| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 22.11.1991 (VI R 118/88) BStBl. 1992 II S. 326

Stellt ein Gläubiger, der durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß den Lohnsteuer-Erstattungsanspruch seines Schuldners hat pfänden lassen, für den Schuldner einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich, so genügt es, wenn dieser von seinem Prozeßbevollmächtigten eigenhändig unterschrieben wird.

EStG 1980 § 42 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1988, 45)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts G vom 5. Januar 1982 den mutmaßlichen Lohnsteuer-Erstattungsanspruch seines Schuldners N pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers stellte für den Schuldner einen von ihm, dem Bevollmächtigten, unterschriebenen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1981 für N ab, da der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich weder von N eigenhändig unterschrieben war noch eine entsprechende Vollmacht von ihm beigelegen hat. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 45 veröffentlichten Urteil u. a. aus:

Das FA sei verpflichtet, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen. Der Anspruch des Klägers auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ergebe sich aufgrund des von ihm durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erworbenen Pfändungspfandrechts am Lohnsteuer-Erstattungsanspruch des Schuldners. Denn der Pfändungsgläubiger eines Lohnsteuer-Erstattungsanspruchs werde hierdurch ermächtigt, den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zu stellen, soweit ihm verfahrensrechtliche - insbesondere fristwahrende - Bedeutung zukomme (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juni 1973 VI R 400/69, BFHE 110, 26, BStBl II 1973, 784).

Entgegen der Ansicht des FA bedürfe es zur Wirksamkeit eines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht der nach § 42 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1980 erforderlichen eigenhändigen Unterschrift des Lohnsteuerpflichtigen. Das FA berufe sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 10. Oktober 1986 VI R 208/83 (BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77). Denn diese Entscheidung enthalte keine Aussage zur eigenhändigen Unterschrift des Lohnsteuerpflichtigen bei einem vom Pfändungspfandgläubiger gestellten Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich.

Gegen das Urteil legte das FA Revision ein. Es bringt u. a. vor:

Der Kläger habe als Pfändungsgläubiger am 23. August 1982 einen lediglich von seinem Prozeßbevollmächtigten unterschriebenen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bei ihm, dem FA, eingereicht. Das sei nicht ausreichend. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77 setze ein rechtswirksamer Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich die in § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG vorgesehene eigenhändige Unterschrift des Arbeitnehmers voraus. Übertrage man diesen Rechtsgrundsatz auf die in Abschn. 107 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR 1981) geschilderten Sonderfälle, so müsse zur Stellung eines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für den Schuldner der Pfändungsgläubiger diesen Antrag ebenfalls eigenhändig unterschreiben. Der Pfändungsgläubiger trete insoweit in vollem Umfange in die Rechtsposition des Schuldners der Lohnsteuer ein. Er übernehme damit alle im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren zu beachtenden Rechte und Pflichten. Die in § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG normierte Verpflichtung, den Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag eigenhändig zu unterschreiben, gehe also auf den Pfändungsgläubiger über.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben von einer Stellungnahme abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 EStG wird nach Ablauf des Ausgleichsjahres auf Antrag des Arbeitnehmers ein Lohnsteuer-Jahresausgleich vom FA durchgeführt, soweit er nach § 42 b EStG nicht vom Arbeitgeber bereits durchgeführt worden ist.

Der Pfändungsgläubiger eines Lohnsteuer-Erstattungsanspruchs wird durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nach dem Urteil des Senats in BFHE 110, 26, BStBl II 1973, 784 ermächtigt, einen solchen Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für den Schuldner zu stellen, soweit ihm verfahrensrechtliche - insbesondere fristwahrende - Bedeutung zukommt. Nach dieser Entscheidung konnte der Kläger im Streitfall aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 5. Januar 1982 die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1981 für den Schuldner N beantragen. Er war gegenüber dem FA zur Vornahme solcher Handlungen berechtigt, ohne die eine Realisierung seines Anspruchs von vornherein gefährdet, wenn nicht gar unmöglich gemacht würde. Dazu gehört, daß er rechtzeitig den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für den Schuldner stellen kann.

Ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich muß nach § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Arbeitnehmer "eigenhändig" unterschrieben sein. Hierfür genügt nach dem Urteil des Senats in BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77 nicht die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Arbeitnehmers. Wie der Senat in dieser Entscheidung und in dem Urteil vom 15. November 1991 VI R 81/89, BFHE 165, 566, BStBl II 1992, 224 betont hat, soll die vom Gesetzgeber geforderte Eigenhändigkeit der Unterschriftsleistung dem Erklärenden sowohl bei Steuererklärungen als auch beim Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich die Bedeutung seiner Erklärungen als Wissenserklärungen bewußt machen. Denn der Gesetzgeber hat nach § 150 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) dem Steuerpflichtigen persönlich die Verpflichtung auferlegt, Angaben in der Steuererklärung (und dazu gehört auch der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich) wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen und dies unter den im Gesetz bezeichneten Voraussetzungen schriftlich zu versichern. Dementsprechend soll der Steuerpflichtige durch seine eigenhändige Unterschrift die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung übernehmen. Darüber hinaus soll durch die unmittelbar auf dem Erklärungsvordruck geleistete Unterschrift sichergestellt werden, daß sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und Richtigkeit der ggf. von einer dritten Person, insbesondere seinem steuerlichen Berater, vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissert hat.

Diese für den Steuerpflichtigen maßgebenden Grundsätze sind nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes auf den Pfändungsgläubiger nicht übertragbar. Von letzterem ist eine eigenhändige Unterschrift unter den für den Schuldner gestellten Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag nicht zu verlangen, da er mit einem solchen Antrag keine Wissenserklärungen über die steuerlich relevanten Daten seines Schuldners abgeben kann. Der Pfändungsgläubiger hat in dem amtlichen Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Vordruck lediglich den Namen und die Anschrift des Schuldners einzusetzen; die zur Bearbeitung des Antrags erforderlichen Unterlagen und sonstigen Angaben kann er in angemessener Zeit nachreichen bzw. nachholen. Soweit er dies nicht vermag, muß er sich die für den Lohnsteuer-Jahresausgleich notwendigen Angaben und Unterlagen vom Pfändungsschuldner - notfalls im Vollstreckungswege - beschaffen. Die Pflicht des Schuldners, die für die zutreffende Ermittlung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Informationen aus seinem persönlichen Bereich beizusteuern (§ 90 Abs. 1 AO 1977) und die notwendigen Auskünfte zu erteilen (§ 93 AO 1977), bleiben unberührt (vgl. Hartz/Meeßen/Wolff, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Pfändung des Lohnsteuer-Erstattungsanspruchs, S. 908/1 Abs. 2 und 3, m. w. N.). Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Pfändungsgläubiger selbst nicht in der Lage, nach bestem Wissen und Gewissen durch eigene Unterschrift auf dem amtlichen Lohnsteuer-Jahresausgleichs-Vordruck wahrheitsgemäß zu bezeugen, welche Arbeitnehmereinkünfte, Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sein Schuldner im Ausgleichsjahr gehabt hat. Unter diesen Umständen kann es als ausreichend angesehen werden, wenn an Stelle des Schuldners lediglich der Bevollmächtigte des Pfändungsgläubigers diesen Antrag eigenhändig unterschreibt.

Da die Vorentscheidung diesen Rechtsgrundsätzen im Ergebnis entspricht, ist die hiergegen gerichtete Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.