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  BFH-Urteil vom 20.9.1991 (III R 36/90) BStBl. 1992 II S. 300

Die Unterzeichnung einer Prozeßvollmacht mit einem der beiden Namen eines Doppelnamens ist formwirksam, wenn diese Unterzeichnung sich deutlich von einer Paraphe unterscheidet und sicher ist, daß die Unterschrift von dem betreffenden Prozeßbeteiligten stammt.

FGO § 62 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob durch ihren Prozeßbevollmächtigten Klage wegen der Einkommensteuer für das Streitjahr (1987), mit der sie die Gewährung eines höheren Kinderfreibetrages begehrte.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt worden sei. Es vertrat die Auffassung, daß sich die Person der Vollmachtgeberin nicht zweifelsfrei aus der Urkunde ergebe. Da die Klägerin als Familiennamen einen Doppelnamen führe, sei die Verwendung nur eines dieser beiden Namen bei der Unterschriftsleistung nicht ausreichend, um die Identität der Vollmachtgeberin zweifelsfrei zu bestimmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin in einem Parallelverfahren vor dem FG eine Vollmacht vorgelegt habe, die den anderen der beiden Einzelnamen der Klägerin aufweise.

Hiergegen richtet sich die vom BFH zugelassene Revision der Klägerin.

Die Klägerin beantragt festzustellen, daß die Klage zulässig sei. Dieser Antrag ist sinngemäß dahin auszulegen, daß die Aufhebung des angegriffenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das FG begehrt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht.

Nach der Rechtsprechung des BFH muß eine ordnungsgemäße Vollmacht erkennen lassen, wer bevollmächtigt hat, wer bevollmächtigt ist und wozu bevollmächtigt wurde (Urteile vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802, und vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, sowie Beschlüsse des erkennenden Senats vom 28. September 1987 III B 100/86, BFH/NV 1988, 183, und in BFH/NV 1988, 509). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 62 Anm. 55, m. w. N.).

Die Auslegung ergibt, daß die Vollmacht eindeutig von der Klägerin stammt. Entgegen der Auffassung des FG bestehen daran keine berechtigten Zweifel, obwohl die einen Doppelnamen führende Klägerin nur mit einem dieser beiden Namen, d. h. nur mit einem Namensteil, unterschrieben hat. Die Klägerin hat nämlich auch ihre Steuererklärung und die von ihrem Prozeßbevollmächtigten bereits im Veranlagungsverfahren für das Streitjahr zusammen mit der Einkommensteuererklärung vorgelegte Vollmachtsurkunde nur mit diesem Namensteil unterschrieben. Alle diese Unterschriften stimmen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild in den Schriftzügen im wesentlichen überein. Aufgrund dieses Vergleiches der Unterschriften ist davon auszugehen, daß die im Klageverfahren vorgelegte Vollmacht von derselben Person wie die Steuererklärung und die im Veranlagungsverfahren vorgelegte Vollmacht unterschrieben worden ist. Darüber, daß die Unterschrift unter der Steuererklärung von der Klägerin stammt, besteht kein Streit. Daraus folgt, daß dies bei der Unterschrift unter die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde ebenfalls der Fall sein muß. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da die Ordnungsmäßigkeit der Prozeßvollmacht zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen gehört (BFH-Urteil in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731).

Die Unterschrift nur mit dem zweiten Teil des Doppelnamens der Klägerin führt auch nicht etwa deshalb zur Unwirksamkeit der Vollmacht, weil für eine eigenhändige Unterschrift unter einen bestimmenden Schriftsatz in einem Klageverfahren ein individueller Schriftzug erforderlich ist, der sich als voller bürgerlicher Name darstellt. Diese Anforderungen gelten zwar auch für eine schriftliche Prozeßvollmacht. Eine Unterschrift, bei der nur ein Buchstabe oder überhaupt kein Buchstabe leserlich ist, oder eine bloße Paraphe genügen daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterschrift unter eine Vollmacht (vgl. Beschlüsse des BFH vom 14. Januar 1972 III R 88/70, BFHE 104, 497, BStBl II 1972, 427; vom 8. März 1984 I R 50/81, BFHE 140, 424, BStBl II 1984, 445; vom 16. Januar 1986 III R 50/84, BFHE 147, 199, BStBl II 1986, 489 und 856; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Januar 1959 2 Str 550/58, BGHSt 12, 317; Beschluß des BGH vom 11. Oktober 1984 X ZB 11/84, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 1227). Damit soll aber nur gewährleistet werden, daß keinerlei Zweifel an der Identität des Unterzeichners bestehen und daß es sich auch nicht um eine Abzeichnung (Paraphe) handelt, die lediglich für den internen Betrieb des Unterzeichners bestimmt ist. Die Unterzeichnung einer Prozeßvollmacht mit einem der beiden Namen eines Doppelnamens ist daher formwirksam, wenn diese Unterzeichnung sich deutlich von einer Paraphe unterscheidet und sicher ist, daß die Unterschrift von dem jeweiligen Prozeßbeteiligten stammt (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 15. Dezember 1987 3 AZR 606/87, Der Betrieb - DB - 1988, 920; Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20. Juli 1989 3 Ws 575/89, NJW 1989, 3030; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 1988 1 BvL 9/85 und 1 BvL 43/86, NJW 1988, 1577, wonach bei Doppelnamen keine starre Pflicht zur Führung beider Namensteile besteht). Diese Erfordernisse sind im Streitfall erfüllt.

Da das FG zu Unrecht die Ordnungsmäßigkeit der Vollmacht und damit eine Sachentscheidungsvoraussetzung verneint hat, ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG muß nunmehr zunächst in der Sache entscheiden.