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BFH-Urteil vom 4.12.1991 (X R 89/90) BStBl. 1992 II S. 295

Dem Einzelrechtsnachfolger, der ein unentgeltlich erworbenes Gebäude zu eigenen Wohnzwecken nutzt, steht die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG grundsätzlich nur zu, wenn er nach Eigentumsübergang eigene Herstellungskosten für die eigengenutzte Wohnung aufwendet. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers für das Gebäude und die (hälftigen) Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers für den Grund und Boden kann er nicht in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG einbeziehen.

EStG § 10 e Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Durch notariellen Vertrag vom 2. Juni 1987 erhielt die Klägerin von ihrer Mutter unentgeltlich ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück übertragen. Der Besitz ging am selben Tag auf die Klägerin über. Für die Erdgeschoßwohnung räumte die Klägerin ihrer Mutter unentgeltlich auf Lebenszeit ein Wohnrecht ein.

Zum Zeitpunkt der Übergabe befand sich die Erdgeschoßwohnung noch im Rohbau; die Wohnung im Obergeschoß, die die Kläger ab 6. Juni 1987 zu eigenen Wohnzwecken nutzten, war bis auf geringfügige Arbeiten fertiggestellt.

Für den Erwerb des Grundstücks und die Bebauung waren folgende Kosten angefallen:

  

Grund und Boden                                                                         21.640 DM

  

Herstellungskosten bis

einschließlich 1987                                                                    214.835 DM

  

auf das Jahr 1987 entfallende

Herstellungskosten                                                                      21.425 DM

  

von der Klägerin nach Eigentumsübertragung

aufgewendete Herstellungskosten                                                 11.727 DM.

In der Einkommensteuererklärung 1987 machte die Klägerin einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, den sie wie folgt ermittelte:

  

Hälftige Anschaffungskosten

des Grund- und Bodens                                                                10.820 DM

  

Herstellungskosten des Gebäudes                                              214.835 DM

                                                                                               -------------------

Bemessungsgrundlage                                                               225.655 DM

  

auf die eigengenutzte Wohnung

entfallender Anteil von 57,65 v.H.                                                 130.096 DM

   

Abzugsbetrag 5 v.H.                                                                      6.505 DM.

  

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte nur einen Abzugsbetrag von 618 DM aus den im Jahr 1987 angefallenen Herstellungskosten (5 v. H. von 21.425 DM = 1.072 DM, hiervon 57,65 v. H. = 618 DM).

Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, die Klägerin könne die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG nur für die nach dem Eigentumsübergang angefallenen Herstellungskosten in Höhe von 11.727 DM in Anspruch nehmen. Wegen Geringfügigkeit werde für das Streitjahr aber von einer Änderung der Steuerfestsetzung abgesehen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, ein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG stehe dem Steuerpflichtigen nur für eigene Herstellungs- oder Anschaffungskosten zu. § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei auf die Begünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10 e Abs. 1 EStG i. V. m. § 11 d EStDV. Nach diesen Vorschriften sei dem Einzelrechtsnachfolger der Abzugsbetrag in dem Umfang zu gewähren, in dem ihn der Rechtsvorgänger geltend machen könnte, wenn er noch Eigentümer wäre. Entgegen der Auffassung des FG sei die Anwendung des § 11 d EStDV nicht auf Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG beschränkt, sondern gelte auch für § 10 e Abs. 1 EStG. Denn bei der Förderung nach § 10 e Abs. 1 EStG handle es sich nicht um Sonderausgaben, sondern lediglich um Abzugsbeträge, die "wie Sonderausgaben" abziehbar seien. Gesetzgeberisches Ziel sei es gewesen, die nach der Rechtslage vor 1987 gewährten Steuervorteile weiterhin zu ermöglichen. Dazu gehöre auch die Begünstigung des Einzelrechtsnachfolgers in dem Umfang, in dem ihm bei der früheren Nutzungswertbesteuerung die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG zugestanden hätten. Der Gesetzgeber gehe in § 10 e Abs. 4 EStG selbst davon aus, daß die Abzugsbeträge des § 10 e EStG den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gleichstünden. Aus dem Aufbau der gesamten Vorschrift, die § 7 b EStG nachgebildet sei, ergebe sich, daß die Gleichstellung der Abzugsbeträge nach § 10 e EStG mit den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG sich nicht nur auf den Objektverbrauch beziehe. § 11 d EStDV sei daher unmittelbar anwendbar.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den beantragten Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG in Höhe von 6.505 DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid 1987 vom 28. Mai 1991.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die beantragte Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG abgelehnt.

1. Unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen kann der Steuerpflichtige nach § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG von den Herstellungskosten einer Wohnung im eigenen Haus und der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazu gehörenden Grund und Boden im Jahr der Fertigstellung und den folgenden sieben Jahren bis zu 5 v. H. wie Sonderausgaben abziehen. Stellt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht selbst her, sondern schafft eine bereits fertiggestellte Wohnung an, kann er statt der Herstellungskosten 5 v. H. der Anschaffungskosten wie Sonderausgaben abziehen (§ 10 e Abs. 1 Satz 4 EStG). Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG wird also nur gewährt, wenn dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Erwerb einer Wohnung eigene Aufwendungen entstanden sind. Erwirbt der Steuerpflichtige unentgeltlich eine Wohnung, steht ihm kein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG zu.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger ist § 11 d EStDV im Rahmen des § 10 e EStG nicht anwendbar.

§ 11 d Abs. 1 Satz 1 und 2 EStDV enthält Regelungen für die Bemessung der AfA des Rechtsnachfolgers, der ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens unentgeltlich erworben hat. Diese Regelungen gelten zwar für erhöhte Absetzungen entsprechend (§ 11 d Abs. 1 Satz 3 EStDV). Auf die Abzugsbeträge des § 10 e EStG sind sie jedoch nicht anwendbar, weil es sich hierbei nicht um Absetzungen i. S. der §§ 7 oder 7 b EStG handelt, sondern um eigenständige Förderungstatbestände. Die Tatsache, daß § 10 e EStG im Aufbau und einzelnen Merkmalen den erhöhten Absetzungen des § 7 b EStG nachgebildet ist, macht die Abzugsbeträge des § 10 e EStG nicht zu erhöhten Absetzungen im steuerrechtlichen Sinn.

Aus dem Abzug "wie Sonderausgaben" läßt sich für die Auffassung der Kläger ebenfalls nichts herleiten. Diese Formulierung ist zum einen berechnungstechnisch zu verstehen, d. h. die Abzugsbeträge sind entsprechend der allgemeinen Behandlung von Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Zum anderen kommt darin zum Ausdruck, daß es sich bei den Abzugsbeträgen nicht um Sonderausgaben i. S. der §§ 10 bis 10 c EStG handelt, sondern um eigenständige Ausgaben auf der Grundlage tatsächlicher Aufwendungen in Form von Anschaffungs- oder Herstellungskosten (so auch Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Rz. 90). Nicht jedoch werden hierdurch die Abzugsbeträge des § 10 e EStG rechtlich den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gleichgestellt.

Eine solche Gleichstellung ist wegen der Systemänderung bei der Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums auch nicht möglich. AfA setzen begrifflich eine Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung voraus (§ 7 Abs. 1 EStG). Da die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG an die Stelle der AfA nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG treten (§ 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG), können auch sie nur gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige das begünstigte Objekt zur Erzielung von Einkünften nutzt.

Durch das Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) wurde die steuerliche Behandlung von Wohneigentum neu geregelt. Die Nutzungswertbesteuerung, nach der bei selbstgenutztem Wohneigentum fiktive Einkünfte zur Besteuerung herangezogen wurden, wurde durch die sog. Privatgutlösung ersetzt. Danach gehört Wohnen zur einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen persönlichen Lebenssphäre; nur tatsächlich zufließende Einnahmen sollen der Besteuerung unterworfen werden können.

Mit der Einführung der Privatgutlösung wurde auch die Förderung des Wohneigentums neu geregelt. Dies war zum einen notwendig, weil mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung eine Förderung über erhöhte Absetzungen nicht mehr in Betracht kam; zum anderen sollte die Förderung auch inhaltlich geändert werden. Statt der Begünstigung des Wohneigentums allgemein sollte nurmehr das selbstgenutzte Wohneigentum gefördert werden. Außerdem wurden neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung die hälftigen Anschaffungskosten des Grund und Bodens in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG entfielen ab dem 1. Januar 1987 auch für vermietete Objekte. § 7 b EStG hat nur noch Bedeutung für vor dem 1. Januar 1987 angeschaffte oder hergestellte Objekte bis zum Ablauf des Begünstigungszeitraums. Hieraus wird deutlich, daß § 10 e EStG ein eigenständiger Förderungstatbestand ist, der den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG nicht gleichgesetzt werden kann.

3. Ebenfalls zu Recht hat das FG eine analoge Anwendung des § 11 d EStDV - wie sie zum Teil in der Literatur vertreten wird (z. B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 e Anm. 6 d, m. w. N.) - abgelehnt.

Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, die zu einer Analogie zugunsten der Klägerin berechtigen würde, liegt nicht vor. Einen übergeordneten einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, nach dem der Einzelrechtsnachfolger mit dem Einrücken in die zivilrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers auch dessen steuerliche Vergünstigungen weiterführen kann, gibt es nicht. Einen solchen Grundsatz enthält auch § 11 d EStDV nicht. Denn diese Vorschrift regelt keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA oder erhöhten Absetzungen, sondern entsprechend der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2 p EStG lediglich die Bemessungsgrundlage und den Abzugszeitraum für die Absetzungen des Rechtsnachfolgers (gl. A. Ruppe, DStJG Bd. 10, S. 77). Der Grund für die Berechtigung des Einzelrechtsnachfolgers, bei unentgeltlichem Erwerb die Absetzungen des Rechtsvorgängers fortzuführen, liegt im Einsatz des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung (Urteil des Senats vom 7. August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267). Bei der Selbstnutzung von Wohneigentum werden aber keine (fiktiven) Einkünfte mehr erzielt und versteuert. Auch ist der Steuerpflichtige, der unentgeltlich erwirbt, nicht mit Herstellungs- oder Anschaffungskosten belastet, so daß ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die steuerliche Förderung entfällt. Soweit dem Steuerpflichtigen aber im Zusammenhang mit der Schenkung eines Grundstücks durch die Übernahme von Verbindlichkeiten oder durch Zahlung von Gleichstellungsgeldern Aufwendungen entstehen, hat er eigene Anschaffungskosten, die zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags nach § 10 e EStG berechtigen.