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  BFH-Beschluß vom 13.11.1991 (I B 72/91) BStBl. 1992 II S. 263

Verlegt eine US-Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung in die Bundesrepublik und schließt sie mit einer inländischen Kapitalgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab, so ist weder § 14 KStG 1984 noch § 18 KStG 1984 anzuwenden.

FGO § 69; KStG 1984 §§ 1, 3, 14, 18.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine inländische GmbH, deren Geschäftsanteile zu 99,5 v. H. von der inländischen B-GmbH und zu 0,5 v. H. von der A-Inc, einer mit Sitz im US-Staat Delaware gegründeten amerikanischen Kapitalgesellschaft, gehalten werden. Seit April 1989 hält die A-Inc 99,5 v. H. der Geschäftsanteile an der B-GmbH.

Am 11. August 1989 schloß die Antragstellerin mit der A-Inc einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag für die Zeit ab dem 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1994. Der Vertrag wurde in das für die Antragstellerin geführte Handelsregister eingetragen.

Am 21. Januar 1991 erließ der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) gegenüber der Antragstellerin einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für die Zeit ab dem 10. März 1991. Darin ging das FA von einem Jahreseinkommen der Antragstellerin in Höhe von 129 Mio DM und einem Steuersatz von 50 v. H. aus. Der Einspruch der Antragstellerin führte zum Erlaß eines geänderten Vorauszahlungsbescheides vom 13. Februar 1991, dem wiederum ein Jahreseinkommen in Höhe von 129 Mio DM, jedoch nur noch ein Steuersatz von 36 v. H. zugrunde liegt. Den Antrag der Antragstellerin vom 7. Februar 1991, mit dem sie die Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides mit Rücksicht auf das in Höhe von 0 DM anzusetzende Jahreseinkommen begehrte, lehnte das FA durch Verfügung vom 13. Februar 1991 ab.

Die Antragstellerin beantragte deshalb die Aussetzung der Vollziehung des geänderten Vorauszahlungsbescheides gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Finanzgericht (FG). Dieses lehnte den Antrag durch Beschluß vom 3. Mai 1991 ab. Es ließ die Beschwerde zu.

Gegen den am 16. Mai 1991 zugestellten Beschluß des FG legte die Antragstellerin am 21. Mai 1991 Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat.

Sie beantragt, den Beschluß vom 3. Mai 1991 aufzuheben und gemäß den erstinstanzlichen Anträgen der Antragstellerin zu entscheiden.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb durch Beschluß zurückzuweisen (§ 132 FGO).

1. Nach § 69 Abs. 3 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 FGO kann das FG der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Vollziehung u. a. dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche Zweifel sind dann anzunehmen, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Im Streitfall sind derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides vom 13. Februar 1991 nicht zu erkennen.

2. Der Streitfall kann eindeutig nicht unter den Wortlaut des § 14 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984 subsumiert werden. Nach § 14 Nr. 3 KStG 1984 kann Organträger nur entweder eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. des § 1 KStG 1984 mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland oder aber eine Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sein. Die A-Inc erfüllte keine dieser Voraussetzungen. Sie war eine im Ausland gegründete Körperschaft, die jedoch nur ihre Geschäftsleitung und nicht auch ihren Sitz ins Inland verlegt hatte. Damit scheitert die Anwendung des § 14 KStG 1984 an den in Nr. 3 der Vorschrift aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen.

3. Der Streitfall kann auch eindeutig nicht unter den Wortlaut des § 18 KStG 1984 subsumiert werden. Die Rechtsfolge der Vorschrift besteht in der Zurechnung des Einkommens einer Organgesellschaft zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften des ausländischen gewerblichen Unternehmens (Organträgers) aus seiner inländischen Zweigniederlassung. Damit setzt die Vorschrift voraus, daß das ausländische gewerbliche Unternehmen mit seinen Einkünften aus der inländischen Zweigniederlassung in der Bundesrepublik nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die A-Inc hatte nach dem Vorbringen der Antragstellerin ihre Geschäftsleitung in die Bundesrepublik verlegt. Sie war deshalb mit ihren Einkünften aus der hiesigen Zweigniederlassung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§§ 1 und 3 KStG 1984, § 10 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

4. Der erkennende Senat pflichtet der Antragstellerin in ihrer Rechtsauffassung nicht bei, daß die wortgetreue Auslegung der §§ 14 und 18 KStG 1984 zu einem wirtschaftlich unvertretbaren und auch im übrigen unsinnigen Ergebnis führe. Das Gegenteil ist der Fall. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:

a) Nach der in der Bundesrepublik überwiegend vertretenen Rechtsauffassung (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. Oktober 1968 VII ZR 23/68, BGHZ 51, 27; vom 30. Januar 1970 V ZR 139/68, BGHZ 53, 181; vom 5. November 1980 VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318; Oberlandesgericht - OLG - München, Urteil vom 6. Mai 1986 5 U 2562/85, Der Betrieb - DB - 1986, 1767; Großfeld in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnrn. 350 und 379; Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, § 45 Rdnr. 7; Rowedder/Rasner, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 60 Rdnr. 12) wird das Personalstatut einer ausländischen Gesellschaft nach dem Gesellschaftsrecht des Sitzstaates (sog. Sitztheorie) beurteilt, wobei unter dem Sitz der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung (Verwaltungssitz) verstanden wird. Verlegt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in die Bundesrepublik, so ist sie nach der Sitztheorie nur dann eine fortbestehende Kapitalgesellschaft, wenn sie sich unter Beachtung der hiesigen Gründungsvorschriften in das zuständige Handelsregister eintragen läßt (vgl. Großfeld, a. a. O., Rdnrn. 371 ff.). Geschieht dies nicht, dann wird aus der Sicht des deutschen Rechts aus der rechtsfähigen ausländischen Kapitalgesellschaft entweder eine nichtrechtsfähige "inländische" Personenvereinigung, die steuerlich gesehen unter §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 KStG 1984 zu subsumieren ist, oder eine Personengesellschaft (vgl. BGH-Urteil vom 21. März 1986 V ZR 10/85, BGHZ 97, 269). Damit wird der Gefahr vorgebeugt, daß die Gründer einer Kapitalgesellschaft die nach deutschem Gesellschaftsrecht bestehenden schärferen Gründungs- und sonstigen Vorschriften unterlaufen, indem sie die Gesellschaft im Ausland gründen und den dortigen Vorschriften unterwerfen, um anschließend nur den Verwaltungssitz ins Inland zu verlegen.

b) Der erkennende Senat muß im Streitfall nicht darüber entscheiden, ob sich das Personalstatut einer ausländischen Kapitalgesellschaft tatsächlich nach dem an ihrem Verwaltungssitz geltenden Recht richtet. Er muß auch nicht darüber entscheiden, ob die Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland immer gleichbedeutend mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland ist. Schließlich kann dahinstehen, welche steuerlichen Konsequenzen sich tatsächlich aus der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland ergeben. Allein die Möglichkeit, daß nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Rechtsauffassung die Verlegung des Verwaltungssitzes ein im Inland nicht rechtsfähiges Rechtsgebilde entstehen läßt, ist ein objektiver Grund, solche Sitzverlegungen nicht durch zusätzliche steuerliche Anreize zu fördern. Deshalb hat der Ausschuß von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nur ihre Geschäftsleitung und nicht auch ihren Sitz im Inland haben, aus dem Kreis der gesetzlich zugelassenen Organträger einen vernünftigen Sinn. Dieser zwingt dazu, die §§ 14 und 18 KStG 1984 entsprechend ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Steuergesetzgeber mit den §§ 14 und 18 KStG 1984 tatsächlich einen entsprechenden Zweck verfolgte. Die Tatsache, daß die Regelung einen objektiven Sinn hat, nimmt den Finanzgerichten die Möglichkeit, die Vorschriften entgegen ihrem klaren Wortlaut auszulegen.

5. Aus dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl II 1956, 488 ff.) folgt nichts anderes. Nach Art. XXV Abs. 5 des Freundschaftsvertrages ist nur der rechtliche Status der A-Inc als eine in den USA wirksam gegründete Kapitalgesellschaft anzuerkennen. Dies bedeutet nur, daß die A-Inc als ausländisches Rechtsgebilde im Inland anzuerkennen ist. Es besagt jedoch nichts darüber, ob die A-Inc auch durch Verlegung des Verwaltungssitzes den Status eines inländischen Rechtsgebildes annehmen kann. So gesehen ist Art. XXV Abs. 5 des Freundschaftsvertrages für die Auslegung der §§ 14 und 18 KStG 1984 ohne Bedeutung. Dies gilt unbeschadet des Art. XI Abs. 1 des Freundschaftsvertrages. Denn die A-Inc unterliegt in der Bundesrepublik hinsichtlich der Zahlung von Steuern keiner stärkeren Belastung als eine deutsche Gesellschaft unter gleichartigen Voraussetzungen. Eine deutsche Gesellschaft scheidet ebenfalls aus dem Kreis der gesetzlich zugelassenen Organträger aus, wenn sie nur ihren Sitz oder nur ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt.

6. Kommt der Auslegung der §§ 14 und 18 KStG 1984 entsprechend ihrem Wortlaut ein vernünftiger Sinn zu, so scheidet auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes aus.