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  BFH-Urteil vom 15.11.1991 (VI R 144/89) BStBl. 1992 II S. 266

Aufwendungen für Zwischenheimfahrten aus Anlaß einer Dienstreise sind auch bei kurzer Dauer der Dienstreise in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der verheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 1987 als Soldat Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wohnte in S und war dort stationiert. In der Zeit vom 5. Januar bis 23. Januar 1987 und vom 2. Dezember bis 15. Dezember 1987 war er zu Lehrgängen nach A bzw. B abkommandiert, wo er jeweils in den Kasernen unterbracht war. Während der Lehrgänge unternahm er an den Wochenenden jeweils Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug nach S.

Für diese Wochenendfahrten machte der Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1987 Fahrtkosten in Höhe von 0,42 DM je Kilometer als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte demgegenüber die Fahrtkosten als im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angefallene Kosten nur in Höhe von 0,36 DM je Entfernungskilometer.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den folgenden Gründen statt: Der Kläger sei nur vorübergehend und kurzfristig zu den jeweils nur ca. 14 Tage dauernden Lehrgängen abkommandiert worden. Nach Beendigung der Lehrgänge sei er zum bisherigen Standort zurückgekehrt. Unter diesen Umständen könne es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei dem Besuch der Lehrgänge um Dienstreisen gehandelt habe. Ebenso wie die Kosten einer Hin- und Rückreise seien auch die Kosten für Zwischenheimfahrten zu behandeln, denn auch die letzteren Kosten seien durch die Dienstreise veranlaßt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1976 VI R 145/74, BFHE 121, 190, BStBl II 1977, 294). Der Abzug der Kosten sei nicht etwa durch § 9 Abs. 1 Nrn. 4 oder 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 0,36 DM je Entfernungskilometer begrenzt. Da die Lehrgangsstätten nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers geworden seien, habe es sich bei den Zwischenheimfahrten nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehandelt. Der Kläger habe an den Lehrgangsorten sowohl wegen der kurzen Dauer als auch wegen der Art der Unterbringung nicht etwa einen zweiten Haushalt begründet. Daher könne für die Kosten der Zwischenheimfahrten auch nicht eine Abzugsbeschränkung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG wegen einer doppelten Haushaltsführung eingreifen.

Das FA beantragt mit seiner Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, Kosten einer Dienstreise seien nur dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie ausschließlich beruflich veranlaßt seien. Nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 121, 190, BStBl II 1977, 294 seien Zwischenheimfahrten dann ausschließlich beruflich veranlaßt, wenn der Arbeitnehmer bei ständig wechselnden Dienstreisen an den jeweiligen Beschäftigungsorten weder wohne noch dort seinen Haushalt unterhalte. Dagegen seien sie nicht ausschließlich beruflich veranlaßt, wenn der Arbeitnehmer - wie der Kläger - am Dienstort wohne oder eine ihm dort gestellte Unterkunft nicht in Anspruch nehme. Gleichwohl seien auch in diesen Fällen die Fahrten vom Beschäftigungsort zum Heimatort und zurück im Rahmen von längerfristigen Dienstreisen (z. B. Lehrgängen) als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit 0,36 DM je Entfernungskilometer zu berücksichtigen, da der Dienstreiseort während der auswärtigen Tätigkeit die Arbeitsstätte des Arbeitnehmers sei und die Wohnung am Heimatort den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers darstelle.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Kosten für die Zwischenheimfahrten mit 0,42 DM je gefahrenen Kilometer als Werbungskosten abzugsfähig sind. Der Kläger befand sich bei dem Besuch der jeweils ca. zwei Wochen dauernden Lehrgänge in A und B auf Dienstreisen, da er vorübergehend vom Ort seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in S abwesend war. Als Werbungskosten abzugsfähig sind sämtliche durch die Dienstreise veranlaßten Kosten. Dazu zählen auch die Kosten für Zwischenheimfahrten. Wie der Senat bereits im Urteil in BFHE 121, 190, BStBl II 1977, 294 ausgeführt hat, sind solche Kosten deshalb durch das Dienstverhältnis veranlaßt, weil ohne Antritt der Dienstreise keine Kosten für Heimfahrten angefallen wären. Dabei kann es auf die Motive für die Zwischenheimfahrten ebensowenig ankommen, wie diese im Fall des Urteils des Senats vom 12. Januar 1990 VI R 29/86 (BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423) von Bedeutung waren. Private Motive spielen grundsätzlich keine Rolle, wenn sie lediglich auf die Rückgängigmachung einer rein beruflich veranlaßten Beeinträchtigung der privaten Sphäre gerichtet sind.

Für die Frage der Abziehbarkeit von Kosten für Zwischenheimfahrten anläßlich einer Dienstreise kann es nicht darauf ankommen, ob es sich um eine längerfristige Dienstreise handelt oder nicht. Falls das Urteil des Senats vom 19. März 1982 VI R 141/78 (nicht veröffentlicht) dem entgegenstehen wollte, hielte der Senat nicht mehr daran fest. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung. Während diese in Verfügungen aus dem Jahre 1988 (Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf, Verfügung vom 16. März 1988 - S 2351 A - St 124, Der Betrieb 1988, 990; OFD Münster, Verfügung vom 28. März 1988 - S 2338-17-St 12-31, Betriebs-Berater 1988, 1169) und in Abschn. 25 Abs. 7 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1987 noch ausdrücklich davon ausging, daß die Kosten sämtlicher anläßlich einer längerfristige Dienstreise durchgeführten Zwischenheimfahrten als Werbungskosten abziehbar sind, ist diese Einschränkung in Abschn. 38 Abs. 3 Nr. 1 LStR 1990 zutreffend nicht mehr enthalten. Danach können als Reisekosten für eine Dienstreise die Aufwendungen für sämtliche Zwischenheimfahrten ohne eine Einschränkung hinsichtlich der Zeitdauer der Dienstreise als Werbungskosten abgezogen werden.

Da die nur für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. für Familienheimfahrten anläßlich einer doppelten Haushaltsführung geltenden Einschränkungen des § 9 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 EStG für Dienstreisen nicht eingreifen, kann ein Arbeitnehmer die Kosten für Dienstreisen mit dem eigenen Kraftfahrzeug in tatsächlicher Höhe oder mit den Pauschsätzen der LStR als Werbungskosten absetzen.