar ist. Dabei erscheint es als wenig wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber die Steuersätze innerhalb der einzelnen Zonen unverändert ließe, wenn er die Proportionalzone und die Progressionszonen des Einkommensteuertarifs jeweils einfach entsprechend der Erhöhung des Grundfreibetrages nach oben verschieben würde. Diese Lösung würde nämlich die ohnehin schon großen Steuerausfälle, die sich bei der vom Kostenschuldner angestrebten Erhöhung des Grundfreibetrages allgemein ergeben würden, noch erheblich vergrößern.

c) Die Steuerersparnis, um die es dem Kostenschuldner im Revisionsverfahren ging, würde nur dann über den Steuersatz in der Proportionalzone des Einkommensteuertarifs hinausgehen, wenn die etwaige Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages nicht nur dessen Höhe, sondern auch die systematische Einbeziehung in den Einkommensteuertarif betreffen würde. Bei Abzug des Grundfreibetrages von der Bemessungsgrundlage (echter Freibetrag) wäre nämlich für den Streitwert die Besteuerung der Einkommensspitze des Kostenschuldners maßgebend. Der Kostenschuldner hat in der Revisionsbegründung aber zwar die Frage der systematischen Einordnung des Grundfreibetrages aufgeworfen. Sein Revisionsantrag beschränkt sich jedoch eindeutig auf eine Erhöhung des Grundfreibetrages innerhalb des Einkommensteuertarifs.

3. Entgegen dem Antrag des Kostenschuldners im Erinnerungsverfahren beträgt der Streitwert allerdings nicht nur 1.202 DM. Diese Summe ergibt sich zwar bei Anwendung des Steuersatzes von 22 v. H. in der Proportionalzone des Einkommensteuertarifs für die Streitjahre auf die begehrte Erhöhung des Grundfreibetrages um 5.464 DM. Der Kostenschuldner übersieht aber, daß es in der Revisionsentscheidung des Senats um verbundene Revisionen für zwei Streitjahre und damit um 22 v. H. von zweimal 5.464 DM ging. Der Streitwert beträgt folglich 2.404 DM. Dies führt gemäß § 11 GKG i. V. m. Nrn. 1310 und 1314 des Kostenverzeichnisses zu Gerichtsgebühren in Höhe von 348 DM.