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  BFH-Zwischenurteil vom 28.8.1991 (I R 37/91) BStBl. 1992 II S. 282

Die Revision kann auch dann zulässig sein, wenn auf dem Briefbogen des Schreibens, mit dem sie eingelegt wurde, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft angeführt ist.

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die die Körperschaftsteuer der Jahre 1976 bis 1980 betreffende Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das Urteil des FG wurde der Klägerin am 14. März 1991 zugestellt. Mit einem beim FG am 9. April 1991 eingegangenen Schriftsatz wurde gegen das Urteil Revision eingelegt.

Der Schriftsatz trägt im Briefkopf die Bezeichnung: "X-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft". In ihm werden als Prozeßbevollmächtigte genannt: "Steuerberater Dipl.-Kfm. H und Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater G im Hause X ....". Der Schriftsatz ist in der Wir-Form gehalten ("Im Auftrag und in Vollmacht der Revisionsklägerin legen wir ....") und von H und G unterschrieben. Den Unterschriften ist kein Firmenzusatz vorangesetzt. Unter den Unterschriften sind Vor- und Zuname der Unterzeichnenden maschinenschriftlich wiederholt. H und G gehören nicht zu den Personen, die in der Fußleiste des Briefbogens als Vorstandsmitglieder der X ausgewiesen sind. Die beigefügte Vollmacht ist auf H und G je einzeln persönlich ausgestellt.

Mit dem beim Bundesfinanzhof (BFH) am 13. Mai 1991 eingegangenen Schriftsatz wurde beantragt, die Revisionsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Der Schriftsatz entspricht in seinem Aufbau grundsätzlich dem beim FG am 9. April 1991 eingegangenen Schriftsatz, lediglich über den Unterschriften findet sich der Zusatz: "X-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft". Nach der vom Vorsitzenden des erkennenden Senats unterzeichneten Verfügung vom 14. Mai 1991 wurde die Frist zur Begründung der Revision bis zum "20. 6. 1991" verlängert. Auf der den Prozeßbevollmächtigten zugegangenen Ausfertigung heißt es, daß die Frist zur Begründung der Revision bis zum 26. Juni 1991 verlängert wird. Dies ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten Ablichtung der Ausfertigung. Der die Revisionsbegründung enthaltende Schriftsatz ging am 25. Juni 1991 beim BFH ein. Er entspricht im Aufbau dem Schriftsatz, mit dem die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragt wurde.

Mit Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 8. Juli 1991 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei. Mit einem am 17. Juni 1991 beim BFH eingegangenen Schriftsatz macht die Klägerin geltend, daß die Frist zur Begründung der Revision nach dem Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats bis zum 26. Juni 1991 verlängert worden sei. In einem nach dem Eingang dieses Schriftsatzes mit der Geschäftsstelle des erkennenden Senats geführten Telefongespräch wurden die Klägervertreter auf die Abweichung zwischen der Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats und der Ausfertigung hingewiesen. Mit einem am 19. Juli 1991 beim BFH eingegangenen Schriftsatz beantragt die Klägerin wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

Die Revision wurde wirksam eingelegt.

Die Klägerin war bei der Einlegung der Revision ordnungsgemäß durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2204, BStBl I 1990, 8) aufgeführten Berufsgruppen vertreten. Ein Vertreter war Steuerberater; der andere Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Eine von einer Steuerberatungsgesellschaft bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingelegte Revision ist unzulässig (vgl. BFH-Beschluß vom 9. November 1988 II R 20/86, BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109, m. w. N.).

Im Streitfall wurde die Revision nicht von einer Steuerberatungs- bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingelegt. Dem steht nicht entgegen, daß sie auf einem Briefbogen eingelegt wurde, in dessen Kopf eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft angeführt ist. Entscheidend ist, daß H und G in dem Schreiben als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet wurden, sich die Wir-Form des Schriftsatzes auf H und G bezieht und H und G den Schriftsatz unterzeichnet haben.

Dem steht die bisherige Rechtsprechung des BFH nicht entgegen. Soweit diese Revisionen als unzulässig ansah, waren dabei Umstände gegeben, die im Streitfall nicht vorliegen.

Die Unterschriften waren mit dem Zusatz .... Gesellschaft versehen (BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 1990 X B 162/89, BFH/NV 1991, 259; vom 3. April 1991 X R 166/90, BFH/NV 1991, 471; vom 10. Januar 1989 V B 158/88, BFH/NV 1990, 792; vom 6. November 1987 V B 129/87, BFH/NV 1988, 321; vom 19. August 1987 VIII R 18/87, BFH/NV 1988, 253; vom 26. September 1986 IV R 69/86, BFH/NV 1988, 178; vom 4. Dezember 1985 II B 67/85, BFH/NV 1988, 107; vom 24. Juni 1986 VII R 29/85, BFH/NV 1987, 181; vom 30. April 1986 VIII R 199-201/85, BFH/NV 1986, 691, und vom 18. Februar 1986 IV B 15/86, BFH/NV 1986, 627).

Die Schriftsätze wurden von einer Person unterzeichnet, die Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer der Gesellschaft ist, die im Briefkopf genannt ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1990, 792; vom 19. März 1990 VIII R 64/89, BFH/NV 1990, 795; vom 21. Dezember 1988 VIII R 173/84, BFH/NV 1989, 449; vom 23. Dezember 1988 III B 121/88, BFH/NV 1989, 534; vom 18. Januar 1989 II B 206/88, BFH/NV 1989, 798; vom 2. März 1988 X B 101/87, BFH/NV 1988, 588; vom 8. August 1986 VIII R 64/85, BFH/NV 1987, 182; vom 20. Januar 1987 VI R 28/86, BFH/NV 1987, 387; in BFH/NV 1987, 181; vom 25. Juni 1985 VIII R 82/84, BFH/NV 1986, 38; vom 26. Juni 1986 VIII B 57/85, BFH/NV 1986, 756, und vom 11. Dezember 1985 I R 167/85, BFH/NV 1986, 420).

Die Verwendung der Wir-Form wurde als Begründung für die Unzulässigkeit in Fällen angeführt, in denen entweder nicht mehrere natürliche Personen als Prozeßbevollmächtigte in Betracht kamen bzw. in denen die Unterzeichner auch gesetzliche Vertreter der im Briefkopf genannten Gesellschaft waren (BFH-Beschlüsse vom 16. November 1989 V B 51/89, BFH/NV 1990, 254; in BFH/NV 1987, 387; vom 29. November 1985 III R 161/85, BFH/NV 1987, 113; in BFH/NV 1986, 420, und in BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109).

Der Streitfall ist mit dem Sachverhalt vergleichbar, aufgrund dessen der Beschluß des BFH vom 13. März 1986 IV R 118/84 (BFH/NV 1986, 466) die Revision zuließ. Die Verwendung des Briefkopfs einer Steuerberatungsgesellschaft mbH stand der Zulassung der Revision nicht entgegen, weil nicht die GmbH, sondern eine natürliche Person als Prozeßbevollmächtigte genannt wurde. Die Wir-Form konnte auf mehrere Kläger bezogen werden; im vorliegenden Streitfall kann die Wir-Form darauf zurückzuführen sein, daß die Klägerin von mehreren Personen vertreten wird.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von dem BFH-Beschluß in BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109 ab; denn in dem dort entschiedenen Fall bestand nicht die Besonderheit, daß natürliche Personen als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet wurden.

Die Revision wurde innerhalb der hierfür maßgebenden Frist begründet. Die der Klägerin bzw. ihren Vertretern zugegangene Ausfertigung der Verfügung betreffend die Fristverlängerung weicht in einem wesentlichen Punkt von der Urschrift ab, womit die Zustellung der Verfügung grundsätzlich nicht wirksam wäre (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 20. April 1967 VII ZR 280/64, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1967, 834). Nach der Rechtsprechung ist jedoch bei der Entscheidung über Fristverlängerungsanträge bei Abweichungen der Fristverlängerung lt. Ausfertigung von der tatsächlichen Fristverlängerung in der Urschrift zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, daß die Frist lt. Ausfertigung maßgebend ist (BGH-Urteil vom 27. März 1963 VIII ZR 186/61, MDR 1963, 588, und Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 1979 6 AZR 683/76, Betriebs-Berater 1979, 1772). Da nach der Ausfertigung der Verfügung die Frist entgegen der Urschrift nicht am 20. Juni 1991, sondern am 26. Juni 1991 ablief, war der 26. Juni 1991 maßgebend. Der Schriftsatz, mit dem die Klägerin die Revision begründete, ist am 25. Juni 1991 beim BFH eingegangen.

Die Revision ist wirksam begründet. Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG gilt zwar auch für die Revisionsbegründungsschrift (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Juli 1982 V R 64/82, BFHE 136, 199, BStBl II 1982, 641). Die Revisionsbegründungsschrift erfüllt die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG. Dem steht nicht entgegen, daß sie insoweit von dem Schriftsatz, mit dem die Revision eingelegt wurde, abweicht, als über den Unterschriften der Zusatz angebracht ist: "X-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft". Entscheidend ist nämlich, daß in der Revisionsbegründungsschrift H und G als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet wurden und H und G nicht Vorstandsmitglieder der Gesellschaft waren.